Thema: Cup-Syndrom
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #767  
Alt 20.04.2005, 22:09
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Cup-Syndrom

Liebe Eva-Maria,

ich möchte Dir mein tiefemfundenes Mitgefühl aussprechen.

Seit Tagen möchte ich Dir schreiben, aber leider ging es meinem Mann (er heißt auch Heinz) nach seinem 56.Geburtstag am Sonntag immer schlechter und ich mußte ihn in der Nacht zum Dienstag wieder einmal ins Krankenhaus bringen. Als ich von Dir nichts mehr las, hatte ich gleich so ein schlechtes Gefühl. Dein Mann ist wie meiner ein Kämpfer, sie kämpfen, solange es möglich ist, aber eine Palliativstation gehört nicht mehr zum Kampf. Sie bedeutet das Ende. Und dabei ist es unbedeutend, daß es ein schöneres und angenehmeres Ende wäre. Es kommt für sie nicht in Frage, denn sie wollen den Kampf beenden, wie es sich für einen richtigen Kämpfer gehört. In der Schlacht gegen den Feind in sich und nicht im Morphiumrausch friedlich im Bett darauf wartend.

Als Dein Heinz mit meinem Heinz damals im gleichen Zimmer lag und ich meinen besuchen kam, sah ich Deinen Mann mit übereinandergeschlagenen Beinen im Bett sitzen und er sah aus wie ein Kämpfer und Sieger. Munter um sich schauend, sah er aus, als möchte er sagen: "Ich bin nur kurz hier und werde bald wieder draußen sein". Als ich am Nachmittag wiederkam und mein Mann mir erzählte, daß Dein Heinz fast gestorben wäre, könnte ich es kaum glauben, denn er sah doch so gesund aus. Und das genau ist das Drama bei den verdammten Krebserkrankungen. In einem Moment sehen sie aus wie das blühende Leben und man schöpft wieder Hoffnung und dann sieht man sie an und hat den Tod vor Augen und alles bricht zusammen.

Dein Heinz hat es nun geschafft und ist vorausgegangen. Ich kann Deine Gefühle so gut nachempfinden. Da ist das Gefühl der Erleichterung, daß er nun gesiegt hat und nicht mehr leiden muß. Er hat seinen kranken geschundenen Körper hinter sich gelassen und seine Seele ist nun frei und kann sich bewegen wohin sie auch will. Sie kann auch dich besuchen und dir wieder Kraft geben.

Und dennoch sind da auch die anderen Gefühle wie Trauer, Wut und grenzenlose Verzweiflung. Man hatte doch so viel Hoffnung, daß man vielleicht auch zu denen gehört, die es schafften und den Feind besiegen konnten. Und nun ist da nichts mehr als eine große und nicht endenwollende Leere.

Ich weiß aber auch, das all das vergehen wird und man Frieden finden wird mit der Gewißheit, daß man ein langes glückliches Leben zu zweit hatte und alles getan hat, was möglich war und der geliebte Mann erlöst wurde. Dann beginnt die Zeit, in der man sich nur mehr an vergangene glückliche und wunderbare gemeinsame Momente erinnert.

Bis dahin wünsche ich Dir viel Kraft

Delia
Mit Zitat antworten