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Alt 17.04.2003, 12:24
Gast
 
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Standard schlimme gedanken

Hallo Conny,


der Gedanke dass ich meine Wut garnicht loslassen will ist mir auch schon gekomen. In unserer Familie haben die negativen bzw. destruktiven Gefühle immer mehr Platz gehabt. Es ist ja auch schwieriger, weil man sich verletzlicher macht, Gefühle wie Enttäuschung, Liebe, Traurigkeit usw. zu zeigen. Stattdessen lieber "schimpfen" oder durch Rückzug d.h. Liebesentzug strafen.... Ich bin noch nicht soweit dass ich mich meinem Vater gegenüber so öffnen kann, d.h. evtl. wäre ich soweit aber ich sträube mich noch mit Händen und Füssen, obwohl ich eigentlich weiss dass es auch eine Befreiung sein würde.

Vielleicht müssten wir mal weinen, über all die entfremdeten Jahre, über die Krankheit meines Vaters... aber oh Gott welche PEINLICHKEIT "das tut man doch nicht", meckern ist OK aber doch nicht WEINEN......
Ich bin ja so FROH dass ich meinen Therapeuten habe aber im Moment kann ich das was wir da besprechen noch nicht umsetzen. Hast Du schon mal über eine Therapie nachgedacht?

Ende letzten Jahres hatte ich wirklich eine Sternstunde bei meinem Therapeuten. Wir sprachen über meinen Vater und ich zog mal wieder die alte Leier ab: kümmert sich nicht um seine Enkel, ist oberflächlich, hat sich (ausser finanziell) nie so richtig gekümmert, er KENNT mich garnicht richtig und es interessiert ihn auch immer alles nicht, hört nicht zu, blablabla,.... das sollte auch gegenüber meinem Vater die "grosse Abrechnung" werden, da er damals gerade aus dem KH kam wollte ich ihn wieder auf die Beine kommen lassen, ABER DANN..... Mein Therapeut fragte mich ganz ruhig was mir das bringen würde... ich nur ja äh..... drucks rum, natürlich nicht wirklic etwas, ausser Dampf ablassen, ..... aber ich verstand dass uns ja nicht weiterbringen würde. Ich haderte trotzdem weiter damit dass mein Vater sich nicht ändert, dass alle Bemühungen nichts bringen.... da sagte der Therapeut ich hätte nur die Wahl ihn so zu akzeptieren wie er ist, er sei Mitte/Ende 60 und WERDE sich nicht mehr ändern. Ich könnte nur versuchen ihm mitzuteilen was ich denke und fühle, ihn mal einzuladen wenn ich es will oder Treffen mit den Kindern zu arrangieren... aber er meinte wenn ich erwarte mein Vater könnte meine Gedanken lesen und sich dann meinen Erwartungen entsprechend verhalten, dann würde sich nichts ändern. Da habe ich plötzlich wirklich glasklar gesehen es liegt an meinen Erwatungen, d.h. er sollte möglichst so sein wie ich es erhoffte, aber so ist er nicht und wird es nie sein. Und für ein paar Monate war es für mich jetzt wirklich GUT, ich konnte innerlich ganz gelöst locker auf seine sattsam bekannten polemischen Äusserungen gegen Gott und die Welt reagieren (früher hat mich das immer auf die Palme gebracht), ich habe ihn mit meinem Sohn verabredet, und insgesamt hatte ich das Gefühl eine grosse Last sei von mir gewichen...

Na schön es hat ein paar Monate gehalten... wäre wohl auch zu einfach gewesen wenn knapp 40 Jahre damit so einfach "gelöst" wären.... aber ich habe daraus gelernt dass ich mit meinem Standpunkt eigentlich alles beeinflussen kann, nicht wie er sich verhält, aber wie ich damit umgehen kann. Ich hoffe, dass ich bald dazu zurückfinde. Ich weiss es geht nicht anders als auf ihn zuzugehen, mein Vater ist in persönlichen Dingen so feige, früher habe ich ihn dafür verachtet aber jetzt denke ich eigentlich nur er KANN ES EBEN NICHT.

Mein Leitsatz seit einigen Monaten - es ist schwer immer danach zu leben bzw. die Dinge so einzusortieren - ist banal, aber für mich sehr hilfreich: ES IST WIE ES IST. Aber WENN ich es schaffe wirklich zu akzeptieren dass etwas ist wie es ist, dann fühle ich mich immer gleich viel leichter ums Herz. Das soll ja keine Gleichgültigkeit oder Resignation sein.... nur das Leben zu aktzeptieren wie es ist.... das ist eines meiner Ziele für die Therapie, denn viele meiner Ängste und Schwierigkeiten kommen daher dass ich das bisher nicht kann. Aber ich lerne....

Puuh wie lang....
Alles Gute
Kerstin
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