Thema: Wutphase
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #7  
Alt 05.01.2014, 15:39
Kroko2012 Kroko2012 ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 03.01.2014
Beiträge: 3
Standard AW: Wutphase

Hallo Luisa,

ich kann mich meinen "Vorrednerinnen" anschließen. Diese Wutphasen halte ich für normal und irgendwo auch wichtig, solange sie Dich nicht voll beschäftigen. Wahrscheinlich kannst Du gar nicht so genau sagen, auf wen oder was Du wütend bist. Dass Du Dich über Deine Bekannte geärgert hast, kann gut sein und das ist manchmal so ein Auslöser.

Heute genau vor 17 Wochen ist mein Freund gestorben, jetzt, um diese Stunde. Jeden Sonntag gehe ich anders damit um. Manchmal weine ich viel, manchmal bin ich wie abgestumpft, manchmal wütend. Auch die Phasen, im Auto einfach zu schreien kenne ich gut.
Auch ich war schon während der Krankheitsphasen manchmal wütend, aber das entsprach eher der totalen Hilflosigkeit und Überforderung. Bisher hatte ich es noch nicht erwähnt, aber mein Freund hatte im Februar eine Hirnblutung, aufgrund derer er sein Kurzzeitgedächtnis teilweise verloren hatte. Nach der Reha ging es ihm etwas besser. Niemand hat während des Krankenhausaufenthaltes und während der Reha bemerkt, dass er bereits schwer krebskrank war. Kannst Du Dir vorstellen wie wütend ich war?
Auf das Krankenhaus, in dem er auf der Stroke Unit lag, auf die erste Reha-Klinik, auf die zweite Reha-Klinik, auf den Hausarzt. Dieser hat erst auf meinen schon bösartig vorgetragenen Wunsch, eine Untersuchung der Lunge vorzunehmen, ein MRT veranlasst. Danach ging es dann schnell bis zur Diagnose Speiseröhrenkrebs mit Fistel in die Bronchien, unheilbar.

Aufgrund der Hirnblutung war es ihm nicht möglich, Termine zu vereinbaren, zu koordinieren, die Medikamente vorschriftsmäßig einzunehmen und die notwendigen Inhalationen (2 Stents in den Bronchien, 1 Stent in der Speiseröhre) vorzunehmen. Um alles habe ich mich gekümmert, jeden Termin wahrgenommen, alles gemanagt. Ich muss sagen, das habe ich gern getan und ich hätte auch gar nichts anderes tun können. Ich habe ihn geliebt. Ich habe Zweitmeinungen eingeholt, andere Ärzte konsultiert, bekannte Ärzte befragt und die Unterlagen versandt. Sogar einen Fernheiler habe ich bemüht und ihm Natron gegeben. (Siehe dazu Berichte im Internet). Immer bleibt aber das Gefühl, nicht richtig gehandelt, etwas vergessen zu haben, nicht ausreichend gehandelt zu haben. Und dann kommt die Wut. Zunächst auf mich. Dann auf seinen Freund, der sich lautstark anbot, mir zu helfen, und dann nur seine Freizeitvergnügungen im Sinn hatte, obwohl er nicht mehr arbeitet und demzufolge Zeit gehabt hätte. Ich habe 2 Jobs, bin 6 Wochen lang jeden Tag mit ihm zur Bestrahlung gefahren, weil ich ihm das mit einem Fahrdienst nicht zumuten wollte (orientierungslos wegen der Hirnblutung). Habe seinen Haushalt und alles andere gemacht (wir haben nicht zusammen gewohnt) und jeden Arzttermin mit ihm wahrgenommen. Ich bin wütend auf die Schwester, die sagte: Mensch, der hat ja Flöhe und Läuse auf einmal. Auf die andere Schwester, die meinte: Hat der etwa schon Hirnmetastasen? Und so weiter und so fort. Dann bin ich wütend darauf, dass er schon mit 48 Jahren sterben musste. Die Hirnblutung hätte doch auch "gereicht", warum noch Krebs dazu?
So wie mir geht es Dir sicher auch. Du wirst Erlebnisse und Gedanken haben, die Dir das Recht geben, wütend zu sein. Und ich glaube, man darf auch mal mit seinem Schicksal hadern, auch wenn man weiß, dass es viele Menschen gibt, denen aus auch schlecht, oder sogar noch schlechter geht.
Du hast mich gefragt, ob ich schlafen kann. Na in den ersten Wochen eigentlich gar nicht. Ich bin schnell eingeschlafen und nach 2 Stunden aufgewacht. Dann habe ich gegrübelt, mir Vorwürfe gemacht, sein gequältes Gesicht gesehen. Der arme Mann wusste ja manchmal gar nicht, worüber ich mit den Ärzten gesprochen habe und was mit ihm geschieht. Er war der Sache völlig ausgeliefert. Ich habe zur Überbrückung Schlaftabletten genommen. Jetzt geht es schon ohne. Und wenn ich aufwache, lese ich oder surfe im Internet, bis ich wieder müde werde.
Du fragst auch, ob ich jemanden zum reden hätte. Ich muss sagen, eine Kollegin ist wirklich für mich da. Ich habe relativ viele Bekannte, aber verstehen kann mich, glaube ich nur jemand, der Ähnliches durchgemacht hat. So wie Du und die anderen hier. Meine Leute sind grob gesagt der Meinung, nun sei es ja fast 4 Monate her und müsste mal langsam gut sein.
Liebe Luisa, setz Dich also bitte nicht selbst unter Druck, nur weil Du mal wütend bist. Ich glaube einfach, das darfst Du. Lass es raus.

Liebe Grüße
Kroko
Mit Zitat antworten