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Alt 04.07.2010, 10:29
Katrin&Mark Katrin&Mark ist offline
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Standard AW: Katrinchen, mein Schutzengel

Ihre Lieblingsfarbe war ein blasses Babyblau. Sie mochte keine grellen Farben und auch nichts gedecktes. Sie trug sehr gerne Jeans. Durch die Wassereinlagerungen konnte Sie Ihre Hosen nicht mehr tragen. Sie war so niedergeschlagen deswegen. Wir kauften für Sie etwas weitere Hosen. Im Geschäft schien Sie zufrieden. Sie war sehr kritisch und probierte sehr viel an. Wenn Sie etwas fand das Ihrer Meinung nach zu Ihr passte, etwas worin Sie sich wohlfühlte freute ich mich mit Ihr. Für einen Moment schien es so als könnte Sie vergessen. Zuhause holte Sie eine Ihrer alten Lieblingsjeans aus dem Schrank und legte Sie neben die Neue und fing an zu weinen. Ich sagte Ihr Süße niemandem fällt das bisschen Wasser auf. Bald hast du wieder Drainage und du kannst die neue Jeans zurückgeben. Laß besser das Preisettiket dran. Hab ein bisschen Geduld. Außerdem bist du doch so unglaublich gesegnet. Du bist so wunderschön und deine Beine, schau Sie doch an, kaum eine Frau hat solche Beine. Die beneiden dich doch alle. Sie hatte wirklich wunderschöne Beine. Das brachte Sie noch mehr zum weinen. Sie war so Stolz auf Ihre makellosen Beine gewesen und machte in der Vergangenheit auch viel Sport dafür. Sie kam sich entstellt vor. Und ich schaffte es einfach nicht Sie vom Gegenteil zu überzeugen. Mit 28 hatte Sie noch eine Figur wie eine 17jährige. Wenn dein Körper innerhalb weniger Wochen eine rasante Veränderung erfährt, wie Katrin es erfahren musste ist das traumatisch. Sie litt so sehr unter den körperlichen Veränderungen. Ich empfand es nicht annähernd so dramatisch. Für mich war und ist Sie die schönste Blume im Garten.

Mir ist heute nicht nach Zweckoptimismus. Ich bin mal wieder so richtig niedergeschlagen. Wenn ich mein Gefühlsleben heute Morgen nach außen kehren würde, wäre meine Haltung geknickt, mein Lächeln verbissen, mein Verhalten verschüchtert, mein Spiegelbild fremd. Ohne dich mein Schatz bin ich mir selbst fremd. Ich jammere und klage mich durch den Tag weil du mir fehlst. Ich liebe Dich, mein Schatz.

Die mp3 Dateien von Katrins i-Pod, die Sie zuletzt gehört hat, habe ich heute auf den Rechner geladen. Darunter auch gesprochene Texte von Daniel Wilk.

Ich machte mir die Mühe eine Passage aus einem der Texte aufzuschreiben.

Eine herbe Männerstimme flüsterte meinem Schatz lieblich, abgehackt und monoton ins Ohr, "Und sie können nun ihren Körper zurücksinken lassen in seine eigene Schwere und Wärme und wenn sie so einige Zeit gegangen sind auf ihrem Weg der Ruhe können sie verweilen an einem Stein vielleicht und sich ausruhen und einmal das Moos betrachten auf diesem Stein. Und auf fast jedem größeren Stein der an seinem Platz liegt findet sich irgendwann einmal Moos, wenn die Bedingungen günstig sind. Grünes Moos, an manchen Stellen dunkelgrün, an manchen Stellen gelblich, wieder an anderer Stelle weiter oben dort wo weniger Wasser ist trocken und eher braun. Und während sie sich ausruhen, tiefe Schwere und wohlige Wärme spürend können sie vielleicht sehen wie der Wind das Moos bewegt."

Ich hoffe doch das derjenige es nicht selber angehört hat, der meinem Schatz das angetan hat. Niemand sollte sich so etwas anhören müssen. Jetzt weiß ich wozu eine Patientenverfügung gut ist. Wenigstens hatte Katrin zum Schluß nochmal was zum schmunzeln. Bei vollem Bewußtsein hätte Sie wild um sich geschlagen, wenn jemand versucht hätte Ihr so einen Mist anzutun. Ich hätte Ihr das gerne erspart.

