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Alt 17.05.2006, 19:13
chaosbarthi chaosbarthi ist offline
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Standard AW: Langer Abschied: Darmkrebs Endstadium

Hallo Ihr Zwei,

lasst euch erstmal trösten. Ich weiß, dass eure Situation nur schwer zu verkraften ist. Bin zwar jetzt selbst als Darmkrebs-Patientin hier unterwegs, habe aber auch schon meinen Vater an diese Krankheit verloren.

Wir (meine Mutter und ich) haben ihn zu Weihnachten aus dem KH nach Hause geholt, nachdem die Ärzte nur noch den Kopf schüttelten und nichts mehr möglich war. Zu dem Zeitpunkt konnte er gestützt noch einige wenige Schritte laufen, war aber auch schon gelb und deutlich abgemagert. Er hat den Kampf bis zuletzt nicht aufgegeben und wollte bis zur letzten Sekunde sein Leben nicht lassen.... So lange Nahrung überhaupt noch drinblieb, versuchte er es mit den hochkalorischen Produkten aus der Apotheke. Er ließ sich zur Unterstützung bis fast zuletzt Mistel-Präparate in die dünner werdenden Ärmchen spritzen...

Unaufhaltsam schritt der Verfall fort. Schließlich konnten wir ihn noch in den Stuhl tragen und irgendwann ging auch das nicht mehr. Ab Mai konnte er nurmehr liegen. Er bekam seine Infusionen zu Hause und ein Krankenbett mit Umwälzmatraze, um dem durchliegen vorzubeugen. Gepflegt wurde er von meiner Mutter und mir (ich wohnte nebenan), zum Waschen kam morgens die Mobile Krankenpflege. Seine Haut wurde immer noch gelber und sie schien mir direkt auf den Knochen aufzuliegen. Aber er wollte es nicht hinnehmen... Erst im Juli fiel er ins Koma und wir haben die intravenöse Ernährung eingestellt. Nur Flüssigkeit und Elektrolyte bekam er noch und wir haben ihm regelmäßig Lippen und Zunge im starr aufgerissenen Mund angefeuchtet. Keiner wusste, was er noch wahrnimmt. Sein Blick war gebrochen und die Körperfunktionen quittierten langsam ihren Dienst.

Am 23. Juli sprach ich zu ihm, sagte ihm, dass wir alles regeln werden... dass er ruhig gehen darf... ich würde auf seine Frau - meine Mutter - aufpassen. Es war unglaublich, aber es bildete sich ein Mini-Tränchen in seinem toten Augenwinkel und keine 10 min später war er gestorben... ganz leise, friedlich und ruhig....

Es waren 7 harte Monate und ich denke, Mensch lebt umso länger, je mehr er am Leben festhält. Mein Vater konnte erst gehen, als er selber losgelassen hatte.

Loence, wenn deine Mutter wirklich aufgegeben hat, wird es sicher schneller gehen und ich wünsche es dir und ihr von ganzem Herzen. Als pflegender Angehöriger kann man die Zeit nie wieder vergessen.

Meine Bewunderung gehört den Menschen, die es sich im Rahmen der Hospizarbeit zur Aufgabe machen, Menschen tagtäglich zum Sterben in würdigem Umfeld zu begleiten. Es ist eine tolle Aufgabe und sehr belastend.

Ich wünsche euch beiden all die Kraft, die ihr jetzt braucht. Lasst euch nochmal knuddeln

LG chaosbarthi
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