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Alt 31.03.2012, 23:18
Jasofe Jasofe ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs ist sicher, welcher genau nicht

Er ist seine Reise angetreten. Ganz leise, ganz friedlich ohne Angst und ohne Schmerz.

Ich bin unsagbar traurig, glaube aber, das wir als Familie alles getan haben, was meinem Vater diesen Weg erleichtert hat.

Gestern ein langes Gespräch mit den Ärzten mit viel Verständnis und viel Einfühlungsvermögen. Es soll also keine OP stattfinden. Das Blut lässt es einfach nicht zu. Dafür soll er die Zeit, die ihm verbleibt, genießen.

Was auch heißt, die Rippenbrüche werden jetzt endlich mit Schmerzmitteln zugeballert.

Es fing ang mit Morphin und wir hatten gestern fast noch einen schönen Tag mit meinem Papa. Er war sogar etws zu Scherzen aufgelegt. Er durfte bestimmen, wie stark die Schmerzmittel sein sollten, so bekam er alle 2 Std etwas mehr. Ich verabschiedete mich gestern ins Ungewisse. Was würde heute Nacht geschehen? Wieviel Morphium verträgt der Kreislauf? Wie entwickelt sich sein Blut und somit das Immunsystem?

Sehr mulmig war mir als ich nach Hause fuhr. Das Telefon lag neben meinem Bett und blieb ruhig. Heute morgen um 8.00 rief die Klinik an. Meinem Papa geht es irgendwie schlechter. Er war ansprechbar, aber sein Zustand signalisierte, hier stimmt was nicht. Also Mama, Schwester und ich mit dem Taxi hin. Welch weise Entscheidung!

Papa schlief. Er hatte entspannte Gesichtszüge. Nichts deutete auf Schmerz oder Angst hin. Er röchelte etwas, aber das hat er schon die Tage vorher getan. Meiner Mutter machte diese Situation Angst. Ich ging zwischendurch immer mal wieder mit ihr raus und erklärte ihr, das Papa nichts von alldem merken würde. Ich erklärte ihr, wie die Medis wirken , aber ich konnte sie nicht beruhigen. Meine Schwester manikürte und massierte die Hände unseres Vaters, cremte die Arme und Beine und so verbrachten wir unseren Vormittag. Die Schwestern schauten zwar dann und wann mal vorbei, ließen uns aber weitgehend in Ruhe. Zum Nachmittag haben meine Schwester und ich abwechselnd aus "Harry Potter" vor und meine Mama hielt Papas Hand.

Es hatte was von einem schönen gemütlichen Winternachmittag bei heißem Tee - so absurd es auch klingen mag. Die Schwestern fanden diese Stimmung so beeindruckend, das jede innerhalb kurzer Zeit immer mal reinschielte.
So verging die Zeit und als wieder etwas Stille eintrat, merkte man, dass die Atmung von Papa flacher wurde und er immer größere Abstände hatte. Meiner Mutter machte dies Sorgen und ich holte eine Schwester. Wir berieten uns, ob es Papa "so" gutginge oder ob er mehr Morphium brauchte. Er brauchte es nicht, er war enspannt.

So entspannt, dass die Schwester die Tür von aussen schloss und Papa seinen letzten Atemzug tat. Ganz leise, ganz still, ganz entspannt. Er hat sich auf den Weg in ein anderes dasein gemacht und musste weder leiden noch Schmerzen ertragen. Ich bin froh und fast glücklich darüber. Meine schlimmsten Ängste haben sich nicht bestätigt. Bevor wir die Schwester erneut riefen, habe ich uns ein wenig Zeit gelassen. Meine Mama war am verzweifen. Sie tat mir so unendlich leid. Ich rief dann die Schwestern und diese erklärten mir den Ablauf mit dem Doc usw. Wir waren in einem riesen Krankenhaus. Aber so viel Emotionen, Persönlichkeit und Würde von allen Beteiligten hätte ich nie und nimmer erwartet. Meine Mutter und ich verließen zwischendurch mal das Zimmer um Luft zu schnappen. In der Zeit räumten die Schwestern das ganze Zimmer auf, legten meinen Papa ganz entspannt hin, zündeten Kerzen an und packten alle Medis zur Seite. Als wir wieder reinkamen um endgültig Abschied zu nehmen , hatte das ganze was sehr heimeliges.

Meine Mama habe ich irgendwann aus dem Zimmer gebracht und bin noch einmal alleine rein. Ich brauchte diese Minuten um meinem Papa noch mal zu sagen, wie lieb ich ihn habe, ich ihm alles Gute auf seinem Weg wünsche und ich einfach hoffe, dass er die Person wiedertrifft, wo ich glaube, was ihm sehr wichtig wäre (Sein eigener Vater ist gestorben, da war er ein dreiviertel Jahr alt). Ich habe das Fenster aufgemacht, weil ich diese Geste hier im Forum gelesen hatte und sie mich zutiefst berührte und hoffe jetzt einfach, dass es ihm jetzt gut geht.

Auf dem Weg nach Hause habe ich immer und immer wieder auf einen Stern gesehen. Und irgendwie musste ich lächeln.

Papa, du wirst immer in meinem Herzen bleiben
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Nachdem er viel von der Welt gesehen hat, erkundet er nun sein letztes Reiseziel - die Ewigkeit.
(mein Papa : gestorben am 31.3.2012 und ich hielt seine Hand)
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