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Alt 04.03.2014, 14:00
Halbwaise Halbwaise ist offline
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Standard AW: So ist meine Mutter gestorben

Hallo lieber Andre,

die Geschichte kommt mir relativ bekannt vor...

Meine Mutter war 55 Jahre alt, als sie die Diagnose Nierenkrebs bekam. Durch viele Dinge, die seitens ihres Arztes und auch vom Krankenhaus her schief gegangen waren, bekamen wir die genaue Diagnose leider erst sehr spät.

Bei ihrer letzten Untersuchung (die das Ergebnis dann endlich bringen sollte) erlitt sie einen Herz-Kreislauf-Stillstand, auch die Lungenflügel waren beide eingefallen. Sie wurde reanimiert und ins künstliche Koma versetzt.

Tatsächlich bekamen wir dann nachmittags das Ergebnis. Klarzelliges Nierenzellkarzinom mit beidseitigen Lungenmetastasen und einer Hirnmetastase. Noch ca. 4 Monate zu leben.

Noch am gleichen Abend erhielten wir einen Anruf, wir sollen doch bitte schnell ins Krankenhaus kommen - ihr Zustand hat sich verschlechtert, sie wird noch diese Nacht sterben.
Als wir ankamen war sie ansprechbar, hing aber an den Maschinen und konnte somit nicht antworten.

Da sie Probleme mit der Beatmung hatte (Mund war deshalb ausgetrocknet, sie fühlte sich nicht wohl), bekamen wir den gleichen Vorschlag. Sie wird nur noch über die Nase beatmet, da das aber definitiv nicht reichen wird, erhält sie eine höhere Dosis Morphium, sodass sie die Atemprobleme nicht mitbekommt. Dann würde es noch ca. 2 Stunden dauern, bis sie geht.

Aus 2 Stunden wurden wesentlich mehr... die Werte blieben "leider" stabil, wo wir aber doch so sehr hofften, dass sie bald gehen darf.
Trotz hoher Morphiumdosis ist sie ständig "hoch geschreckt", hat sich total panisch umgesehen, meinen Vater gesucht, uns Kinder gesucht. Sobald sie wieder schlief, merkte man, wie sie immer tiefer fiel... trotzdem ist sie immer wieder hoch geschreckt. Sie gab Töne von sich, das war nicht mehr menschlich und ist auch nicht in Worte zu fassen.
Ihr Aussehen veränderte sich stark. Ein Auge schwoll total zu, laut Ärzten war das die Metastase, die am "explodieren" war und entsprechend drückte. Die vielen Flecken am Körper. Der Knorpel an den Ohren weichte... es war einfach nur schlimm mit anzusehen. Und immer wieder dieses Hochschrecken, panisch, verzweifelt.

Während sie im Sterben lag, wurde sie ebenfalls ständig umgezogen um "frisch zu sein", gewaschen... ich glaube, das Nachthemd war in dem Moment das letzte, an das meine Mutter dachte. Auch wurde sie in ihrer Sterbephase nochmals verlegt, sodass wir ein Einzelzimmer hatten. Trotz allem war es unheimlicher Stress für sie, und das ausgerechnet in den letzten Stunden ihres Lebens.

Wie du merkst, war deine Mutter leider kein Einzelfall. Mit Sicherheit gibt es auch viele Menschen, die friedlicher einschlafen können und dürfen.

Ich weiß genau, was du durch gemacht hast und wie schlimm die Situation für die Angehörigen ist. Man ist so verzweifelt, hilflos, will keinen geliebten Menschen so sehen, man will so viel machen, aber leider sind einem die Hände gebunden.

Bei meiner Mama sind es nun diesen Monat schon 1,5 Jahre her... trotz allem fühlt es sich an, als wäre es gestern gewesen. Ich habe lange gebraucht, bis mein Trauerprozess überhaupt angefangen hat. Das hat erst nach ca. einem Jahr angefangen, letztes Jahr Oktober... langsam merke ich, was es heißt, dass die Mutter gestorben ist. Ich vermisse sie mehr denn je.

Ich wünsche dir unheimlich viel Kraft. Der Verlust und Schmerz ist noch sehr frisch...

Falls du jemanden zum Reden brauchst, wirst du hier ganz viele Menschen finden, die ein offenes Ohr haben. Unter anderem auch mich

Alles Gute für dich!!
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