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Alt 03.07.2004, 10:50
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Standard Die Sichtweise,

Die Sichtweise,
Tod nicht als "schwarzes Loch"
und als Endpunkt eines Lebens zu sehen
sondern als Wandel

Distanz ist ein guter Berater in der Begegnung mit dem Leid eines sterbenden Menschen und der Auseinandersetzung mit dem nahen Tod. Distanz dem Leid und den Emotionen des Sterbenden und unseren eigenen gegenüber schafft Raum. In diesem wird es uns möglich, frei zu sein von Erwartungen, Hoffen und Befürchten; so kann Verstehen und wirkliche Nähe stattfinden.
Was wünschen wir uns? Was brauchen wir? Was würden wir uns von dem Menschen an unserer Seite erwarten?
Bei der Beantwortung all dieser Fragen werden wir erkennen, dass der Sterbende und wir die gleichen Wünsche und Bedürfnisse haben:

"Erwartungsfrei geliebt und angenommen zu werden."

Wir bringen so oft die Vorstellung mit, etwas tun zu müssen.
Das Leben, in dem wir stehen, aus dem heraus wir zu dem Sterbenden kommen, ist mit sehr viel Aktivität gefüllt.
Es ist wichtig dies alles hinter sich zu lassen und nur in dem Moment zu sein. Wir haben nun Zeit, ungewohnte oder neue Kommunikationswege zu gehen, der Stille, dem Schweigen und den Worten lauschen, ohne eigene Vorstellungen und Konzepte für das, was ist oder noch sein wird.

Meine Erfahrungen aus vielen Begleitungen haben gezeigt, dass die meisten Menschen Berührung als angenehm erleben. Berührungen, die natürlich erlebt werden können, und entspannen helfen, werden zu wissenden und bewussten Berührungen.
Gehalten werden, sanft die Hände über die Schulter, den Rücken, die Hand oder den Arm gleiten lassen, gestreichelt werden, das beruhigt und drückt eine eigene Art von Liebe aus. Der Körper hat seine eigene Sprache.

Bei den Begegnungen im Gespräch oder auch im gemeinsamen Schweigen kann die Berührung, wie das Halten der Hand, als eine Hilfe für Sterbende und Begleiter erfahren werden.

Wir vergessen leicht, dass der Sterbende im Begriff ist, seine ganze Welt zu verlieren, seine Familie, Freunde, Haus, Besitz, Beruf, seinen Körper, alles auf das er seine ganze Energie ausgerichtet hat und das er nun zurücklassen muss. Er lässt restlos alles zurück.

In dieser Phase wird nun vieles, was getan und entschieden wurde, überprüft.
Wir, die wir begleiten, helfen mit unserer Gegenwart, Offenheit und Ruhe im Augenblick, um bei diesem Weg des Abschiednehmens auf die daraus entstehenden Bedürfnisse eingehen zu können.

Für den Sterbenden ist es wichtig, bei den Begegnungen mit uns, das Gefühl zu haben so wie er ist, hilflos, schwach, verletzt oder emotional, angenommen zu werden. Nichts muss in diesen Momenten von dem Sterbenden und dem Sterbebegleiter geleistet werden.

"Es darf sein was ist."
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