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Alt 03.07.2016, 19:00
MrMiffy08 MrMiffy08 ist offline
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Standard AW: NHL - DLBCL Rezidiv - Langzeitüberleben?

Ja, das Jahr 2015 und das letzte halbe waren eigentlich nicht schlecht gelaufen. Paar Höhen, paar Tiefen. Ich will mal - nur der Vollständigkeit halber - hier eine Zusammenfassung machen.

Im Februar 15 gab es also meine Stammzellen zurück. Der tagelange Knoblauch geruch und -geschmack war noch das Geringste. Hinzu kamen Folgeschäden durch die Chemo: Eine schwere Mundschleimhautentzündung, wegen der ich praktisch drei Wochen lang flüssige Nahrung bekam, nichts schmeckte, alles war wie Pappe, echt widerlich. Da hab ich glatt 8 kg verloren. Ich hab aber genug davon, deshalb kein großes Drama. Die Mundschleimhautentzündung klang dann allmählich ab, die Haare gingen weg. Nach einer Woche Haarausfall hatte ich genug - alles abrasiert. War schon ungewohnt, aber die Aussicht dass sie wieder kommen war schon tröstlich. Nach insgesamt 5 Wochen verließ ich das KH, war völlig kraftlos und schlapp und kam gerade mal so die eine Treppe zu Hause hoch. Dann erst mal Ausruhen. Wochenlang. Das nennt man Fatigue. Hat echt lange gedauert, bis ich wieder so weit Lust hatte irgendwas zu machen außer Lesen, TV, Computer - alles nicht besonders produktiv.

So etwa im August merkte ich, dass ich wieder Lust zu basteln hatte und in meine Garage konnte, ab da ging alles etwas besser. Ich beantragte eine Reha, weil ich eigentlich gegen Jahresende wieder in meine Arbeit wollte. Die Genehmigung zog sich hin, erst Ende September kam die Nachricht, dass ich Ende Oktober nach St. Peter-Ording soll, drei Wochen plus Nachschlag. Das war klasse, ich hocherfreut und Reha angetreten.
Dazu muss ich sagen, dass meine Onkologin bei den Checks in dem Jahr immer noch nicht entspannt war, weil sich meine Leukozyten nicht erholen wollten. Ich war immer noch unter 2.0, schlich so zwischen 1,6 und 1,9 hin und her. In die Reha ging ich mit 1.9.

Dort profitierte ich ganz gut von dem Programm, schöne Klinik, nette Leute, gutes Programm. Nach einer Woche wurde ich allerdings krank. Fühlte sich zunächst wie eine Grippe an, aber dazu heftige Halsschmerzen, unfassbar viel Schleim durch die Nase und Husten, dass ich nicht schlafen konnte, machten die ganze Sache zur Qual. Ich verbrauchte locker drei 100er Packungen Kleenex am Tag und 1 Packung in der Nacht, war morgens völlig platt, tagsüber gelang es mir gerade mal, meine 2 l zu trinken und ein Süppchen einzunehmen.
Die tags zuständige Oberschwester der Station hielt mich für einen Simulanten. Sie wollte, dass ich wenigstens versuche, in den Speisesaal zu gehen (damit sie mir nicht das Essen bringen musste) und war, als Fr. Dr. Zimmeressen anordnete, sichtlich genervt. Mir Wasser zu bringen war auch schon am Rande der Zumutbarkeit. Andere Schwestern waren da liebevoller als dieser alte Drachen (sorry).
Dann kamen Durchfälle hinzu, und ich wurde zum Quarantäne-Fall. Durfte mir auch kein Wasser mehr holen, was meine 2x tgl. Bewegungseinheit war. Immerhin wurde mir jetzt auch schon mal mit dem Essen das Wasser gebracht. Auf die zu ergänzenden Elektrolyte musste ich extra hinweisen...
Der Durchfall hielt zum Glück nur drei Tage an, aber das Labor brauchte länger, freigegeben wurde ich erst wieder nach 6 Tagen.

Mehrfach wies ich darauf hin, dass ich Halsschmerzen habe, aber mehrfache Blicke in meinen Hals brachten keine Erkenntnisse. So wurde ich (auch da ich keine Temperaturen entwickelte), weitere 10 Tage lang mit V.a. grippalen Infekt symptomatisch weiter behandelt.
Ach ja, dann kam noch der Geruch hinzu. Nach Tagen wurden Schwestern und Pfleger hirschiger zu mir. Sie kamen z.T. ohne zu KLopfen herein, rissen sofort Türen und Fenster auf und sagten, "ein furchtbarer Geruch hier drin, Herr M., sie müssen sich mal waschen..." K.A. was danach in der Kurve stand, aber irgendwie war ich dann wohl gebrandmarkt als Hygiene-Verweigerer. Die Zimmerfrau war aber total nett, machte, auch 2 x tgl., mein völlig durchgeschwitztes Bett neu, fragte immer ob sie lüften soll und brachte auch mehrere Handtücher, wenn ich das verlangte.

