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Alt 07.07.2014, 12:22
Charl0tte Charl0tte ist offline
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Standard AW: Habe ich mit der falschen Therapie angefangen?

Hallo liebe Jule,

nachdem wir Dich wahrscheinlich nun etwas verwirrt haben mit diesem Lymphknoten-Thema, hat es mich nochmal "gepackt" und ich habe etwas recherchiert. Zum Glück leben wir ja in Zeiten der unbegrenzten Information, die eigentliche Aufgabe ist es, die Informationen zu bewerten und das für SICH SELBER WICHTIGE herauszufinden. Ich habe mehrere Studien gefunden, die sich der "Sinnhaftigkeit" der Lymphknotenentfernung bei Eierstockkrebs widmen. Das Interessanteste zuerst: auch die, die es wissen müssten, "wissen" es nicht wirklich, sondern sie "vermuten" und "versuchen" und haben "Einschätzungen" und "Meinungen". Deshalb finde ich, dass wir als betroffene Patientinnen uns auch eine eigene Meinung erlauben dürfen, es sind ja schließlich UNSERE Knoten und WIR leben damit, wenn es negative Auswirkungen durch die Entfernung gibt. Die meisten Publikationen sind auf englisch, und damit ich hier nicht irgendeinen Käse übersetze, habe ich mal die wichtigsten Sätze im Original rüberkopiert. Diese und weitere Studien findet ihr auf www.pubmed.de.

Several institutional studies had suggested an advantage to systematic removal of pelvic and paraaortic nodes in patients whose tumor was optimally cytoreduced in the peritoneal cavity. However, the only randomized prospective study revealed a 7-month benefit in progression-free survival for patients having systematic lymphadenectomy, but no benefit in terms of overall survival. Unless a future randomized trial shows evidence to the contrary, removal of clinically normal nodes should not be considered part of the standard care for patients with advanced ovarian cancer. Bulky nodes should be removed as part of the surgical aim of removing all macroscopic residual disease. http://www.pubmed.de/data/nlm.link.html

In Kürze übersetzt: Es gibt mehrere Studien, die für einen Vorteil (advantage) für Patientinnen sprechen, deren Tumor optimal operiert wurde, und bei denen Lymphknoten in Bauch und an der Aorta entfernt wurden. Aber, die einzige prospektive (vorausschauende), randomisierte (nach Zufallsprinzip arbeitende) Studie enthüllte zwar einen 7-Monatsvorteil beim progressionsfreien Überleben für diejenigen, die eine systematische Lymphknotenentfernung hatten, aber keinen Vorteil, was die Gesamtüberlebenszeit anging. Wenn nicht eine künftige randomisierte (nach Zufallsprinzip arbeitende) Studie das Gegenteil beweist, sollte die Entfernung von klinisch normalen Knoten nicht als Teil der Standardtherapie für Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs angesehen werden. Verdickte Knoten sollten im Rahmen des OP-Ziels, alle makroskopisch krankhaften Veränderungen zu entfernen, entfernt werden. (Hervorhebungen von mir)

Unser erstes Ziel ist sicher, möglichst lange zu leben. Auch mit dieser Krankheit. Wie mir das Engelchen kürzlich so schön in meinem Thread über die Nabelmetastase so schön geschrieben hat, ist das mit der Progression (Fortschreiten) der Krankheit eine zweischneidige Sache. Ich habe aktuell einen steigenden Turmormarker (CA 125 = 153). Ist das jetzt schon eine Progression? Ich habe mich gegen eine weitergehende Diagnostik ausgesprochen, weil ich für mich zum Schluss gekommen bin, dass ich ES gar nicht wissen will. Außerdem würde man erst eine weitere Therapie anbieten, wenn Beschwerden aufträten. Die habe ich aber aktuell nicht. Würde man nun in einem MRT "etwas" sehen, wäre das dann schon eine Progression? Oder erst, wenn man ES bei einer OP findet und danach untersucht? Ich bin mir sicher, dass es mir auch in 7 Monaten noch prima gehen wird. 7 Monate finde ich einen ziemlich kurzen Unterschied, wenn man bedenkt, wie viele Monate und Jahre (!!!) man auch mit dem 3. oder 4. Rezidiv noch haben kann, wie hier viele Geschichten zeigen. Außerdem, wer weiß denn, wie lange irgendein Tumor schon da war, bevor ihn der Arzt oder ich entdecke? Da können schnell 7 Monate ins Land gehen und ich weiß gar nichts von meiner "Progression". Was ich sagen will: Lass Dir keine Angst machen davor, was irgendwann in der Zukunft mit irgendeinem Knoten sein kann. Du musst hier und heute entscheiden und ob entfernte Lymphknoten hier einen Vorteil sind, ist MEHR als fraglich. Sonst würden die sich in dieser und anderen Studien nicht so seltsam "vorsichtig" und verklausuliert ausdrücken mit "sollte", "hätte" "könnte".

Ich habe auch in meinem OP-Bericht noch einmal nachgelesen: Obwohl ich 5 Liter Bauchwasser hatte, eine ausgedehnte Peritonealkarzinose, der Blinddarm, Bauchnetz ... befallen war, waren meine Lymphknoten ALLE UNAUFFÄLLIG. Sie wurden vereinbarungsgemäß "auf Wunsch der Patientin" belassen. Natürlich ist das bei jedem anders. Aber es wäre doch sicher möglich zu sagen: WENN die Lymphknoten "unauffällig" aussehen, dann bitte drinlassen. NUR diejenigen entfernen, die z.B. verdickt sind, wie es in der oben zitierten Studie ja sehr zurückhaltend formuliert ist. Oder wie Edeka an anderer Stelle geschrieben hat: Die Lymphknoten sind "in Reihe geschaltet", sprich, wenn man z.B. einen rausnimmt und untersucht und es ergibt sich nichts Auffälliges, dann wozu noch weitere herausschneiden und Schäden am wichtigen Lymphsystem in Kauf nehmen? Ich denke mir auch Folgendes: Je informierter, eigenständiger, selbstbewusster wir auftreten, um so mehr werden wir als Individuen wahrgenommen und behandelt (als Mensch UND medizinisch). Wie Tündel in ihrem Thread so schön beschrieben hat: es gibt auch Operateure, die einfach GERNE schneiden! Und so sehr WIR als Patientinnen auf die Ärzte angewiesen sind. So wahr ist auch, dass die ÄRZTE auch auf uns PATIENTEN angewiesen sind. Was wäre schließlich ein Arzt OHNE Patienten????

Liebe Jule, das sind nur Anregungen, Gedanken, die ich mir die letzten Tage gemacht habe. Mir war es wichtig, diese mitzuteilen. Was DU daraus machst, ist ALLEIN DEINE ENTSCHEIDUNG!

Alles Gute für Dich und
liebe Grüße
Charl0tte

Geändert von Charl0tte (07.07.2014 um 12:39 Uhr)
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