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Alt 24.08.2005, 13:44
Erzengel Erzengel ist offline
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Standard Annhemen, glauben, Kämpfen! Mein Weg...

Hallo,

bin neu hier. Ich habe über meine Mutter von diesem Forum erfahren und dachte, das ich dem ein oder anderen ein wenig Hoffnung, Mut und Kraft geben kann.
Hier meine Geschichte (in Kurzform) :


Der Anfang:

Ich war 15 Jahre alt, als ich auf einem Geburtstag einer guten Bekannten war. Ein Freund von mir hatte an diesem Abend Bauchschmerzen und eine Freundin komischer weise auch. Als ich dann auch welche bekam, dachte ich erst an nichts schlimmes. Ich fuhr also los und die Schmerzen wurden immer schlimmer. So schlimm, das ich gekrümmt auf meinem Fahrrad "hing" und mich mit starkem Willen nach haus buchsierte. Dort angekommen erzählte ich meiner Mutter von den schmerzen und Sie gab mir Magentees und Wickel. Am nächsten Morgen (Sonntags) war es aber kein Stück besser, im Gegenteil...ich hatte das Gefühl als hätte ich Mühlsteine im Bauch, die meine Därme zerreiben würden. Wir riefen unseren Hausarzt an und er diagnostizierte erst mal groben Verdacht auf Magen oder Darm Entzün-dung. Jedenfalls Akute Gefahr und deshalb musste ich sofort ins Krankenhaus.

Mein Vater lies mich an der Krankenhaustür raus, damit ich nicht so weit laufen muss-te...anstatt auf ihn zu warten bin ich gekrümmt wie ein Flitzebogen vorgelaufen und hab schon mal angefangen mich "Einzuchecken".

Die Untersuchungen (Ultraschall, Röntgen und CT) dauerten bis in die Nacht und dort wurde dann auch eine Not OP beschlossen. Ich saß zu diesem Zeitpunkt derart unter Metastasen, das die Ärzte auf den gemachten Bildern nichts außer dem Tumor sehen konnten!
So wurde dann 6h an mir rumgedoktert und befallene Teile von Magen, Endarm, Darm usw. entfernt. Noch während die Ärzte mich zunähten, soll ich laut Ärzten versucht haben aufzu-stehen und wieder nach hause zu gehen. Ich soll so was wie "OK, ich in dann ja fertig..." aufstehen wollen. Das hat sich wohl auch in der Zeit auf der Intensiv Station, an die ich mich nur sehr wage erinnern kann, wiederholt haben. Dort wurde ich dann als Bett gefesselt, nachdem ich mir wohl die Schläuche entfernt(!) hatte und auf den Weg nach haus machen wollte. Ich kann mich nur daran erinnern kurz bei Bewusstsein gewesen zu sein als ich gefesselt war.

Mir wurde in der späteren Zeit auch nicht gesagt, welche Krankheit ich hatte. Ich wunderte mich nur sehr stark über die Reaktionen meiner Freunde und Bekannten mir gegenüber. Eine Freundin rief mich an und bat unter Tränen um Verzeihung, da sie "Langweil dich nicht zu Tode" gesagt hatte. Meine Eltern, mein Bruder und meine Oma hielt ich mit lustigen Scherzen bei der Stange. An einem Tag z.B. habe ich mein Zimmer und Bett so hergerichtet, als wäre ich nicht da...als ich dann hinter dem Vorhang hervor kam, wunderte ich mich über die überschwängliche Freude und tränen. Ich wusste immer noch nicht was los war und dachte an eine Magen Entzündung. Zu dieser Zeit hatten die Ärzte meinen Eltern bereits mitgeteilt, das ich nur noch 2 Wochen zu leben haben sollte. Diese Diagnose wurde aufgrund dessen gestellt, das ich kurz nach der OP wieder voller Metastasen saß.

