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Alt 26.11.2005, 00:20
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Rudolf Rudolf ist offline
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Standard AW: Offener Brief an den Krebs

Liebe Katrin,
wie ein Mensch auf die Diagnose Krebs reagiert, ist wohl extrem unterschiedlich. Frauen reagieren
oft anders als Männer (oft), junge Menschen anders als ältere usw. Auch die Ursachen können sehr
unterschiedlich sein. Onkopsychologen wissen, dass oft auch ein psychischer Zusammenhang besteht.
Für mich kann ich das akzeptieren, würde es aber nie bei anderen Menschen behaupten. Von zwei
Krebspatienten aus der weiteren Verwandschaft würde ich sagen, dass sie ihre "Lebensmitte" verloren
hatten, als der Krebs kam. Sie wurden auf unterschiedliche Weise nicht mehr gebraucht. Auch ich war
ja vor dem Krebs in ein tiefes Loch gefallen.

Du fragst, warum ich keine Chemo gemacht habe. Meine Diagnose vor 5 Jahren: Nierenkrebs mit
12 Lungenmetastasen. Auskunft meines Arztes: Heilungschancen ohne Metastasen 75%, mit
Metastasen 20%. Später hieß es: Erfolgsquote der Immunchemo 20 - 40%. Das war mir zu wenig!
Aber ich habe auch auf meine innere Stimme gehört, die mir sagte: du schaffst das ohne Chemo.
Erst nach Monaten begann ich eine Misteltherapie. Erfolgreich. Aber das ist ein anderes Thema.

Übrigens habe ich das Büchlein "Mein Freund der Krebs" von Kurt Becker schon erhalten und gelesen.
Der Autor beschreibt gar nicht seine Krankheit, nicht welchen Krebs er hatte und nichts über eine
Therapie, erwähnt nur die schwierige Operation, die am Anfang stand. Er beschränkt sich auf die
langsame Rekonvaleszenz, und wie sich allmählich seine Wertvorstellungen und sein Leben ändern.
Am Schluss erst schreibt er: wer mich so zu leben lehrt, kann nur ein Freund sein, auch wenn es eine
ungewöhnliche Freundschaft ist viele das nicht verstehen werden. Und: "Die Neigung wächst, alles,
was mir geschieht, als Baustein meines Lebens zu begreifen."

Du hast recht, grübeln hilft nichts, nach vorn schauen ist wichtig, die Zukunft liegt vor uns.
Das Glas des Lebens mag halb leer sein, was zählt ist, dass es noch halb voll ist.
Liebe Grüße
Rudolf
__________________
Ich habe Krebs - aber ich bin gesund!
(Nieren-Op. Nov. 2000, Mistel seit Sept. 2001, anfangs >15 Lungenmetastasen, seit 2003 noch eine, seit 2006 ruhend, 2018 operativ entfernt)

Ich kämpfe nicht gegen den Krebs, sondern für das Leben.
Nein, ich kämpfe nicht, ich lebe!
Mein Krebs ist nicht mein Feind, er ist Teil meines Körpers. Ich will ihn verstehen.
Angst ist Gift für den Körper . . . . . und noch mehr für die Seele.
Entscheiden Sie sich für das Leben, sagte eine Psychologin . . .

Geändert von Rudolf (29.10.2023 um 22:30 Uhr)
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