Thema: Gedicht
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Alt 16.07.2002, 13:44
Helene
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Standard Gedicht

ÜBER FREUNDSCHAFT
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Wir haben zusammen gefeiert, gelacht,
zusammen getrunken, gegessen,
manchen Urlaubstag gemeinsam verbracht
und gab’s mal Streit, war’s schnell vergessen.
Wie haben wir uns gut verstanden!
Wir vertrauten so viele Jahre uns blind.
Es war doch Freundschaft was wir empfanden,
drum wurd ich auch Pate für Euer Kind.
Oh ja, wir waren Freunde!

Dann kam der Krebs! Ich suchte nach Halt, den ich nicht fand,
fühlte mich hilflos und sehr allein.
Die Angst griff nach mir mit eisiger Hand,
die Angst, dem Tod so nahe zu sein.
Und wo, wo sind meine Freunde?

Wer ist denn noch mein Freund?


Ist es der, der zur andern Straßenseite flieht,
wenn er von weitem mich kommen sieht?

Ist es der, der im Supermarkt den Kopf im Regal versteckt
und hofft, daß er von mir nicht wird entdeckt?

Ist es der, wenn er mich mal besucht,
nur jemanden, der IHM zuhört, sucht?

Ist es der, der mich als Sozialschmarotzer beleidigt,
oder der, der dies hört und mich nicht verteidigt?

Ist es der, der mir sagt: „Häng Dich doch auf!“ und nicht versteht,
daß es mir nicht um’s Sterben, sondern um’s Weiterleben geht?

Oder ist’s der, der Angst hat mich zu berühren,
denn der Krebs könnt ja zur Ansteckung führen?

Nein, das sind nicht mehr meine Freunde!


Aber habe ich denn noch Freunde? !


Ich hab die Nachbarn, die sich nehmen Zeit,
um zu helfen, wenn Gelegenheit.

Ich hab die Kollegen, die mich lassen wissen,
daß sie noch immer mich vermissen.

Ich hab die Verwandten, die nach mir sehen
und hilfreich mir zur Seite stehen.

Ich hab auch die, die mich nur flüchtig kannten
und trotzdem Blumen an mein Krankenbett sandten.

Ich hab all jene, die es meinen mir gut,
mir Trost zusprechen und mir machen Mut.

Ich hab all die andern, die Zahl ist nicht klein,
die mich schließen in ihr Gebet mit ein.

Ja, ich habe Freunde!


Für meinen Ehemann:
Du machst heut Dein Versprechen wahr,
mich durch das Leben zu begleiten,
wie einst gelobt am Traualtar
in guten wie in schlechten Zeiten.
Du kümmerst Dich, bist für mich da,
es ist so viel, was Du mir gibst,
hältst mich im Arm, bist mir so nah,
weil Du mich trotz der Krankheit liebst.
Du bist mein allerbester Freund!