Laut den Ärzten sollte, aufgrund der OP an Magen und Darm, meine letzten Tage liegend und das "große Geschäft" unter schmerzen statt finden. Hey, da wusste ich nichts von...ich sollte mich abermals wundern:

Meine Eltern waren schon eine Zeit zu besuch, als ich einen starken Drang verspürte, das WC zu besuchen. Ich stand also auf und ging zur Toilette, um meinen Darm zu leeren . Gesagt getan. Keine schmerzen, alles im grünen Bereich. Als ich wieder reinkam, saß meine Familie in tränen aufgelöst vor mir und ich verstand nicht warum...

Während die meisten Ärzte mich schon aufgegeben hatten, kämpfte einer weiter und fand die Onkologie in Berlin und in Oldenburg als passend für mein Problem. Da die in Oldenburg näher an meinem Heimatort und auf bestimmte Krebsarten spezialisiert war, entschied man sich dafür.

Ich wurde informiert das ich nach Oldenburg müsse, um eine kurze Untersuchung vorneh-men zu lassen. Das passte mir überhaupt nicht, ich wollte viel lieber nach hause, da ich mich eigentlich wieder gesund fühlte.

· Ich erinnere mich wie grausam ich es fand, nach so langem Krankenhaus Aufenthalt mein zuhause nur vom Parkplatz aus zu sehen...meine Eltern packten meine Koffer während ich im Auto wartete und mir ging es, gelinde gesagt zum Kotzen. Das war das erste mal wo ich kurz das Gefühl hatte, in ein tiefes Loch zu fallen. Ich fühlte mich schwach und fürchterlich einsam. Alle sind gegen dich, keiner sagt dir was los ist...ich will nach hause...alle Sh1c3 und alles Sh1c3“ lief es durch meinen Kopf. Sehnsüchtig schaute ich durch das Fenster unseres bronzefarbenen VW Golf CL Diesel Richtung Haustür...

Die Ankunft

In Oldenburg angekommen gingen wir in die Klinik. Alles war irgendwie komisch und ich war total verdreht. Es war wie in einem Alptraum gefangen zu sein, den man bewusst miterlebt, ihn aber nicht steuern und daraus aufwachen kann.

Über den kalten Parkplatz ging es zum Krankenhaus. Als wir durch die Drehtür gingen, schlug mir warme nach Rauch und Krankheit (dieser Typische Krankenhaus mief) entgegen. Alles war neu, fremd und beängstigend. Es brodelte ihn mir. Ich wollte nur noch nach hause und hatte die Schnauze gestrichen voll. "Scheiß doch auf die verf***ten Krankenhäuser" rauschte es in meinen Gedanken. "Was soll der Schrott, mir geht’s doch gut verdammt!"

Wir irrten umher, wurden nach oben in die Onkologie geschickt und von dort aus in die ambulante Aufnahme.

· Auf dem Weg dorthin schlug mir das erste mal ein komischer Geruch aus Desinfekti-on, Putzmittel und Krebsgeruch in die Nase. Das machte meine Knie etwas weich und meine Gedanken waberten in einer irrsinnigen Geschwindigkeit in meinem Gehirn umher. Als mir dann auch noch Menschen mit Schläuchen in Hals, Brust und Bauch begegneten, verzerrte sich meine Wahrnehmung immer mehr. „Was soll ich hier, die sind doch alle Sterbens krank...mir geht’s doch gut verdammt...ich will nach hause...“

Die Fahrstuhlfahrt in die Onkologie kam mir vor wie eine Ewigkeit. Immer wenn er anhielt erstreckte sich ein anders aber trist gefärbter Flur vor mir. „Ein Alptraum...nur ein Alptraum...mir geht’s doch gut verdammt...“ Ich meine das auch irgendwelche Menschen mit operierter Nase im Fahrstuhl waren...
Da wir nicht genau wussten wohin, fragten meine Eltern bei einer Stationsschwester. Das Szenario war wiederum befremdend und beängstigend. Auf dem Flur standen kleine Roll-schränke mit irgendwelchen Medizinischen Gerätschaften, Rollstühle, „Galgenbäume“, ein Putzwagen usw. hinten war das Schwester Zimmer. Das einzig helle hier bisher, das Leben ausstrahlt. Freundlich wurden wir in Richtung Ambulanz verwiesen und ich grinste.