So was löst nur kopfschütteln bei mir aus. Ich verstehe auch nicht warum Sterbenden nur flüsternd erzählt wird. Ruhe und Frieden bekommt man früh genug. Wer möchte schon sterben und warum dann vorzeitig Ruhe einkehren lassen. Ich will den Wind spüren, in Sinneseindrücken baden und die Stimmen meiner Lieben vernehmen und ein Gefühl von hier ist alles in Ordnung nichts ist Aufgeregt, Anders, Besonders, vor dem Ende aufgezwungen. Ich kann mich nicht geborgen fühlen wenn es flüstert. Außerdem, stellt euch doch mal vor da flüstert dir jemand etwas ins Ohr, du verstehst es nicht und bist nicht in der Lage nachzufragen, weil völlig entkräftet. Wer will den sagen wie die Wahrnehmung eines im sterbenliegenden Patienten ist. Ich möchte nicht so eingelullt werden während ich auf den Tod warte.

An ihrem Bett hat jeder nochmal für sich Abschied genommen. Seinen emotionalen Müll abgeladen anstatt Sie schlafen zu lassen oder Ihr nochmal ein gutes Gefühl zu vermitteln, Ihr Komplimente zu machen oder einen Witz zu reißen, eben alles andere. Jeder mußte seine Wahrheit preisgeben. Ganz speziell zwei Personen. Die beiden redeten auf Sie ein und ignorierten. Sie atmete immer schwerer und anstatt die Schwester zu bitten Ihre Medikation einzustellen plapperten sie munter weiter. Verdammte Idioten. Irgendwann bekamen sie es mit, ließen Sie allein und sagten den Wartenden ihr geht jetzt besser nicht rein sie ist erschöpft und atmet sehr schwer. Kurz darauf war die Schwester bei Ihr und stellte fest das die Medikation wohl nicht stimmt. Die haben ewig auf Sie eingeredet und Ihre Bedürfnisse völlig verkannt. Außerdem warteten draußen jede Menge Freunde und Verwandte die auch Abschied nehmen wollten.

Heute Morgen hatte ich den Termin beim Psychologen. Seit ihr schon mal von einem Psychologen gefragt worden was macht ihnen zu schaffen, was erwarten sie von mir. Auf die erste Frage antworte ich mit, das Katrin nie mehr zu mir zurückkommt und auf die zweite hätte ich gerne nachdem ich über seine Art zu fragen nachgedacht hatte am liebsten gesagt auf Wiedersehen. Ich bin da völlig falsch. Er hat mir einen Folgetermin gegeben aber den werde ich wohl absagen. Herr Eckdaten interessiert sich nur für die eigene Studie. Er hat mir einen Fragebogen mitgegeben, der für Krebspatienten gedacht ist. Er wies mich darauf hin erklärte aber nicht warum ich die Fragen beantworten soll. Vermutlich vertrauen sich ihm zu wenige Patienten für seine Studie an. Danke! Ich werde mir eine Therapeutin suchen mit der ich richtig Trauerarbeit leisten kann. Zum Schluß wiederholte er die Frage "Was erwarten sie?" und provozierte mich mit der Randnotiz sie durchleben eine normale in Anführungszeichen Trauer und schaute dabei auf seine Notizen und fand sich bestätigt in den drei Monaten die seit Katrins Tod vergangen sind.

Ich werde jetzt nach Laubenheim fahren und den Tag dort neu beginnen. Die Strecke die wir so oft gelaufen sind gehen, in Erinnerungen schwelgen. Mein Schatz kommt natürlich mit. Liebling, auf geht´s. Wenn es nach Ihr ginge würden wir erst in vier bis fünf Stunden aufbrechen. Schatz du mußt dich heute etwas beeilen. Auf geht´s.

