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Alt 14.06.2007, 18:15
Loreena Loreena ist offline
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Standard AW: zum Sterben nach Hause

Hallo ihr Lieben,

eure Berichte ähneln dem, was ich gerade mit meinem Mann erlebe. Er ist auch oft verwirrt, und das schon seit 10 Wochen. Ich hoffe so sehr, dass er mich bis zum Schluss erkennt. Am Anfang war es schockierend, aber inzwischen komme ich damit einigermaßen klar.

Gestern hat sich die Pflegeschwester verabschiedet und gesagt, sie käme Mitte Juli aus dem Urlaub und dann würden sie sich sehen. Er sagte darauf mit schwacher Stimme: Ich weiß nicht, ob ich dann noch da bin.

Heute schläft er viel. Er isst sehr wenig, hat aber immer Durst.

Ich bin von dem ambulanten Hospizdienst nicht gerade begeistert. Die Dame, die Samstag bei uns war, hat entschieden, dass mein Mann bald sterben muss, und hat am Krankenbett etwas von "er ist schon in einer anderen Ebene", "er sieht schon das helle Licht" und "er streckt schon die Arme Richtung Himmel" gesagt. Wenn es tatsächlich so gewesen wäre, hätte ich ja noch nicht einmal etwas dagegen gehabt.

Dann hat sie ihre Chefin angerufen und ihr vom Endstadium erzählt und gesagt, dass sie nun kommen sollte. Als diese dann kam, kommandierte sie die Schwester von Pflegedienst, wollte entscheiden, mit welcher Decke ich meinen Mann zudecken sollte und mit welcher nicht und sagte mir, ich dürfe meinen Mann nicht anfassen, sondern nur den Arm neben seinen legen, da er sonst nicht "gehen" könnte.

Dann rief sie den Arzt an, bei dem er bisher im KH auf der Station gelegen hat und hat ihm gesagt, er solle kommen. Als er kam, hat er meinen Mann nicht untersucht, sondern nur die Anweisungen der Hospiz-Dame befolgt. Er hat also ein Sterbezimmer mit Zusatzbett geordert und den Krankenwagen bestellt. Er sagte mir, dass es nur noch eine Sache von wenigen Stunden sei. Ich sollte keine Tabletten, Prothese, Brille usw. mitnehmen, weil er das nicht mehr braucht.

Ich war fix und fertig.

Im KH wurde 3 x mit einem Schlauch Flüssigkeit aus der Lunge gepumpt. Am nächsten Morgen wollte mein Mann frühstücken und wunderte sich, dass ich seine Zähne nicht mitgenommen hatte. Er war den ganzen Tag über ansprechbar und ich musste darum kämpfen, dass er überhaupt seine Tabletten bekam. Eine Untersuchung (außer Blutabnahme), Blutübertragungen, künstliche Ernährung und Thrombose-Spritzen erachtete man als unnötig.

Die Begrüßung des Arztes, der ihm nur noch ein paar Stunden zugestanden hatte, war: Jaa..., ich freue mich..., Sie in einem so guten Zustand anzutreffen.

Nach 3 Nächten zusammen im Sterbezimmer sind wir dann Dienstag wieder nach Hause gefahren.

Durch diese Fehleinschätzung ist es, als würde ich die schrecklichste aller Situationen 2 x durchleben. Auf jeden Fall ist mir nach diesem "Probelauf" klar, dass ich diese Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen werde. Ich möchte nicht, dass jemand das Kommando über die ganze Situation hat und allen Befehle erteilt. Für meinen Mann wünsche ich einen "Übergang" in Ruhe, Frieden und Würde.

Euch allen weiterhin viel Kraft.
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Die höchste Kraft der Seele ist die Erinnerung.
(Renan Demirkan)
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