Meine Eltern waren die ganze Zeit über sehr damit beschäftig, gefasst zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen. Ich spürte diese unterschwellige Angst allerdings mehr als deutlich...Sie drohte mich zu erdrücken...jede Geste, jedes Wort einfach alles. "Zu gefasst, niemand ist ehrlich zu dir...ich will nach haus...mir geht’s doch gut verdammt...Lügen...alles Lü-gen...“

Das Wartezimmer auf dem Flur...

Wir kommen in die kleine Ambulanz Aufnahme der Onkologie. Dort sitzen viele Menschen, nervös, ängstlich wartend und es liegend diverse Zeitschriften umher: Alternative Heilungs-verfahren, erfolge mit Alternativ Therapien bei Tumoren... . „Hmm, was es nicht alles gibt...“

Ängstliche mit mitleid gefüllte Augen schauen mich verunsichert an....

· “Überall Trauermienen...ihr seid alle so schwach...ich weiß es...ich fühle es...was soll ich den hier? Ich bin stark...mir geht’s doch gut...ich will nach haus verdammt...Es nervt doch nur, worauf warten wir...das dauert ja ewig...so ein Müll verdammt...“

*Ich reagiere seid ich ein kleines Kind bin auf Angst mit aggressivem Vorpreschen. Angst heißt Kämpfen, Kämpfen heißt sich der Angst stellen. Angst besiegen heißt Leben!

Jetzt kommt eine (durchaus gut aussehende) Krankenschwester, lächelt mich an und fragt meinen Eltern zugewandt „Sind sie Familie XXXX“ , „Ja“, antwortet meine Mutter. „Es tut uns leid, wir haben derzeit noch kein Zimmer frei, Sie müssen wohl noch etwas Warten...“

· „Moment mal...KEIN ZIMMER...wieso zu Hölle ZIMMER? Ich soll nur kurz untersucht werden, wurde mir gesagt. Für KURZ braucht ich kein verf***tes Zimmer. Wenn ihr nicht wisst was ich habe, dann lasst mich in Ruhe mit eurer Sh1c3! Ich hab kein Bock auf so ne Sh1c3...bin ich den der einzige den das stört? Sagt doch jemand mal was zu mir, sonst tick ich aus...“

In diesem Moment machte es klick in meinem Kopf und all die aufgestaute Wut und Angst verschafften sich Platz. „VERDAMMTE SH1C3, WIESO ZIMMER? IHR KÖNNT MICH MAL AM 4RSCH L3CKEN, ICH WILL NACH HAUSE! EURE TIERVERSUCHE LASS ICH NICHT MIT MIR MACHEN IHR SPACKEN!MIR GEHT ES GUT, ICH WILL HIER WEG AUS EURER VERSUCHSANSTALLT VERDAMMTNOCHMAL.“ Die Schwester war sehr bemüht mich zu beruhigen, doch schaffte Sie es nicht. Ich schaute meine Eltern an...diese hatten scheinbar nicht mal mehr die Kraft sich meiner Schimpfattacke entgegen zu stellen. Im Gegenteil, Sie sahen aus, als müssten Sie sich stark zusammen reißen um nicht...

· „Was schaut ihr nur so...es geht mir gut...die haben hier keine Ahnung...da stimmt doch was nicht...bin ich hier das Versuch Kaninchen oder wie...nach hause...wie lange soll ich hier bleiben 1 Tag oder 2???... Sh1c3..ich will .nach hause...“

...to be continued

Sorry, habe im Moment keine Zeit mehr, werde es bei Gelegenheit fertig schreiben (Morgen)

Soviel soll verraten sein : Damals war ich 15 und die 2 Wochen, die ich noch zu leben haben sollte, sind seit 16 Jahren Vorbei und ich bin Kern gesund
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Niemals aufgeben, kämpfen bis zum Schluß
Positiv durchs Leben, Glauben gibt dir Kraft!
Und welcher Ort euch nicht aufnehmen und wo man euch nicht anhören wird, von dort geht hinaus und schüttelt den Staub ab, der unter euren Füßen ist, ihnen zum Zeugnis.
(Markus 6, 7-13)

Geändert von Erzengel (24.08.2005 um 14:20 Uhr)
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