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Alt 10.02.2009, 22:15
Espérance Espérance ist offline
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo Kerstin!

Oh, ich verstehe dich so gut! Kampf um Aufmerksamkeit, Zuneigung, Resonanz, irgendein Signal, dass man seine Daseinsberechtigung nicht nur durch Leistung erhält. Das fehlt, also schließt daraus unser liebes Un(ter?)bewusstsein, dass man ohne super Leistung eben kaum was Wert ist. Mal unabhängig von der Krankheit (meine Therapeutin sagte mal, dass der Körper manchmal seltsame Wege geht, um einem zu zeigen, was wirklich wichtig ist - nicht dass das heißt, er "sucht" sich den krebs aus).
Ich war früher meistens Klassenbeste, Schülersprecherin und überhaupt. An der Uni war ich dann auf einmal unheimlich gekränkt, dass das nicht mehr so war - auch wenn ich mir das vor mir selbst nie eingestanden habe zu der Zeit. Und selbst wenn ich es war - es war egal, denn man ist ja nur eine (Matrikel-)Nummer, der Prof. kennt einen nicht einmal. Als ich krank wurde und plötzlich bei einer Prüfung fehlte ohne entschuldigt zu sein (hatte die Prüfung um 17 Uhr und bekam die Diagnose um 12 Uhr), bekam man das an der Uni wohl oder übel mit und in der Folge war ich doch wieder jemand, die kämpft und trotzdem Klausuren schreibt, wenn auch weniger und nur wie es eben ging. ich weiß nicht, ob man - wenn zuhause eben jene Anerkennung/Zuwendung immer gefehlt hat (man ist ja das ach so pflegeleichte, sorglose Kind, um das man sich deshalb ja nicht so kümmern brauch) - sich mit der Zeit nur über sowas definieren kann: Leistung. Meine Therapie dauert jetzt vier Jahre an (hatte sie schon bevor ich Krebs bekam angefangen und es ist auch keine Onkopsychologin) und erst jetzt merke ich so langsam, dass Leistung einem nie die Anerkennung verschafft, die man braucht. Ganz im Gegenteil, der Anspruch, den man an sich selbst stellt, zermürbt von innen und egal wie gut man ist, es ist nie gut genug, solange andere besser sind. Diese Vergleicherei macht einen wahnsinnig (weißt du sicher auch alles aus eigener Erfahrung und es ist nicht so leicht, das auch mit dem herz zu kapieren) und führt zu nichts. Leider gibt es keine Strategie dagegen, wollte dir nur schreiben, dass du damit nicht allein bist UND dass man es hinkriegen kann den Druck zu dezimieren. Ich weiß nicht wie, aber nach harter Arbeit an sich selbst, u.a. in der Therapie, viel Reflexion kam es von selbst (Was brauche ich *eigentlich* statt der Leistung/dem Konkurrenzdruck, dem Vergleich? tut manchmal auch ziemlich weh sich einzugestehen, was man damit erreichen will und dann einsehen zu müssen, dass man es nie erreichen wird - denn seine Eltern/Voraussetzungen, unter denen man aufgewachsen ist kann man nicht verändern).
Ähm, das Wort zum Mittwoch, vielleicht hab ich auch komplett am Thema vorbei geschrieben, ich hoffe nicht, jedenfalls glaube ich, dass du ganz schön gewalttätig mit dir bist (Selbstdisziplin ist ein zu "weiches" Wort, kenne das aus eigener Erfahrung, Freiheit/Leben ist etwas anderes. Und Disziplin geht auch eigentlich nur mit Ausgleich/Belohnung, was man sich selten zugesteht) und dass du das nicht verdient hast.

Ganz liebe Grüße!
C. alias Esperánce
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