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Alt 22.10.2007, 13:29
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SonneSollScheinen SonneSollScheinen ist offline
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Standard AW: Ewing Sarkom Überlebender

Hallo Alex,

auch ich bin eine der "Langzeitüberlebenden", wie man so *schön* sagt. Ich hatte ein Osteosarkom vor mittlerweile 11 Jahren am linken Becken. Habe damals, ich war 13 Jahre alt, Chemotherapie bekommen, dann eine Riesen-OP bei einem Spezialisten in Münster (bin eigentlich aus Freiburg), der hat es geschafft, ohne Beinamputation zu operieren. Geblieben ist eine starke Gehbehinderung, ein 12cm kürzeres Bein, eine hochgradige Skoliose...und mit was man sich dann halt so rumärgert... Nach Abschluss der ersten Chemotherapie kam sehr schnell ein Rezidiv - Lungenmetastase... 4 Monate nur nach der letzten Chemo. Also wieder Chemo, mehrere Lungen-OPs...Stammzellen sammeln.. doch keine Hochdosis.. Und dann: nie wieder eine Metastase/Rezidiv! :-) Damit hatten die Ärzte nicht gerechnet - wir allerdings hatten fest darauf gebaut! Also habe ich versucht zu leben, wie jeder andere Jugendliche lebt...anfangs war das sehr schwer..war zum Teil im Rollstuhl, war unglaublich schwach.. irgendwann konnte ich an Krücken gehen, dann nur noch an einer Krücke, heute ist es "nur" noch ein Gehstock, jedenfalls für kurze Strecken. Aber irgendwie hatte mein Leben mich sehr schnell wieder. Anstatt Volleyball, Turnen und Jazztanz machte ich dann eben Musik und Töpfern (obwohl letzters sehhhr erfolglos... ;-)), wurde in der KJG aktiv usw. usf. Klar war ich nie so ganz "normal", und natürlich habe ich mir das sehr oft gewünscht...aber je älter ich wurde, umso unwichtiger wurde mir das. Entweder die Leute mögen mich unabhängig von der Behinderung, oder eben nicht. Und wenn jemand blöd glotzt, glotze ich zurück (das mache ich übrigens immer noch so ;-)) Bindungsängste, wie Du schreibst, habe ich so nie gehabt. Bin eher der Klammeraffe-Typ . Da ich kaum eingeschränkt bin, konnte ich mein Studium normal durchziehen... und um ehrlich zu sein, war der Krebs schon lange lange lange aus meinem Kopf (du fragst dich jetzt vielleicht, wieso ich in der Vergangenheit schreibe...komme ich noch drauf). Mit was ich mich ab und an rumgeschlagen habe, dass waren die körperlichen Beschwerden. Muss konstant "Sport" bzw. medizinischen Sport machen, wegen der Schmerzen..."irgendwann" werde ich wohl die Hüfte versteifen lassen müssen, wenn meine Wirbelsäule nicht mehr mitmacht...zudem kann ich wegen dem fehlenden Becken keine Kinder bekommen usw. DAS war es, was mich beschäftigt hat. Vielleicht ist es auch das, weshalb Du Dich immer noch mit Krebs beschäftigst, auch wenn Du geheilt bist. Manchmal habe ich mir gedacht, wenn es Leukämie gewesen wäre, dann wäre alles irgendwie anders. So trägt man die Nachwirkungen und "Wunden" der Krankheit sein Leben lang mit sich herum. Sie sind da - immer - und sichtbar, und zwar nicht nur für einen selbst.

Weswegen ich in der Vergangenheit schreibe, hat einen sehr traurigen Grund. Ich habe wieder Krebs. Nicht Knochenkrebs, sondern Brustkrebs... mit 24 Jahren. Alles ging wieder von vorne los...Chemo...OP.....Bestrahlung...stecke gerade mitten in der Chemo. Meine zwei Chemos vor 11 Jahren hatte ich ähnlich in Erinnerung wie Du. Der Geruch, der Geschmack...die Übelkeit. Jetzt ist das alles wieder da. Was sich allerdings geändert hat: man kann sie ambulant machen, jedenfalls bei Brustkrebs. Wie auch schon bei der Knochenerkrankung habe ich wieder "in die Vollen" gelangt, was Agressivität und Art der Erkrankung angeht. Bleibt die Hoffnung, dieser Krankheit noch ein zweites Mal ein Schnippchen zu schlagen.

Aber zurück zu Dir, Alex... einige Deiner Gedanken gingen mir in meiner gesunden Zeit auch immer wieder durch den Kopf. Ich kenne keine anderen Knochenkrebs-Überlebenden in meinem Alter - die einzigen zwei aus dem Krankenhaus haben es damals nicht geschafft. Und mit seiner Krankheit und der daraus entstandenen Behinderung kommt man sich manchmal schon vor wie ein Marsmännchen unter den ganzen Gesunden (jedenfalls meint man immer, sie wären alle gesund). Wenn Du Lust auf ein bisschen Austausch hast, dann schreib mir einfach eine PN.

Liebe Grüsse,

Sonja