Einzelnen Beitrag anzeigen
  #48  
Alt 05.02.2010, 12:31
Stefans Stefans ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 428
Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo,

Zitat:
Zitat von Andorra97 Beitrag anzeigen
ich kann Dir in vielen Dingen zustimmen. Ich bin allerdings immer noch der Meinung, dass es etwas anderes ist, ob Du als Ehemann Deiner Frau so und so entscheidest, oder ob Du eine Entscheidung von einem Mediziner verlangst.
Tue ich nicht. Die Entscheidung sollte beim Patienten liegen. Der Mediziner hat sie nur zu befolgen, wenn er sich damit im Rahmen des Gesetzes bewegt. Wenn er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, muss er sich halt einen anderen Job suchen, mit dem er ruhig schlafen kann.

Zitat:
Zitat von Andorra97 Beitrag anzeigen
Dafür MUSS es einfach eine Rechtsgrundlage geben, die möglichst allen Seiten gerecht wird.
Ja, eben. Und die gibt es nicht, weil sich die Gesellschaft seit langem darum herumdrückt. Obwohl das Problem offenkundig ist und stetig größere Ausmaße annimmt.

Zitat:
Zitat von Wolfgang008 Beitrag anzeigen
Doch eine wichtige Tatsache wird oft ausgeklammert, das Menschliche, was mir sehr wichtig erscheint und meist im Klinikablauf ins Hintertreffen gerät.
Deshalb stellte ich mir immer die Frage, wenn jemand den Wunsch äusserte freiwilllig aus dem Leben scheiden zu können, waren wir unaufmerksam, hatten wir zu wenig Zeit, hätten wir mehr tun können, müssen, damit dieser arme Mensch nicht den Wunsch nach einem vorzeitigen Sterben äussern würde.
Das sehe ich ähnlich. Wenn jemand sterben möchte, heisst das nicht automatisch, dass er nicht mehr leben will. Aber er will _so_ (unter diesen Umständen) nicht mehr leben. Und als Schwer-/Todkranker in Würde zu leben/sterben, ist halt nicht so einfach (und Würde ist mehr als Schmerzfreiheit, da finde ich dich etwas "eingleisig"). Über 90% der Menschen möchten in D Zuhause sterben. Tatsächlich stirbt jeder 2. in der Klinik. Dass daraus mitunter die Entscheidung reift: "bevor ich _so_ ende, bringe ich mich lieber um bzw. möchte getötet werden, wenn ich das selbst nicht mehr kann" - wer will den Kranken das verdenken.

Vor über 10 Jahren gab es in einer ostdeutschen Großstadt, wo ich damals gearbeitet habe, ein Pilotprojekt: Palliativmedizin Zuhause statt in der Klinik, wo medizinisch möglich. Das kam super an, die Patienten waren begeistert - Zuhause bei Familie, Haustieren, in der gewohnten Umgebung. Die Angehörigen waren ebenso erfreut. Und es war nur halb so teuer wie die Palliativmedizin im Krankenhaus. Aber nach Ende des Projekts ist das sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Weil formale Gründe das nicht zuließen. Liegt man in der Klinik, zahlt die Kasse alles. Ist man Zuhause, ist aus finanzierungsversicherungsrechtlichen Gründen keine gute Versorgung möglich. Ist dann halt Sache der Pflege-, nicht der Krankenversicherung. Und das reicht hinten und vorn nicht. Das ist doch (mit Verlaub) zum Kotzen.

Beim Thema in Würde sterben geht es halt m.E. zum großen Teil gar nicht um Ethik oder Moral, sondern schlichtweg um Profit. Jeder verteidigt da seine Pfründe mit Zähnen und Klauen, natürlich auch die Krankenhaus-Lobby. Eine Klinik-AG muß möglichst hohe Rendite erwirtschaften, das ist ihre Existenzberechtigung. Nichts anderes. Ob da nun todkranke Menschen versorgt oder Fernseher produziert werden, ist für die Bilanz völlig egal. Und ob eine Klinik eine Palliativstation einrichtet, erhält oder schließt, hat nichts damit zu tun, ob das medizinisch oder aus Sicht der Patienten wünschenswert ist - sondern ausschließlich damit, ob diese Station Gewinn erwirtschaftet oder nicht. OK, wenn die Klinik sich ein humanistisches Feigenblatt-Image zulegen möchte, wird sie dank Mischkalkulation querfinanziert auch einen defizitären Bereich eine zeitlang mittragen. Aber nicht seer lange.

Natürlich war es massiv schwierig, meine Frau zum Sterben nach Hause zu holen - schließlich verliert die Klinik da ein paarhundert EUR pro Tag, und das wird vom controlling gar nicht gerne gesehen. Und natürlich wird intern evaluiert, und wenn die Bettenauslastung nicht stimmt, wird die Personalbesetzung nach unten angepasst. Böse ausgedrückt: auch dein Job in der Klinik oder im Pflegeheim hängt letztlich daran, dass Menschen möglichst lange stationär am Leben erhalten werden. Ob sie das wollen oder ob sie das als würdig empfinden, ist nachrangig. Vorrangig ist, dass sie in der Pflege weniger kosten als für sie bezahlt wird. Und sie, wenn das so ist, möglichst lange dazubehalten.

Sicher, auch ein Goldesel sollte in Würde sterben dürfen. Aber solange er noch Dukaten scheisst... "Würde" im Falle stationärer Behandlung richtet sich nunmal leider zu einem Teil nach Fallpauschalen. Insofern ist vielleicht der Kostendruck im Gesundheitswesen gar nicht so verkehrt. Wenn die Fallpauschalen genug sinken, müssen Todkranke nicht mehr darum kämpfen, Zuhause sterben zu dürfen. Dann werden sie kurzerhand frühzeitig rausgeworfen. Natürlich nicht, weil sie sich nicht rentieren. Sondern weil man, leider leider, in der Klinik plötzlich medizinisch nichts mehr für sie tun kann. Letztes Jahr konnte man medizinisch noch ganz viel für sie tun - da war aber der Abrechnungsschlüssel gegenüber den Kassen auch noch anders...

Zitat:
Zitat von Wolfgang008 Beitrag anzeigen
Sich ausschließlich auf Verwandt zu berufen, womit ich kriminelle Energien meinte, ist auch eine schwere Entscheidung, die sicherlich nicht immer zu aller Zufriedenheit getroffe werden kann.
Auf Verwandte zu hören, würde ich (wenn ich an meine Verwandschaft denke) spontan konsequent ablehnen, was Sterbehilfe betrifft. Die haben formal aber doch gar nicht mitzureden? Es sei denn, sie sind in einer Vorsorgevollmacht/Betreuungsverfügung als Betreuer benannt. Und selbst dann gibt es im Streitfall immer noch die gerichtliche Instanz.

Viele Grüße,
Stefan