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Alt 11.04.2008, 12:40
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
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Standard AW: Überlebensdauer kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC) extentive desease

Liebe SusanneSch,

ich hatte mir eigentlich für heute "Forum-Abstinenz" verordnet, damit mein Chef auch mal wieder Leistung in meiner Arbeit feststellen kann, aber als ich per eMail Deinen Beitrag erhielt konnte ich dann doch nicht anders als zumindest diese eine Antwort zu verfassen.

Was Du schreibst ist ein hartes Los, unglaublich viel Krebs-Schicksale für eine Familie. Kaum zu glauben, dass angeblich nur so wenige Krebsarten erblich bedingt sein sollen? Ich denke es ist eben doch so, dass die Veranlagung den Ausschlag gibt.

Aber wieder einmal sehe ich, es ist vermessen zu denken das eigene Schicksal wäre das Schlimmste auf Gottes weiter Flur, denn was Du schreibst... ich könnte mir nicht vorstellen damit umgehen zu müssen, vor allem nicht wenn sich der Kreis bis zum eigenen Kind schließt.

Was Deine Anregung angeht mit meiner Mutter offen zu sprechen - das tun wir absolut. Ich habe ihr auch schon gesagt, dass ich mich einfach noch nicht fertig fühle, dass sie da schon hier und da noch ein Schräubchen nachziehen muss und weiter auf mich aufpassen muss ;-)))

Wir haben am Anfang auch den Schritt zum Psycho Onkologen gemacht - allerdings haben wir festgestellt, dass wir derart offen miteinander umgehen, dass uns von außen scheinbar nicht wirklich geholfen werden kann. Der Fehler den wir wohl allerdings beide machen ist uns gegenseitig schonen zu wollen. Meine Mutter denkt ich verbringe zu viel Zeit mit ihr - sorgt sich deshalb um mein Leben und meine Beziehung. Aber die gute Frau hat mir dann bestätigt: Wenn Ihre Tochter das so empfindet, dann braucht sie es auf diese Weise - und wenn es Ihnen gut tut - dann genießen Sie es doch

Wir scheinen nicht so ganz falsch damit umzugehen. Meine Mum hat noch ein zwei Dinge, die sie sicher beschäftigen - und die ich auch im Groben weiß. Aber die möchte sie jetzt auch nicht mehr auspacken, sich dem Gefühlschaos nicht stellen. Und das finde ich vollkommen in Ordnung.

Bist Du vielleicht auch aufgrund Deiner Familie in der Psychologie aktiv?

Aber siehst Du - ich glaube, ich habe dann heute zum ersten Mal eine Psychologin getroffen, von der ich nicht sofort als erstes denke, dass sie meine Situation ohnehin nicht nachvollziehen kann... "...walk à mile in my shoes...."

Es ist wirklich furchtbar und ich finde am allerschlimmsten, dass man genau weiß dass es kürzer als normal sein wird. Die gemeinsame Zeit die verbleibt. Es wirkt auf einmal alles begrenzt und jede Minute, in der man abgelehnt hat, keine Zeit hatte, oder haben wollte - kann im Nachhinein verschwendet wirken...

Aber auf der anderen Seite ist es auch die seltsame Chance, Dinge gerade zu rücken, sich gegenseitig zu zeigen, dass Blut eben doch dicker ist als Wasser, dass man sich so gut kennt, dass eine Augenbewegung manchesmal wirklich ausreicht um ein Bedürfnis zu formulieren. Ich bin froh um diese Zeit. Wir haben die Chance genutzt, soviel miteinander zu reden, dass es zu keiner Zeit die Situation hätte geben können zu denken: Das hätte ich ihr noch so gerne gesagt.

Was ich damit sagen will. Es ist eine Zeit der Verlustangst, der Panik, ein bißchen was von Egoismus - man wird ja doch im Stich gelassen. Aber auch eine Chance, die viele nicht haben, die überraschend ein Familienmitglied gehen lassen müssen. Und das weiß ich an dieser furchtbaren Situation sehr zu schätzen.

Wir hatten vor der Diagnose (im Mai 2007) einen furchtbaren Streit. Das hätte ich mir niemals verzeihen können.

Im übrigen: Anna-Karin hat auch hier im Forum geschrieben. Wenn Du möchtest, lies Dir ihre Beiträge durch. Sie hatte schon im Feb 2007 die Diagnose kleinzelliger Lungenkrebs (ich weiß gar nicht mehr - ist er bei Deiner Mutter kleinzellig?) mit Lebermetastasen - und schreibt herzerfrischend sarkastisch dass Sie allen Unkenrufen zum Trotz immer noch durch die Gegend tiegert....

Ich wünsche uns im Moment keine Kraft, denn ich glaube, die haben alle, die soweit gehen, sich der Situation zu stellen. Ich wünsche uns vielmehr einen Frieden mit der Situation. Das man sie annimmt - und, so abgeschmackt das auch klingen mag, das Beste daraus macht. ... und niemals versäumt, beim Tschüss sagen nochmal einen Knutscher zu platzieren .... - und sich vor allem auch mal erlaubt, einfach kraftlos zu sein. Ich glaube, dass dürfen wir uns nämlich genauso wie den Betroffenen manchmal auch zugestehen...

Ich wünsche Dir dennoch ein mgl. angenehmes Wochenende und hoffe, Du hast ein familiäres Umfeld in dem Du Dir alles von der Seele reden kannst.

Würde eigentlich eine Psychologin jemals psychologische Unterstützung suchen ? hmmm sorry, die Frage drängte sich mir gerade auf
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens

Geändert von Bianca-Alexandra (11.04.2008 um 14:31 Uhr)
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