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Alt 27.12.2017, 05:19
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Lass es doch bitte vorbeigehen. Ich habe keine Kraft mehr.

Liebe Küstenperle,

Zitat:
Dieses auf und ab seit 2 Jahren, zwischen Angst und Hoffnung macht mich kaputt. Ich selbst leide seit gut 10 Jahren an Depressionen, dass macht die Situation mit meinem Papa nicht leichter. Ich kann schlecht mit meinen Gefühlen umgehen. Ich weine ganz viel. In der letzten Zeit wünsche ich mir nur noch das er endlich einschläft. Er quält sich nur noch, dass ist so doch kein Leben mehr. Dann schäme ich mich für so einen Gedanken, er ist doch mein Papa, wie kann ich ihm den Tod wünschen?
Dem, was Dir Christin12 bereits schrieb, kann ich nur zustimmen.

Und Dich vielleicht sogar noch etwas weiter "bestärken":
Es gibt absolut nichts, dessen Du Dich schämen müßtest.
V.a. auch deshalb, weil Du selbst von Depressionen sprichst und vielleicht (deshalb) auch etwas "nah am Wasser gebaut" (zum Weinen geneigt) bist.

Sieh mal:
Wir Menschen sind alle unterschiedlich "gebaut".
Gemeinsam ist uns allen aber, daß wir "Selbstschutz-Funktionen" haben, sowie auch solche, welche die Liebe anbelangen.

Eigentlich ist es nahezu müßig, diese Funktionen erklären können zu wollen, weil sie individuell unterschiedlich, nicht meßbar und somit vollkommen unkontrollierbar sind.
Nicht einmal wir selbst wissen genau, was da jeweils wann in uns "einrastet" und warum.

Thematisiert hast Du:
Laß es doch bitte vorbeigehen. Ich habe keine Kraft mehr.
(Ergänzend aus meiner Sicht:
- das alles ertragen zu können
- weil es mich permanent nur mehr und mehr "runterzieht", wobei ich sowieso schon mehr als genug mit meinen Depressionen zu tun habe
- habe einfach die "Schnauze gestrichen voll" davon)
=> Typische Selbstschutz-Funktion, gegen die sich auch kaum etwas einwenden läßt.

Selbstschutz-Funktionen sind noch einigermaßen rational erklärbar, während Liebe-Funktionen, womit ich unterschiedliche Arten (möglicher) Liebe meine, so gut wie gar nicht erklärbar sind, weil sie individuell höchst unterschiedlich sein können.

"Pflücken" wir mal die Tochter-/Vater-Liebesbeziehung heraus.
Die nach h.M. ungefähr genau so ist, wie die Sohn-/Mutter-Liebesbeziehung.
Beide haben mit Eros überhaupt nichts zu tun:
Es sind zeitlebens bedingungslose Arten der Liebe.
(Wenn Du dazu mehr in Erfahrung bringen können willst, kannst Du das z.B. bei Erich Fromm tun.
Auch durch Suche auf YouTube nach Ausführungen von ihm oder durch seine Bücher.)

Kurzum:
Rein rational ist Dir wohl bewußt, daß Du für Deinen Vater nichts mehr tun kannst.
Außer, daß Du ihm als seine ihn liebende Tochter nahe bist und ihn bei seinem Sterben begleitest.

Und glaub dabei ja nicht, daß Dein Vater nicht relativ genau wüßte, daß sein Sterben absehbar ist.
Er weiß das MINDESTENS genau so gut, wie auch Du!
Es sind seine Kräfte, die dahinschwinden, wie nichts, was unweigerlich seinen Tod nach sich zieht.

Frag Dich bitte mal, welche Konsequenzen es bei dem Kräfte-Schwund Deines Vaters verhältnismäßig zu dem Deinigen hat.
Du wirst wohl todsicher an Deinem Kräfte-Schwund nicht sterben.
Dein Vater aber schon!!

Das weiß Dein Vater und Du solltest das auch wissen!!
Stell bitte deshalb auch all Deine Tendenzen zum Heulen (in Anwesenheit Deines Vaters) ein!
Heul ihn bitte nicht voll, und mach es ihm damit noch schwerer, sich aus seinem (leider begrenzten Leben) "verabschieden" zu können.

Es ist aus meiner Sicht ein reiner Akt der Liebe, einem "Todgeweihten" zu wünschen, daß er möglichst schnell und schmerzlos sterben kann.

Insoweit brauchst Du Dich auch ganz gewiß NICHT darüber zu schämen, daß Du Deinem Vater seinen "schnellen" Tod wünschst.
Denke, er wünscht sich den auch.

Wie jeder von uns Menschen.


Liebe Grüße
lotol
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Krieger haben Narben.
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1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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