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Alt 27.11.2014, 09:36
Wind Wind ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Gestern war nun der Palliativarzt da. Die Schmerzen und das Brechen scheinen von der Leber zu kommen. Mein Papa bekommt jetzt nochmal zusätzlich Kortisontabletten und damit sei das bis auf Weiteres erstmal gut in den Griff zu bekommen, sagt der Arzt. Und wenn man sich den Allgemeinzustand meines Papa`s anschaut, wäre alles noch gut. Sagt ebenfalls der Arzt. Und wie gerne möchte ich ihm glauben, aber dieses verdammte eigene Kopfkino … es sollte einen Schalter zum Ausschalten dafür geben.
Vor einem Jahr habe ich meine Freundin beim Sterben begleitet. Brustkrebs, linke Brust amputiert, drei Jahre später Metastasen in der Leber … ihr ganzer Kampf dauerte genau acht Jahre. Und sie war so tapfer, hat nie gejammert, immer nach vorne geschaut, allen anderen Mut gemacht. Und es war so ein furchtbarer Leidensweg. Zwischenzeitlich kamen dann noch Hirnmetastasen dazu, die aber wegoperiert und bestrahlt wurden. Diese langen acht Jahre haben wir alles zusammen durchgestanden … die Hoch und Tiefs der gefühlten tausend Chemos, viele ihrer Freundschaften sind daran zerbrochen, unsere ist gewachsen und tief und unzerstörbar geworden … und dann ging am Ende alles ganz, ganz schnell. Abends hatte ich „Aufpass-Dienst“ und wir hatten einen super Abend. Haben uns sogar noch ein Bierchen geteilt und die ganze Zeit (5Stunden) über Gott und die Welt gequatscht, ganz viel gelacht, auch ein bisschen geweint. Am nächsten Tag komme ich mit selbstgekochtem Schokopudding, weil sie sich den gewünscht hatte, und sie erkennt mich nicht mehr. Da komme ich bis heute nicht drüber hinweg. Das Sterben hat dann noch eine ganze Woche gedauert und es war kein schönes Sterben. Sie hat so gekämpft und konnte am Ende nicht loslassen. Es war fürchterlich.
Für mich ist dieses Erlebnis noch so präsent und ich habe es noch nicht im Ansatz verarbeitet. Acht Jahre drehte sich fast mein ganzes Leben um sie und dann war sie auf einmal nicht mehr da. Um mich rum geht das Leben weiter … natürlich, soll es ja auch … aber jetzt kann ich nicht loslassen.
Und nun geschieht das Gleiche mit meinem Papa. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht die Kraft habe, dieses alles nochmal durchzustehen. Klar, am Ende werde ich sie haben … wie ich sie auch bei meiner Freundin hatte, wenn uns immer wieder der Boden wegsackte. Aber welchen Preis werde ich dann dafür bezahlen? Wie lange schaut sich das meine kleine Familie noch an? Mein Mann … der beste Mann übrigens … für mich …war immer für mich da in den letzten Jahren. Hat mir tapfer den Rücken frei gehalten und war, glaube ich, einfach nur froh, als es rum war. Das hört sich doof an, ich weiß, aber ich hoffe, ihr versteht. Er dachte, er bekommt seine Frau wieder und ich glaube, dass er nicht verstehen kann, wieso ich so an meiner Freundin festhalte und warum ich nicht abschließen kann. Ich kann es ja selbst nicht verstehen. Ich war, denke ich, zwischenzeitlich auf einem ganz guten Weg … nun mein Papa … alles ist wieder da … meine kleine Familie steht an einem Zerreißpunkt. Unser Junge hat auch viel vom Weg meiner Freundin mitbekommen … es war seine Patentante. Nun weiß er, dass auch sein Opi die gleiche Krankheit hat. Er sieht, wenn ich weine … nicht immer kann ich nach Telefonaten so lange warten, bis er im Bett ist. Er braucht uns gerade sehr und macht mir doch andererseits so viel Mut und schenkt mir so viel Kraft. Das tollste Kind … für mich … Mein Mann sagt, wir können nicht viel tun, ich hätte alles getan, was getan werden konnte. Ich habe den Palliativdienst organisiert, ich war mit der Mama beim Bestatter und wir haben alles dort geregelt. Ich habe hier bei uns eine Grabstelle gekauft (Der Wunsch meiner Eltern ist es, bei uns Kindern zu sein), ich habe mit dem Pfarrer gesprochen … ja, es ist alles „vorbereitet“. Und trotzdem … ich weiß, was noch alles auf uns zukommt … werden wir es als Familie schaffen, heil aus dieser Sache rauszukommen?
Oh je … ich sehe gerade … ich habe jetzt mal voll die Jammertirade losgelassen. Normalerweise fällt es mir schwer, mich so weit zu öffnen, aber was soll`s … es hat furchtbar gut getan und deshalb ändere ich den Text auch nicht mehr. Und eigentlich wollte ich nur mal schnell Tine für ihre netten Worte danken
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