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Alt 25.06.2009, 19:18
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo!

Erst durch mich hat meine Psychologin von dem Tod der einen Psychoonkologin meines Krankenhauses erfahren. Heute habe ich mich mit Patientinnen meiner Psychologin in ihrer Praxis getroffen, die alle irgendwann in der Malgruppe der toten Psychologin waren, und haben über dieses schreckliche Ereignis gesprochen.
Je mehr ich über sie erfahre, desto mehr bewundere ich sie. Sie hat mit viel positiver Energie anderen Menschen Halt gegeben, auch wenn sie selbst nicht immer ein einfaches Leben hatte. Schlimm finde ich, dass sich die Presse um diese Geschichte so reißt. In Gedenken an sie wollen wir, wenn einige Zeit vergangen ist, Bilder, die in ihrer Malgruppe für Krebskranke entstanden sind und die bei meiner Psychologin in Behandlung sind, ausstellen, was ich für eine schöne Idee halte.

Es stimmt mich sehr traurig, dass so eine starke Frau so jung von hier gehen musste. Von ihr lernen kann ich so viel wie möglich im hier und jetzt zu leben so wie sie es getan hat. Mein Oberarzt hat mir diese Woche erzählt, dass sie bei ihrer letzten Begegnung hinter ihm her lief, um ihn zu fragen wie es mir geht. Immer wenn ich daran denke, muss ich anfangen zu weinen. Den Tod verdränge ich fast immer, auch wenn ich schon dreimal Krebs hatte. Irgendwie kann ich es nicht glauben, dass sie die Tote im Wald war. Morgen ist eine ganz große Trauerfeier in einer Berliner Kirche. Diesen Rahmen halte ich für mich als unangemessen. Ich habe Angst von einer Trauer überwältigt zu werden und keine Lust auf Schaulustige oder die Presse. Im kleineren Rahmen (hoffe ich jedenfalls) gibt es nächste Woche in meinem Krankenhaus eine Trauerfeier in der Kapelle, zu der ich wie auch die anderen Frauen, die ich heute traf, gehen werde.

Mich nervt es etwas, wenn mir jetzt manche von ihrer Angst erzählen, alleine in den Wald zu gehen. Ich bin derzeit nicht mit einer Angst vor einer potentiellen Ermordung im Wald, die ja statistisch gesehen eher unwahrscheinlich ist, sondern mit der Trauer um eine liebe Frau, die andere Menschen so viel gab, beschäftigt, die so unerwartet aus dem Leben schied.

Weil ich so wenig rote Blutkörperchen habe, hat mir mein Oberarzt EPO verschrieben. Ich bin also bald gedoppt.
Liebe Grüße
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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