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Alt 20.12.2004, 16:56
Benutzerbild von Petra Loos
Petra Loos Petra Loos ist offline
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Standard Die Endlichkeit unseres Daseins

Lieber Ole,

ich finde es gut , dass mal solch ein Thema angesprochen wird.
Gerade weil wir hier in einem Krebsforum sind ,ist das Thema unserer eigenen Endlichkeit doch eher gegenwärtig, wie ohne diese Erkrankung.
Ich habe schon vor meiner Erkrankung viel mit dem Sterben und dem Tod zu tun gehabt. Es gibt sicherlich Menschen in medizinischen Berufen, die trotzdem solch ein Thema taburisieren.
Aber für mich gehört das Sterben zu unserem Leben hinzu. Wir werden geboren, um eines Tages wieder sterben zu müssen.
Der Unterschied liegt darin, dass die Geburt mit Freude und Glück betrachtet wird, weil wir ein kleines Menschlein hinzu gewonnen haben.
Das Sterben und der Tod bereitet uns Angst. Wir müssen einen geliebten Menschen gehen lassen. Meistens geht dies mit dem Verfall des Menschen einher. Wir sehen, dass dieser Mensch immer weniger wird, dass er vielleicht aufgrund seiner Erkrankung leidet und können nichts dagegen tun und wenn wir was tun, können wir es nicht aufhalten. Wird ein Mensch plötzlich aus dem Leben gerissen, stehen die Hinterbliebenen völlig geschockt da und wieder kann man nichts dagegen tun.
Für einen schwer kranken Menschen kann der Tod die Erlösung sein und sagt sich: ja jetzt ist es gut, wenn ich gehen muss.
Als ich meine Diagnose bekam war das, als hätte mir jemnand meine ganze Existenz ausgelöscht. Diese Panik: Ich werde sterben ud als nächstes: oh Gott was wird aus meinen Kindern?!
Ich hatte nicht mal Angst vor Schmerzen und Qualen, sondern die Tatsache, dass ich meine kleinen Kinder zu Halbwaisen mache, hat mich bald verrückt gemacht und ich wollte doch noch ein bischen leben. Mit nicht mal 30 Jahren hat man fast gar nichts erlebt.
Meine derzeitigen Erfahrung mit dem Tod durch meinen Beruf, waren dahin.
All diese Ängste, bekommt man zwar mit als Pflegekraft mit, aber wenn man sie spürt, ist das ein sehr großer Unterschied.
Während meiner Hochdosis kam es einmal dazu , dass ich dem Tod sehr nahe kam. Ich rede nicht oder sagen wir eigentlich fast gar nicht darüber. Es war für mich ein einzig artiges und für mein Leben prägendes Ereignis.
Ein Hospizleiter sagte vor kurzem mal zu mir : Sterben ist scheisse.
Ich war sehr erstaunt, dass gerade aus seinem Mund eine solche Aussage kam. Ich habe lange darüber nach gedacht und ich muss ihm Recht geben.
Man kann es drehen und wenden , wie man will... für einen Beteiligten ist es so.
Entweder will der Kranke nicht sterben, weil er noch nicht bereit ist und hat schreckliche Angst. Oder der Kranke ist an einem Punkt angelangt, wo er bereit ist zu sterben und er beruhigt seinen letzten Weg geht. Aber selbst , wenn dies der Fall ist... was ist mit den Menschen, die zurück bleiben?!
Auch,wenn der Hinterbliebene erleichtert ist, dass der geliebte Mensch nun keine Schmerzen mehr hat, bleibt doch eine Lücke, die dieser Mensch hinter lässt.
Man vermisst ihn überall und man möchte ihn wenigstens doch ein einziges Mal noch mal sehen, ihn umarmen oder etwas unausgesprochenes sagen.
Ich hätte im letzten Jahr meiner Erkrankung auf der Stelle tot umfallen können, mir wäre es recht gewesen. Ich war an einem Punkt, wo für mich nichts mehr ging.
Und doch was für mich in Ordnung gewesen wäre, hätte meiner Familie unendliches Leid erbracht.
Un daher ist diese Aussage: Sterben ist scheisse, gar nicht so falsch.
Nach meinem Erlebnis, weiß ich für mich, dass da nach dem Tod sicher noch etwas kommt und selbst wenn Wissenschaftler sagen: Nahtod Erlebnisse hängen mit der rasanden Hormonausschüttung zusammen und lassen eine Art Hallutinationen erwirken. Wer sagt mir denn, dass sich der Wissenschaftler nicht ebenfalls irrt?!
Ich habe für mich entschieden nach meienm Erlebnis: sterben selber, ist gar nicht so schlimm... im Gegenteil.Mir ist auch bewußt, dass der eine oder andere liebe Mensch vielleicht noch vor mir sterben muss. Und ich weiß auch, dass ich mit Trauer und Hilflosigkeit reagieren werde.Aber ich sehe das nicht nicht als Schande oder Schwäche an. die Gesellschaft kann noch so viel von fitten und vitalen Menschen predigen... wenn es darum geht einen lieben menschen zu verliren sind wir alle gleich: wir weinen und trauern auf unsere eigene Art. Das sind für mich völlig normale Gefühlsregungen, wie lachen und Spass haben und nichts was man verstecken muss.
Was uns nun nach dem Tod erwartet wissen wir sowieso erst dann wenn es soweit ist.
Und selbst , wenn der Wissenschaftler doch recht haben sollte... habe ich mit meiner eigenen Gewissheit gelebt, dass ich keine Angst vor Sterben haben muss und dass meine breits verstorbenen Lieben irgendwo sind und auf uns aufpassen.

Liebe Grüße Petra

( ich hoffe es war nicht zu verworren ;-) )
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