Ich telefonierte wieder mit der Poly Ihrer Frauenklinik. Es ging um die Gewebeprobe die noch auf Eis liegt. Ich will eine Aussegnung. Auf keinen Fall möchte ich das Ihr Gewebe verklappt wird das ist unwürdig und ist weder in Ihrem Sinne noch in meinem. Wieso bilden die sich ein darüber bestimmen zu dürfen. Erst hieß es wir können das im Vertrauen regeln aber mein Kontakt ist nun im Mutterschaftssurlaub und so ein Zögling frisch von der Uni mußte nun den Professor einschalten und der zitiert die Vorschriften. Es geht nur um ein Stück Ihres linken Eierstocks, der nicht befallen ist. Für Forschungszwecke ist da glaube ich nicht viel zu gewinnen und die Biologin mit der ich im April telefonierte sagte auch nichts dergleichen. Was bitte spricht dagegen das Gewebe unter Stationsaufsicht würdevoll einzuäschern?

Dieses Stück von Ihrem Eierstock war die letzte Hoffnung auf Kinder.

Wenn Ihr Gewebe relevant für deren Forschung wäre würde ich von der Aussegnung mit anschließender Einäscherung absehen aber das sollen die mir bitte erstmal verständlich erklären.

Versuche werden zigmal wiederholt. Es werden lediglich die Studien veröffentlicht die einen Erfolg versprechen, das heißt das keiner weiß welche Fehlversuche wie oft schon wiederholt wurden. Ungeheuerlich! Fehlversuche sind auch Versuche und sollte man öffentlich zugänglich machen damit die Anderen nicht wieder die gleichen Fehler und Irrtümer begehen. Eigentlich doch selbstverständlich. Ein Freund, der in der Forschung tätig ist berichtete mir davon.

Ich wollte Ihr eine Blume pflücken aber Katrin meinte laß sie doch. Ich pflückte sie nicht. Auf unserem Rückweg kamen wir noch einmal an der Blüte vorbei, froh zu sehen das es ihr gut geht . Wir erfreuten uns beide eine Weile an ihrem Anblick und beim Abschied machte ich ein Foto.

Ich bin über die Felder in Laubenheim gelaufen. Beim laufen schossen mir immer wieder Szenen und Bilder von Katrin in den Kopf, die mich den ganzen Weg begleiteten. Auf einem langen Stück flog eine Libelle neben mir. Sie flog ein Stück voraus und drehte ihre Pirouetten als sie sich verabschiedete. Es sah sehr schön aus. Ich mußte sofort wieder an Katrin denken.

An einer anderen Stelle steht eine Wegmarkierung für Reiter. Sofort blitzten wieder Erinnerungen auf. Ich durfte einmal Heiko Ihr Pferd füttern. Das war im August an dem Geburtstag Ihres Vaters. Wir sind zu Ihrer Oma auf das Nachbargrundstück über die Wiese und kamen an seine Koppel. Katrin warnte mich vor Heiko. Sie sagte, pass bloß auf er geht auf alles los was sich bewegt und fügte noch an, armer Heiko. Wir riefen ihn mehrmals, er reagierte nicht. Wir gingen näher ran und riefen abermals, wieder keine Reaktion. Er wirkte müde. Als wir schon aufgeben wollten trabte er plötzlich schnellen Schrittes auf uns zu und schnaubte ganz gewaltig. Katrin riss mich zur Seite und sagte, ich hab dich ja gewarnt. Sie hatte selbst großen Respekt vor ihm. 28 Jahre ist für ein Pferd ein gesegnetes Alter. Katrin und Heiko waren schon von klein auf zusammen, kannten sich ein Leben lang aber Heiko hatte bedingt durch sein hohes Alter Verhaltensstörungen und man musste acht geben ihm nicht nahe zu kommen, auch Katrin. Wir warfen ihm etwas Futter zu und Katrin ging danach noch mit mir auf den Dachboden der Scheune. Für ein romantisches Tätatä war es viel zu dreckig und wir gingen wieder zurück zum Haus der Eltern.

An einer Weggabelung an der ich heute vorbeikam machten wir Rast und hielten uns für drei wundervolle Minuten in den Armen bevor wir uns ein Plätzchen zum ausruhen suchten und den Grillen beim zirpen zuhörten. Allerdings nicht für lange, wir hatten mächtig Hunger und machten uns alsbald auf den Rückweg.

Die Blume ist für Dich mein Schatz. Ich liebe Dich!

