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Alt 01.07.2005, 16:43
Gast
 
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Standard Pflegende Angehörige

Hallo Ute

Ruf beim Hospizdienst an und laß Dir erklären, was sie machen. Es wird in jedem Fall etwas mit Schwerkranken und Sterbenden zu tun haben.

Der Umgang mit den Sonden ist relativ schnell zu lernen (wichtig ist regelmäßiges Spülen). Normalerweise stellt das Krankenhaus den entsprechenden Kontakt her (frag vorsichtshalber nach) und die machen mit Dir einen Termin aus, kommen auch nochmal wieder wegen der richtigen Einstellungen.

Palliativmedizin ist sozusagen das Gegenteil von kurativer Medizin. Kurativ heißt heilend, man behandelt also mit dem Ziel der Heilung. Palliativmedizin ist wegen Aussichtslosigkeit von Anfang an nicht auf Heilung ausgerichtet, sondern darauf, dem Menschen die noch verbleibende Lebenszeit - wie lang die auch immer ist - vergleichsweise "angenehm" zu machen. Hier steht die Lebensqualität vor der -quantität. Ein Palliativarzt ist normalerweise versiert im Umgang mit Sterbenden, kennt sich gut aus mit Schmerzmitteln und hat auch keine Probleme mit der Verschreibung von Opioiden und Morphinen. Das sind alles so Aspekte, mit denen die meisten Hausärzte oder sonstige Spezialisten überfordert sind. Gerade irgendwelche Spezialisten haben häufig erhebliche Schwierigkeiten damit, dem Patienten zu sagen, ich kann jetzt nichts mehr für Dich tun, da sie einfach primär kurative Medizin machen. Da wird dann behandelt auf Teufel komm raus. Und der Patient klammert sich an jeden Strohhalm.

Ich glaube - im Gegensatz zu Isa - nicht, dass jeder tief in sich weiß, wie es um ihn steht. Meine Tante - vorgestern an Brustkrebs verstorben - hat geglaubt, noch deutlich mehr Zeit zu haben, obwohl man als "Außenstehender" gesehen hat, wie schlecht ihr Zustand war. Mein Schwiegervater war vor 4 Wochen felsenfest überzeugt, dass er nicht mehr aus dem Krankenhaus rauskommen wird, hat sich von verschiedenen Leuten telefonisch verabschiedet. Jetzt ist er seit 2,5 Wochen wieder zu Hause, läuft im Garten rum und regt sich wieder auf, wenn seine Enkel ihren Hasen nicht rechtzeitig misten.

Hat mal ein Arzt Deiner Mutter gesagt, dass sie an dem Krebs in einem übersichtlichen Zeitraum sterben wird? Meinem Schwiegervater wurde, nachdem die Diagnose feststand (Mitte letzten Jahres), ganz klar und deutlich gesagt, dass er nicht mehr geheilt werden kann, dass alle Maßnahmen nur noch auf Linderung ausgerichtet sind. Trotzdem hat er nach Abschluß seiner erfolgreichen Chemo wieder Hoffnung geschöpft, aber seit dem Magenverschluß ist damit Schluß und er hat angefangen, seine Sachen zu regeln - Sparbücher aufgelöst, neues Konto für seine Frau angelegt, damit sie sofort über Geld verfügen kann, seine Hobbysachen an den Enkel verschenkt, bei dem sie seiner Meinung nach richtig aufgehoben sind usw. So absolut grausam Krebs ist - im Gegensatz zu einem "schnellen Tod" bietet er die Gelegenheit, sich zu verabschieden und seine Sachen geordnet zu hinterlassen. Wenn man jemand bis zur letzten Minute in "Hoffnung" hält, dann nimmt man ihm auch das noch weg. Daher ist meine Meinung, dass Du mit Deiner Mutter reden solltest - sie nicht mit dem Holzhammer erschlagen, aber sich dem Thema langsam annähern. Hat Deine Mutter eine Patientenverfügung? Wenn nein, was möchte sie (bei jeder OP, bei jeder Chemo gibt es die Möglichkeit von Problemen). Hat jemand Kontovollmacht - sie wird nötiges Geld nicht mehr selbst abholen können. Das sind Gespräche, die noch auf sicherem Grund sind, aber in die richtige Richtung gehen können. Hat Deine Mutter eine enge Freundin, ein gutes Verhältnis zu einem Pfarrer oder eine sonstige Vertrauensperson? Dann bitte diese, sie zu besuchen und mit ihr zu reden - manchmal fällt es den Kranken leichter, mit Außenstehenden zu reden.

Ich wünsche Dir viel Kraft
Ingrid
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