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Alt 29.06.2006, 17:44
susaloh susaloh ist offline
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Standard AW: Ärzte und Kommunikation

Hallo Renate,
das ist ja so unglaublich, und auch sowas von unfair, wie es dir ergangen ist. Und tut mir sowas von leid! Es zieht einem vor Wut den Magen zusammen.

Aber ich finde es sehr hilfreichl, wie Ruth ersteinmal geistig zwischen Diagnoseverarbeitung und Wut auf die Pannen unterscheidet. Eigentlich hast du die Diagnose ja noch gar nicht wirklich gekriegt, die muss dir ja erstmal ordentlich erläutert und interpretiert werden von deinen Ärzten. Hier nur mal als kleiner Trost meine Meinung: 2 von 9 befallenen Lymphknoten, das ist, wenn ich mich recht besinne, nämlich gar nicht so schlecht. Kann es jetzt auf die Schnelle nicht belegen, aber hier mein Eindruck (Bitte korrigiert mich!!) : Bei den Lymphknoten wird doch nach der Therapie gleich bewertet wie vor der Therapie, d.h. bei der Risikobewertung landest du mit 2 befallenen Lymphknoten in der entsprechenden, niedrigeren Risikogruppe, egal ob vorher Chemo oder nachher. Aus den Lymphknoten kann ja mit einer spätern Chemo auch nix mehr verschwinden, weil sie ja jetzt wegoperiert sind! Wieviel vorher mal befallen waren wirst du jetzt natürlich nie mehr erfahren, oder hast du den endgültigen Pathologiereport noch nicht? Wenn ja, spielt es ja auch eine Rolle ob man noch lebende Zellen in den beiden Lymphknoten gefunden hat oder nur noch die toten Spuren, dass die mal da waren? Oder hat man in welchen von den anderen solche Spuren entdeckt? Das musst du dir alles noch genauestens erklären lassen.

Jedenfalls, ich habe schon öfter gelesen, dass trotz super Ansprechen des Tumors außer bei Totalremission sich oftmals erstaunlich viele Lymphknoten als Befallen herausstellen! Ich weiß nicht, ob ich mit einem auf 2 cm geschrumpften Tumor und 7 befallenen Lymphknoten glücklicher wäre als du mit deinem Befund. Denn, je mehr Lymphknoten, desto länger hat er schon gestreut, umso mehr war in deinem Körper zu bekämpfen... Weiß nicht ob das alles Sinn macht, aber dieser Bezug wird in der wissenschaftlichen Literatur immer als relativ sicher bewiesen gesehn (zumindest bei lobulärem BK, worüber ich viel gelesen habe).

Mich würde auch interessieren ob du einen duktal invasiven oder lobulär invasiven Tumor hattest, die werden nämlich auch unterschiedlich bewertet! Ich selber rechne so intuitiv auch mit 2-3 befallenen Lymphknoten, mehr kann man vielleicht bei unseren großen Tumoren nicht erhoffen, und das statistische Risiko ist dabei nicht so furchtbar schlecht.

So, jetzt zu dem ärztlichen Kommunikationsversagen: Emotionales Abhaken ist für einen selber sicher richtig und wichtig fürs persönliche Seelenheil, um das es letztendlich nur geht, aber ich würde noch wie folgt unterscheiden: Ist der Laden ein hoffnungsloser Fall oder nicht. Wenn nicht, würde ich mir entweder mündlich oder sogar schriftlich (weil überlegter/vollständiger) mal ordentlich Luft machen. So ein Brief/Gespräch ist für einen selber schon mal sehr erleichternd, aber wenn deine Kritik in dem KH ernst genommen wird, kann sie durchaus dazu beitragen, dass sich in Zukunft was ändert, und das wäre ja dann schon mal ein Trost. Ich habe ein wahnsinnig spannendes Brustkrebsbuch von einer Journalistin gelesen (für ihren Namen müsste ich googeln) , "Brustkrebs - Überleben Glücksache" - in dem sie die ganze Behandlungsmaschinerie zum einen aus ihrer Patientinnensicht beschreibt und hinterfragt. Diese Frau hat mit ihrer Kritik enorm viel erreicht, und zwar nicht weil sie mit dem Buch nur anklagend an die Öffentlichkeit gegangen ist und dadurch was aufgerührt hat. Stattdessen hatte das diverse ärztliche Personal auf ihrem Weg die Chance, die Umstände auch aus ihrer Sicht zu beschreiben, zu reflektieren und eigene Kritik darzustellen, dies wurde auch praktisch von allen wahrgenommen, und besonders in ihrem Krankenhaus hat diese gegenseitige Darstellung zu einer deutlichen Verbesserung der Verfahrensabläufe im Sinne der Aufklärung und Behandlung der Patientinnen geführt. Das ist nämlich gar nicht so schwer, wenn jemand anfängt nachzudenken und wirklich dran zu arbeiten! Sowas läuft heute schon ganz selbstverständlich unter Qualitätsmanagment!!
Die Journalistin hat übrigens auch eine neoadjuvante Chemo gemacht, und bei ihr hat der Tumor nicht gut angesprochen. Sie hat dann aber im Zuge ihrer Recherchen bei den diversen Ärzten festgestellt, dass die BEWERTUNG des Ansprechens der Therapie gar nicht so einfach und eindeutig ist. Wahrscheinlich bekämst du auch du soviele Meinungen, wie du Ärzte fragst und musst dir dann letztlich deine eigene Einschätzung zusammen basteln.

So, ich rede hier soviel Zeugs, weil ich mich so aufrege über dein Erlebnis. Jetzt schlaf erstmal drüber und dann stürz dich entschlossen auf die nächsten Schritte und lass dich von keinem abwimmeln oder einschüchtern. Soweit glaube ich dich schon zu kennen, dass ich meine, das du das ganz toll machen wirst!!!!

Ganz liebe Grüße
Susanne

Geändert von susaloh (29.06.2006 um 17:52 Uhr)
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