Einzelnen Beitrag anzeigen
  #5  
Alt 03.01.2012, 09:02
Benutzerbild von sywal
sywal sywal ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 01.04.2006
Ort: Wien
Beiträge: 208
Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

1992/1993

Da ich mit meiner jüngeren Tochter eine Deutschlandrundreise, nach Hamburg zu Bon Jovi, nach Berlin zum Mauerfall und nach Bochum zu Starlight express machte, war ich meiner älteren Tochter schon lange eine gleichwertige Reise schuldig. So bestiegen wir Ende September einen Flieger und flogen 14 Tage nach London. Im Hotel angekommen entdeckte ich beim umziehen einen sichtbaren Dippel in unmittelbarer Nähe der Primärtumornarbe. Verzweifelt rief ich meinen Chirurgen an. Dr. S. beruhigte mich, ich sollte den Urlaub genießen und bei Rückkehr baldigst eine CT machen lassen.

Mitte Oktober hatte ich den Befund in der Hand. Der Dippel war, lt. Befund ein Nuss großes Lipom und im großen Becken zeigte sich eine 85x65mm große Verdichtung. Die in der Umgebung liegenden Organe werden deutlich verdrängt. Zwecks weiterer Abklärung wird die Durchführung einer Dünndarmpassage, Irrigoskopie sowie Sonographie empfohlen.

Ich spürte wie sich meine Nackenhaare aufstellten. War das mein Todesurteil? Immer wieder las ich diesen Befund und dann fiel mir auf, dass, wenn man schon mit CT das Innenleben eines Menschen genau betrachten kann, meine Myome doch auch zu sehen sein müssten. Das können, nein das müssen meine Myome sein!

So wurde ich von meinem Hausarzt, Herrn Dr. T. in ein neu eröffnetes Krankenhaus überwiesen und legte dem dortigen Ambulanzchirurgen den CT-Befund vor. Er las den Befund durch, suchte nach Worten bis der Begriff „nicht operationswürdig“ fiel. Was? Bitte was soll den das? Das Lipom ist ein Liposarkomrezidiv und diese Verdichtung im großen Becken sind meine Myome, korrigierte ich den Arzt ganz Fachfrau. Der Ambulanzchirurg sah mich erstaunt an und bat mich ihm die CT-Bilder bis am nächsten Tag zu leihen. Er wollte sich mit dem KH-Röntgenologen die Bilder ansehen. Am nächsten Tag wurden mir die Bilder zurückgegeben, eine Überweisung für die vom CT-Experten geforderten Untersuchungen „zwecks Abklärung“ überreicht und empfohlen in 3 Monaten wieder zu kommen. Na fein dachte ich, der schickt mich nach Hause sterben. Aber, wenn mein Lipom ein Liposarkomrezidiv ist, dann ist die Raumforderung sicherlich von den Myomen, war ich fest überzeugt. Aus „privaten“ Medizinergesprächen wusste ich, dass das LIS zwar rezidivieren aber nicht so rasch streuen würde.

Zur Irrigoskopie musste ich eine schleimige Flüssigkeit einnehmen, nicht gesagt wurde, dass dazu viel Flüssigkeit zu trinken ist. Demgemäß spielte mein ohnehin niedriger Blutdruck verrückt. Noch verrückter war die Untersuchung. Der Röntgenologe kam immer wieder und fragte mich nach dem Grund der Untersuchung mit „ich finde nichts“. Ja, das hatte ich mir schon gedacht.
Beim Ultraschall fand der Arzt auch nichts und stöhnte. „Fahrens mit dem Schallkopf doch mal zu der Gebärmutter“, gab ich ihm den goldrichtigen Tipp. „Die Gebärmutter ist sehr myomatös“ stellte er fest und ich bat ihn, seine Beobachtung in den Befund hineinzuschreiben. „Nein“ antwortete der feine Herr, das könne er nicht machen, denn das würde von der Kasse nicht bezahlt werden (die Gebärmutter ist im kleinen Becken, die Überweisung war für das Abdomen). Jetzt war für mich klar, der feine Herr Professor, KH-Abteilungsvorstand und RÖ-Institutsbesitzer hatte es offenbar nötig auf diese Weise seinen Umsatz zu steigern! Die Dünndarmpassage sollte er aber nicht mehr kassieren dürfen, die sagte ich ab.

Bei Gesprächen mit Histologen erfuhr ich, dass bei dieser hohen Sarkomdifferenzierung kaum bzw. keine Heilungschance durch Chemo- oder Strahlentherapie besteht. Die einzige Chance wäre eine Operation. Durch meine Recherchen erfuhr ich von 2 niedergelassenen Ärzten mit Schwerpunktpraxis. Einer arbeitete in Deutschland, einer in Österreich. Den deutschen Arzt würde ich mir ohne Kredit nicht leisten können. Den, zwar weit weg praktizierenden Österreicher, mit einer Kontoüberziehung sehr wohl. Seine Therapie war billiger, sie erschien mir auch nachvollziehbarer. Durch Zufall war man vor vielen Jahren auf die BCG-Vaccine gekommen, welche z.B. bei Tier und Mensch mit Sarkom, vergleichbare Ergebnisse erzielte. Später begann man zusätzlich inaktivierte Tumorzellen zu applizieren. (Mittlerweile ist ja die industrielle Forschung bzgl. standardisierte Krebsimpfung stark engagiert, hunderte Patente sind angemeldet)

Zusätzlich rief ich einen, im Gesundheitswesen hoch geachteten Politiker an und fragte ihn ganz einfach um Rat. Der österr. Mediziner sei kein Scharlatan, die Therapie jedoch nicht gesichert. Aber, in meiner Situation gäbe es keinen Einwand gegen diesen Therapieversuch. Es wären, im Vergleich zu Chemo/Strahlen, kaum Nebenwirkungen zu erwarten.