Tocotronic ist eine von Katrins Lieblingsbands. Bereits im November hatte ich deren Management angeschrieben und um Backstagepässe für ein Konzert Im März das in Offenbach stattfand gefragt. Es kam keine Antwort obwohl ich sie immer wieder anschrieb. Wer weiß ob die Nachrichten überhaupt ankamen. Ich erzählte einer guten Freundin von meinen vergeblichen Bemühungen. Sie arbeitet auf dem Lerchenberg beim ZDF und hat gute Kontakte zur Redaktion vom Heute Journal. Einer der Jungs dort arbeitet noch nebenher für eine Offenbacher Lokalzeitung und kennt zufällig den Manager von Tocotronic. Er brauchte nur einen kurzen Artikel mit einem Bild von Ihr und wir hätten Karten für das Konzert bekommen und hätten auch mit den Bandmitgliedern anschließend schwofen dürfen. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet und war so glücklich es doch noch geschafft zu haben. Als ich Ihr davon erzählte kam bei Ihr allerdings wenig Begeisterung auf. Sie ließ mich nicht ausreden und sagte mir vergiß es, ich will nicht und jetzt reden wir nicht mehr davon. Sie war so ein Sturkopf. Kein laß mich noch mal darüber nachdenken. Ich wünschte Sie hätte sich dafür entschieden. Ich bin sicher es hätte Ihr Spaß gemacht. Sie wäre abgeschirmt worden. Die hätten Ihr einen ambulanten Wagen gestellt und auch sonst für alles gesorgt. Ich war so froh das ich etwas für Sie erreicht hatte und dann nur ein kurzes nein mit dem Verbot jemals wieder darüber zu sprechen.

Musik war Ihr wahnsinnig wichtig. Wenn Ihr ein Song gefiel konnte Sie ihn direkt nach dem erstenmal hören schon mitsingen. Sie laß regelmäßig Musikzeitschriften wie Musikexpress, Rolling Stone und viele mehr. Ihr Seelenleben spiegelte sich in der Musik die Sie hörte. Sie sortierte immer wieder Ihre mp3 Dateien. Von Ihren Lieblingsbands hatte Sie die CDs und das sind nicht wenige. Sie war immer zu begeistern wenn es um Musik ging.

Ich war mit Ihr auf zwei Konzerten. In großen Menschenmengen tanzte Sie nicht. Es war Ihr peinlich. Sie tanzte lieber mit mir, wenn wir alleine waren. Sie hüpfte um mich herum und lächelte mich an, hielt inne und streichelte mich und ich umarmte Sie. Wir tanzten eng umschlungen weiter und küssten uns. Wenn ich mir Depeche Mode anhören mußte legte ich als kleine Zugabe Waterloo von Abba auf. Auch dazu tanzte Sie. Es gab keine schlechte Musik für Sie. Alles war tanzbar auch Depeche Mode.

Heute ist das Buch Für jetzt und alle Ewigkeit endlich eingetroffen. Die ersten beiden Kapitel habe ich schon gelesen. Mir ist die Geschichte etwas zu schnell vorangetrieben und die Charaktere etwas dünn gezeichnet. Naja, ich kenn mich mit dem Thema wohl auch besser aus. Es liest sich jedenfalls gut und ich werde es auf jedenfall zu Ende lesen.

Katrin und ich dachten darüber nach uns tätowieren zu lassen. Sie sprach mich irgendwann darauf an.

Wir hatten keine Vorstellung. Wir wußten nur das wir nichts von dem was wir kannten wollten. Keine pubertären Bildchen aus dem Musterkatalog. Es sollte dezent, witzig, eingängig, clever, gut gezeichnet, in schillernden Farben sein und mit uns zu tun haben. Katrin wollte Ihr Tattoo an einer Schenkelinnenseite. Mit meinem wußte ich noch nicht wohin. Wir schauten uns Tattoo-Zeitschriften an und fanden einen Artikel über eine US-Amerikanische Künstlerin die einen sehr eigenwilligen Stil pflegt. Es ist eine Mischung aus Comic-Kult, Naturalismus, 50er Jahre und Farben wie ich Sie bei Tattoos noch nie gesehen habe. Wir fanden es beide toll.

Ich bin froh das wir dazu keine Zeit hatten. Sie sah einfach umwerfend aus und ein Tattoo hätte nur gestört.

Geändert von gitti2002 (03.11.2016 um 23:20 Uhr)
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