[AndreaS]

Einen guten Wochenstart euch allen!

Liebe Anemone, ich hoffe, die Zeit mit deinen Freunden bei Musik und hoffentlich so schönem Wetter wie bei uns hat dir gut getan und das Tier musste sich langweilen. Kleinigkeiten - ja, die sind es wohl, unverhofft, der Name an einer Stelle abgedruckt, an der er nicht hingehört. Es wird immer wieder passieren.

Ich weiß nicht, ob sich die Tage mal wieder normal anfühlen werden. Der Freitag hat bei mir nach wie vor einen bösen Beigeschmack, nicht immer, und auch nicht mehr wirklich ganz so heftig. Aber auch heute, 103 Wochen später bleibt der Freitag der traurigste in der Woche und ich frage mich noch immer, wie es sein kann, dass diese 103 Wochen einfach vergangen sind, teilweise sogar wieder glücklich und fröhlich, voller Hoffnung und Freude.

Bei mir sitzt es auch im Genick, knappt seit ein paar Tagen hin und wieder und ich warte darauf, wann es zum Biss ansetzen, mich anspringen und nach unten ziehen wird. Weiß nicht, wie dieser Kampf enden wird diesmal, ich stehe auf wackeligen Beinen, ist die Zeit, die mich wohl unterliegen lassen wird.

Kleinigkeiten! Ja, die sind es wohl immer wieder. Ein Anruf. Die Ex-Freundin meines Mannes, eigentlich Geschichte, sogar Geschichte, über die wir nie oder höchst selten einmal gesprochen haben. 30 Jahre ist es her, er hat sich für mich entschieden damals, Gott sei Dank, aber sie hat es tatsächlich nie überwunden. Vor ein paar Jahren kam sie bereits unverhofft zu einem Besuch. Wir waren beide nicht sehr begeistert, hatten ihr nichts mehr zu sagen, zu viele Jahre, keine wirkliche Verbindung mehr, jedenfalls von unserer Seite. Sie hat es wohl anders gesehen, sieht es heute noch anders. Den Besuch letztes Jahr hat mir ein Freund geholfen abzuwimmeln. Diesmal wieder der Anruf: Bin mal wieder da, würde dich gerne besuchen. Lass mich in Ruhe, denke ich, dass es zeitlich im Augenblick ungünstig ist, sage ich. Was will sie? Was will sie hören? Ich will mit ihr nicht über meinen Mann reden, will ihr nicht erzählen, nicht von unserem Leben, nicht von seiner Krankheit, erst recht nicht von seinem Sterben. Warum bin ich so feige? Warum sage ich ihr nicht einfach: Nein, ich will deinen Besuch nicht, habe dir nichts zu sagen, will mich nicht erinnern, nicht mit dir. Warum fehlt mir mal wieder der Mut zur Ehrlichkeit? Will ihr nicht weh tun, habe ihr ungewollt vor 30 Jahren schon weh genug getan. Aber mir tut es weh, wenn sie anruft. Sie reißt meine mühsam zu heilen beginnenden Wunden auf. Hänge durch seit ihrem Anruf. Nein, ich will es nicht. Will sie nicht sehen, will nicht mit ihr reden. Konnte es abwenden, bis Weihnachten, dann wird sie wieder im Land sein. Aufschub. Dann werde ich es ihr sagen müssen, irgendwie. Ich darf das, oder?

Und dann mal wieder meine Chefin. Sie war im Sekretariat als die sms von meinem Freund in der Ferne kam: „Ach, das war wohl ihr Liebhaber?“ Alleine der Ausdruck löst Brechreize bei mir aus. Liebhaber? Wie abfällig klingt das nur! Und gleich drauf sagt sie: „Ach nein, doch nicht Sie! Sie lieben ja ihren Mann. Sie haben ihn ja nicht vergessen....“

Der Schlag sitzt! Trauertier willkommen! Ja Frau DUMMKUH, ich liebe meinen Mann nach wie vor, werde niemals aufhören, ihn zu lieben. Und ich antworte mit dem Rest meiner guten Erziehung und Beherrschung: Glauben Sie, ich würde aufhören können meinen Mann zu lieben, oder gar, ihn vergessen, nur weil für mich das Leben weitergeht?“ Betretenes Schweigen. Entschuldigungen für eine unbedachte Bemerkung – mal wieder – Zu spät, das Tier grinst doch schon längst, weckt wieder Zweifel, zieht schon an den Füßen Richtung Abgrund.... Betretenes Schweigen, schade, dass das Schweigen immer erst zu spät kommt....

Ich wünsche euch allen einen gute Woche, viel Kraft, egal auf welcher Strecke des Weges ihr gerade steht, lasst euch nicht ärgern, von niemandem!

LG
Andrea