So stellte ich mich bei dieser Ärztegruppe vor und wir vereinbarten die Therapie. Zusätzlich mußte ich am Wohnort einen Arzt finden, welcher sich etwas mit Immunsystemtherapie auskennt.

Im Dezember war dann das „Lipom“ auf 4,5x3,1x3,4 cm angewachsen, festgestellt über einen simplen Ultraschall. Ich entschloss mich wieder im Privatkrankenhaus „einzuchecken“, in welchem die Brustoperation durchgeführt wurde. Und schon hatten die Neidhammel Grund sich das Maul zu zerreißen. „Bist was besseres?“ „Na du musst Geld haben!“ Wurden diese Meinungen mir ins Gesicht gesagt, dann antwortete ich trocken, dass ich eben meinen Urlaub im Krankenhaus verbringe während andere am Ballermann das Geld ausgeben. Und genau so sah ich es auch.

Ein Teil des Tumors musste gekühlt, innerhalb kurzer Zeit, beim Arzt in ca. 200km Entfernung abgegeben werden. Mit einem PKW, über die Autobahn, war mir das zu unsicher. So versuchte ich eine Transport-Sondergenehmigung der Bahn zu erwirken. Und wirklich ich bekam die Genehmigung. Eine Arbeitskollegin würde das Gut zur Bahn bringen, das Zugpersonal sollte es am Bestimmungsort einem Taxifahrer übergeben , und innerhalb vorgeschriebener Zeit würde die Tasche beim Arzt sein.

Am Plan stand nun Anfang Februar die Tumorentfernung. Sobald ich die Mobilität wiedererlangt hätte war der Klinikfriseur, Pediküre und Maniküre, eventuell auch ein Besuch bei der Kosmetikerin angesagt. Der Tumor wurde im Privatkrankenhaus extirpiert, eine Lymphadenektomie durchgeführt.

Als ich wieder zu Hause war lag eine Genesungswunschkarte der Bahnmitarbeiter in meinem Briefkasten. Sie kannten mich nicht persönlich, trotzdem hatten sie mit mir engagiert den Transport geplant und nun hatten sie sich die Zeit genommen mir baldige Genesung zu wünschen. Ein Hauch Geborgenheit umschloss meinen Körper, ich fühlte mich wie in einer großen warmen und schützenden Hülle.

Die Histo ergab ein Liposarkomrezidiv, Grad 1, Resektion im Gesunden.

Nun kam die Zeit der Ernährungsumstellung. Zuerst ging ich zur Krebsdiätberatung, dann kam ich irgendwie zur Makrobiotik. Hier lernte ich 3 Richtungen kennen. Eine ganz alte, welche sogar nichts dabei fand zu behaupten, dass man schimmliges Brot essen kann. Dieser Autor schrieb aber auch, dass man nur das essen soll, was in der Umgebung wuchs. Die etwas sanfteren Autoren gaben nicht nur Ernährungstipps, dokumentierten auch alte Hausmittel z.B. gegen Wasseransammlung in den Beinen. Zusätzlich besuchte ich auch einen Makrobiotik-Abend. Hier erfuhr ich, dass es sich bei Makrobiotik nicht nur um Ernährung oder Diät handelt, sondern auch um Lebensphilosophie. Letztere wurde sehr radikal vertreten. Diät war für mich in Ordnung – Lebensplanung nicht. Dankenswerter Weise fand ich in der Nähe meines Arbeitsplatzes einen Bioladen mit makrobiotischer Ausrichtung. Der Besitzer war ein Anhänger der 3. Richtung. "Du kannst ruhig Fleisch und Auszugzucker essen - Du sollst aber wissen, wie das Deinem Körper schadet". Mit dieser enormen Unterstützung begann ich einen Zucker- und Fleischentzug. Bot der Mann in seinem Laden mal eine wunderbare hausgemachte Torte an, verlangte ich 2 Stück davon, so fragte er mich freundlich „muss das sein?“. Nein, und schön brav ging ich ohne Torte aus dem Geschäft.

Es war ein sehr heißer Tag, am Arbeitsplatz war es auch nicht kühler, und trotzdem hatte ich Schüttelfrost. Konnte am Telefon kaum sprechen, die Zähne schlugen aufeinander. Entschlossen packte meine Tasche, rief zu den Kollegen, dass ich in ein bis zwei Stunden wieder kommen würde und ging mit dem Gedanken, mir jetzt einen Schweinebraten zu kaufen, zur nahe gelegenen Hauptstraße. Die auf die Straße scheinende Sonne half nicht gegen den Schüttelfrost, der mich noch immer quälte. Bei einem Großkaufhaus angelangt ging ich sofort ins Selbstbedienungsrestaurant, wollte mir den Braten kaufen doch, als ich das Fleisch sah überkam mich Ekel. Da wurde aber auch ein Butterbrot mit fein geschnittenen Radieschen angeboten. Ich nahm das Brot, Messer und Gabel, setzte mich zum Tisch, schnitt ein Stück von dem Brot, führte es zum Mund. Als sich der Geschmack des Radieschenbrotes im Mund breit machte – war der Schüttelfrost weg. Ich denke, das war der Moment in welchem die sogenannte Entgiftung abgeschlossen war.
Mit Zitat antworten