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Alt 15.04.2003, 00:29
Gast
 
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Standard schlimme gedanken

Hallöle, ich bin noch mal schnell da.

Conny, Du hast mal oben in Deinem Eintrag gefragt, ob man jemandem im Angesicht einer Krebskrankheit alles verzeihen muss, gell?

Ich sage da nein, ... obwohl ich selber Krebspatientin bin ... und ich es schön fände, wenn man mir ALLES verzeihen würde, was ich jemals schlimmes getan habe ... nur weiss ich im Moment leider nicht WAS man mir da verzeihen soll ...? ;-)
Nein, im Ernst, es hat ja alles immer mehrere Seiten, da gibt's gute Menschen und da gibt's schlechtere Menschen, nicht wahr? (Wie auch immer man das formulieren kann.)
So eine Krebskrankheit macht natürlich allen Druck, also nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch den Angehörigen. Je nach Schwere der Krankheit kann der Druck halt um so stärker sein, dass man da noch alles regeln oder klären will. Der Druck kann dann aber so heftig sein, ... dass nicht mal mehr die Zeit dafür reicht, sich überhaupt erst richtig im klaren darüber zu werden, DASS man da noch was "regeln" will. Oder muss.
Der Mensch kann aber gar nicht so schnell "schalten" und Dinge klären, die vielleicht jahrelang "vergraben" oder unausgesprochen geblieben sind. Naja, das ist mal das Eine.

Das andere ist jenes (wo ich es natürlich aus der Sicht einer Krebsbetroffenen sehe), wo ich z.B. sagen kann:
Okay, ich kann Fehler haben und Fehler gemacht haben, die man mir vielleicht NICHT verzeihen kann, ich kann vielleicht störrisch und ein richtiges Ekel zu meinen Mitmenschen sein, aber ... ich bin trotz allem ein Mensch, nicht wahr? Und ich liege hier und werde vom Krebs zerfressen, der mein Leben bedroht. Ich habe vielleicht nicht mehr lange Zeit. Und ich habe vielleicht auch nicht mehr lange Zeit, um MICH noch gross zu ändern! Zudem bedroht mich der Krebs so, dass ich jetzt nicht einen einzigen Gedanken daran veschwenden will, wie "schlimm" ich sein soll oder nicht, diese Gedanken sind im Moment nebensächlich! Nebensächlich auch, was meine Angehörigen da alle noch "klären" wollen! Dazu hab ich keine Kraft! - Warum versteht das keiner? Warum hauen die alle ab und lassen mich hier liegen?

Ist jetzt nur ein Gedanken-Beispiel, das ich hier bringe, aber es kann ein reales Beispiel sein, wie ein Mensch mit Krebs denken kann.
Eigentlich will ein Krebsbetroffener ja nur Angenehmes um sich haben. Das DA-Sein seiner Leute. Wenn also jemand schon früher nie über seine Gefühle gesprochen hat, dann wird er es auch in dieser Situation nicht so schnell können, und alles andere, welches da plötzlich "Klären" heisst oder "alte Probleme besprechen", ... kann noch mehr belasten. Das will so jemand vielleicht gar nicht. Braucht er das dann trotzdem?
Sind es dann nicht die Angehörigen SELBST, die "klären" und "besprechen" wollen? Weil IHNEN was am Herzen liegt?
Schon, gell? Man wünscht sich halt auch, dass alles am Ende noch gut kommt, für alle Seiten. Ist ja auch ein schöner Wunsch, aber leider klappt das nicht immer so.

Also was ich eigentlich sagen wollte: Das Verzeihen ist gut, wenn man es kann. Wenn man es nicht kann, oder der andere einen nicht lässt, dann geht's eben nicht auf diese Art.
Die Krebskrankheit drängt zwar dazu, aber wie auch immer es kommt, der Betroffene liegt am Ende ... als Mensch da.
Und wenn man sich jetzt auch noch dazu entscheidet, aus Enttäuschung, Verletzung oder Schmerz, NICHT für diesen kranken Menschen da sein zu wollen, (was im eigenen Möglichen liegt natürlich immer), ... so tut man das aber auch immer ein bisschen sich SELBER so an.
Irgendwie.

Ein Dank wird vielleicht nicht kommen. Möglich. Aber man bekommt oft im Leben keinen Dank für irgend etwas. Am Ende ist es wichtig, ob es für einen selbst so stimmt, was man tut oder getan hat.
Finde ich jedenfalls.

Gut's Nächtle, liebe Conny, und sorry, für meine so späte Nacht-Philosophie hier, gell?
Liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte
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