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Alt 02.06.2007, 23:21
J2K J2K ist offline
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Standard AW: Innerer Konflikt

Hehe,
irgendwie kommt mir das Thema bekannt vor.

Als bei mir mein Tumor diagnostiziert wurde, war es meine Mutter, die sofort zu irgendwelchen Familientherapeuten gerannt ist und sich dort für teures Geld hat einreden lassen, dass der "mangelnde Respekt vor meinem Vater" für die Tumorentstehung verantwortlich sei. Dazu sollte man den Hintergrund kennen: Ich hatte eigentlich nie Kontakt zu meinem Vater, da meine Mutter sich von ihm wegen seiner Alkoholprobleme getrennt hatte als ich noch im Kleinkindesalter war.
So eine Geschichte ist natürlich ein gefundenes Fressen für "Psychoanalytiker".
Eine weitere "Theorie" meiner Mutter war, dass ich zu introvertiert sei und "Ärger in mich hineinfressen würde".

Am Anfang habe ich mich noch über meine Mutter aufgeregt, dass sie mit solchen "Theorien" angekommen ist und versucht hat, mir eine "Schuld" bzw. "persönliche Verantwortung" für meine Erkrankung einzureden. Allerdings konnte sie es nicht besser wissen, sie stammt aus einfachen Verhältnissen, hat die Schule vorzeitig abgebrochen und hat dementsprechend intellektuelle Defizite.
Sie versuchte mir während meiner Behandlung dann auch noch psychoonkologische Behandlungskonzepte wie die von Simonton einzureden

Wer sich mal ernsthaft mit dem Thema "psychosoziale Faktoren und Krebsentstehung" auseinandergesetzt hat, weiss, dass in grossangelegten wissenschaftlichen Studien mit Tausenden von Probanten bis heute keine eindeutigen oder wiederholt nachweisbaren Kausalzusammenhänge nachgewiesen werden konnten.
http://www.thieme-connect.com/ejourn...004-826659.pdf

Trotzdem werden pseudowissenschaftliche Theorien wie z.B. die "Krebspersönlichkeit", "innere Konflikte", "Strafe Gottes" und dergleichen scheinbar bevorzugt von nahen Verwandten oder religiösen Gruppierungen aufgegriffen. Ist auch verständlich: Nicht-Betroffene können offenbar einfacher mit der Krebserkrankung von nahestehenden Personen umgehen, wenn sie anstatt einer Schicksalsfügung persönliches Verhalten oder die persönliche Einstellung des Betroffenen als Erkrankungsgrund heranziehen. So nach dem Motto "Du leidest jetzt, bis ja selbst dran Schuld". Und dann genügt nur die Einsicht der betroffenen Person, dass sie etwas falsch gemacht hat und nun ihr Verhalten und ihre Einstellung ändert und schon verschwindet der Krebs und die Verwandten müssen nicht mehr zusehen, wie der Betroffene leidet.
Bei den religiösen Gruppierung muss auch immer irgendein Grund herhalten, weil Gott ja allmächtig, perfekt usw. ist und niemals zulassen würde, dass eine unschuldige Person Krebs bekommt. Ergo: Die Person kann nicht unschuldig sein.

Im Gegensatz zu psychologischen Faktoren, gibt es jedoch eine ganze Reihe von Faktoren, die unbestritten einen empirisch nachweisbaren Einfluss auf die Entstehung einzelner Tumorarten haben. Dazu zählen vor allem Ernährung, mangelnde Fitness, Alkohol- & Tabakkonsum, genetische Faktoren, hormonelle Faktoren, Umweltbelastungen etc.
Wer also einer künftigen Krebserkrankung vorbeugen möchte oder seine Therapie positiv beeinflussen möchte, ist mit einem Ernährungs-oder Fitnessberater u.U. besser beraten als mit einem Psychologen.

@Meli
Beim Ewing Sarkom z.B. ist es so, dass die genauen Ursachen unklar sind, der Tumor aber gehäuft in Familien auftritt, also eine genetische Ursache wahrscheinlich ist.


Gruss,
J2K
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