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Alt 02.05.2013, 22:08
Kaffeemaschine Kaffeemaschine ist offline
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Standard AW: ...schlechtes Gewissen

Liebe Cassiopeia,

ich finde nicht, daß Du wegen irgendetwas ein schlechtes Gewissen haben mußt - Du bewältigst viel, sehr viel, schon über eine lange Zeit und ich ziehe den virtuellen Hut vor Dir!
Vieles von dem, was Dich so geballt trifft, kenne ich „einzeln” und finde, das ist schon stressig genug. Nicht verwunderlich, daß Du dabei an Deine Grenzen kommst!

Ich finde gut, dass Du auch bei Gegenwind und Vorwürfen an Deinen Auszeiten festhältst; prima, daß Dein Partner Dich so unterstützt!

Einfach ist es sicher für niemanden, für die kranken Lieben und trotzdem auch für sich zu sorgen. Da bist Du nicht allein! Daß Deine Familie so wenig Interesse und Verständnis für Dein Leben aufbringt, ist aber eine ganz arge Extralast. Du fragst ja, wie andere Angehörige damit klarkommen - ich pflege meinen Vater, zusammen mit meiner Mutter, und wenn er an den guten Tagen eben auch darauf drängt, daß wir mal Zeit für uns haben, oder sich entschuldigt, daß er uns nachts braucht, das macht viel aus.

„zu wenig” ist es immer. Da mißt Deine Mutter aber an dem Maßstab „was wünsche ich mir”und nicht „was ist machbar”! Das soll kein Vorwurf sein, sie hat eine andere Perspektive und das ist verständlich. Ich meine bloß, nimm Du für Dich diesen Maßstab nicht an. Garantiert findet jeder Angehörige hier im Forum „zu wenig„, daß wir unsere Lieben nicht vom Krebs hilen können! Aber hat irgendwer deshalb Vorwürfe verdient?!

Deine Familie, oder zumindestens Deine Mutter, scheint davon auszugehen, daß Deine Zeit, Zuwendung und vielleicht sogar Deine Stimmung ihnen irgendwie zusteht, weil sie krank sind und Du nicht (so sehr).
Das halte ich für falsch.
Klar, wer krank ist, hat ein Recht auf med./pfleg. Versorgung. Selbstverständlich hilfst Du mit Rat und Tat und nimmst mehr Rücksicht als bei Gesunden. Aber Dein Leben gehört Dir und steht niemandem automatisch zu. Was Du für Deine Familie tust, schenkst Du freiwillig. Geschenke gehören zum guten Ton, aber nicht zu den Schuldverschreibungen!

Deine Angehörigen können nichts dafür, daß es ihnen schlecht geht. DU AUCH NICHT.

Den Vergleich mit der Sauerstoffmaske im Flugzeug, den ich hier gelesen habe, finde ich treffend: Du mußt selber atmen können, erst dann kannst Du anderen helfen. Da geht es nicht um Moral, sondern daru, was funktioniert. Wieviel Kraft Du hast, kann Deine Mutter von außen gar nicht beurteilen, und da gibt es auch kein Soll zu erfüllen, so von wegen „gute Töchter halten klaglos noch einen Monat länger durch, sonst haben sie sich eben nicht wirklich bemüht” ;-)

ich hoffe, Du nimmst mir die Brandreden nicht übel, ich wollte ein wenig Munition liefern gegen das Gewissen!

Dein Bruder hatte ja noch nicht viel Zeit, selbst den Schock zu verarbeiten, hat er sich denn vorher für Dein Leben interessiert? Kannst Du ihm sagen, daß Du Dir auch etwas Aufmerksamkeit wünschst?
Hast Du Freunde, die Dir zuhören und Dich bestärken?

Wie sehr man sich als Betroffene ängstigt und überfordert fühlt, wie leicht man bei Schmerzen und Einschränkungen eben auch mal unfair oder ärgerlich reagiert, kann ich nicht mal ansatzweise nachempfinden. Da ist unsere Geduld und unser Verständnis wirklich gefragt und ich weiß, daß ich da noch arg an mir arbeiten muß. Aber Zeit und Kraft fürs eigene Leben muß trotzdem sein.

Ich schick Dir mal ein großes Kraftpaket rüber.. Laß Dir Deine freie Woche nicht vermiesen und vor allem gute Besserung!

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