Nach 9 Tagen kam meine Frau zum Wochenendbesuch - sie hielt zu Hause mit den Kindern und ihrem Job alles am Laufen. Sie war erschrocken über meinen Zustand und wollte sofort den Arzt sprechen. Dann kam auch ein OA, schaute wiederum in meinen Hals und konnte wieder nichts sehen. Meine Frau beriet sich dann abends zu Hause mit einem Freund, der Arzt ist und selbst betroffen, der meinte, "keine halben Sachen nach Stammzellen und niedrigen Leukos - sofort ins KH und vernünftige Diagnostik und Therapie". Mein Glück, dass ich eine beherzte Frau und solche Bekannten habe...
Am Sonntag kam erneut meine Frau mit einer Freundin, um meine Sachen zu packen. Sie hatte am Mittag endlich telefonisch die Diensthabende OÄ erreicht und durchgesetzt, dass ich zurück in meine Klinik transportiert werde. Natürlich nach Protest, da eigentlich nur der Transport ins nächstgelegene KH bezahlt würde, da ich mich aber standhaft weigerte und in die Fachabteilung daheim wollte, gab sie irgendawann nach. An diesem Sonntag hatte ich das erste Mal Fieber. Als ich auf der Trage des Transportes lag, schaute mir die OÄ erneut in den Mund und sah zum ersten Mal, dass der hintere Rachenraum völlig belegt und weißlich war und gab mir erstmals eine Pille mit einem Antibiotikum.
Dann folgte eine Stunde Fahrt mit dem Krankentransport. Ich hatte kein Wasser eingesteckt, aber ich fieberte und der eine Sani hatte eine Dose Cola, die mir die Fahrt rettete (warum hat ein NAW eigentlich kein Wasser an Bord?).

In der Notaufnahme meines KH angekommen kam erst eine Ärztin zu mir, die auch sofort den Ernst der Lage erkannte, eine HNO-Kollegin dazu holte und mir Wasser und Paracetamol gab. Die HNO-Ärztin machte eine ausführliche Untersuchung und stellte fest: Schwere bakterielle Rachen- und Halsinfektion mit eitrigen Belägen, sowie eine Lungenentzündung. Daher auch der eitrige Geruch, den ich mit jedem Ausatmen verströmte. Hätte man also durchaus anders einordnen können...

Das Ganze kostete mich dann weitere 14 Tage stationären Aufenthalt. Immerhin konnte ich zu Weihnachten zu Hause sein. Am Ende dieses Aufenthaltes gab es allerdings nach einem Routine-CT viele kleine, unklare Befunde in der Lunge zu sehen. Man wollte dann nach Weihnachten reingehen und einige davon punktieren und/oder entfernen. Wiederum stand der Verdacht auf Karzinom im Raum. Uff. Mir ging es dann allerdings bei dem Termin kurz nach Neujahr immer noch so schlecht, (Infektnachwirkungen), dass man die OP nicht wagen wollte und mir weitere drei Wochen zu Erholung gab. Dann, Ende januar, wieder zur Aufnahme, ich war OP-bereit, und kam ins CT, wo man das OP-Gebiet mit einem Draht markieren wollte. Der Röntgenarzt kam allerdings nach der Übersichts-Aufnahme mit der Nachricht zu mir, dass man von den vor Weihnachten gesehenen Herden nichts mehr sehen konnte, also im Nachhinein von Infektresten ausgegangen wird, und die OP abgesagt wurde. Kein Draht, keine OP! Ich war glücklich und ließ mich nach Hause fahren...

Seitdem ein halbes Jahr keine schweren Infekte, Erholung, Kräftigung, neue Reha beantragt (Mitte 2016) und spätestens 1.1.17 wieder arbeiten, so alles gut geht. Letztes CT war auch wieder o.B. Leukos jetzt auf 3.0 -
Also, derzeit rechne ich mit einem gewissen Langzeitüberleben...

Ich drücke auch allen anderen Betroffenen hier die Daumen und wünsche gute Besserung!

Viele Grüße,
MM
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