Einzelnen Beitrag anzeigen
  #36  
Alt 25.11.2007, 09:14
Lisa M. Lisa M. ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 25.11.2007
Beiträge: 3
Standard AW: Riesenzell-Tumor im Knochen. ....weiss nicht mehr weiter....

Hallo + guten Morgen,
wie sich die Geschichten gleichen - hier ist meine.

In 1992 hatte ich immer stärkere Schmerzen im Lendenbereich und Gefühlsstörungen im Oberschenkel. Ich musste mich aus dem Bett rollen und hatte Mühe vom Sofa aufzustehen. Ich war müde, schlapp und hatte extreme Ausreisser bei den Kalziumwerten. Behandelnde Ärzte - Internist und Orthopäde. Der Internist hatte keine Erklärung für die Kalziumwerte, der Orthopäde fertigte Beckenübersichtsaufnahmen an und erklärte mir als Ergebnis, dass ich Ischias hätte, das sei deutlich aus den Röntgenaufnahmen zu entnehmen. Darauf folgte für ein halbes Jahr die gesamte Angebotspalette seiner physikalischen Abteilung. Dann wurde ich extern zum Masseur geschickt, der die Massagen jedoch abbrach, weil er etwas ertastete, was ihm nicht geheuer schien. Mit dieser Nachricht ging ich wieder zurück zu meinen Orthopäden, er wollte Cortison spritzen, was ich ablehnte. Seine Reaktion, "dann müssen Sie mit den Schmerzen leben". Kurz darauf ertastete ich beim Duschen einen Höcker auf dem Beckenkamm. Jetzt wurde der Orthopäde unruhig und veranlasste ein MRT. Und dann kam die Diagnose: große Knochendestruktion in der linken Beckenschaufel bis angrenzend an das Iliosacralgelenk. Verdacht auf Osteosarkom = bösartiger Knochentumor.

Na Super!! Ich denke,das kann doch nicht sein, vor 6 Monaten hatte ich eine Beckenübersichtsaufnahme, da muss doch von dieser Zerstörung schon etwas zu sehen gewesen sein.

Ich zurück zum Orthopäden, dieser behauptet eine "andere Ebene" geröngt zu haben worauf dieser Teil des Beckens nicht zu sehen sei. Da bemerkte ich, dass hier etwas mächtig schief lief. Ich ließ mir von den Mädchen am Empfang die Aufnahme aushändigen und konnte auf dem Parkplatz mit bloßen Auge eine Osteolyse in Größe eines 5-Markstücks erkennen. Im Uniklinikum wurde dann nach einer Biopsie unter Op-Bedingungen ein Riesenzelltumor diagnostiziert. Ich fiel dem Oberarzt um den Hals, weil ich so glücklich war, das es sich nicht um ein Osteosarkom handelte, sondern "nur" um einen semimalignen Tumor. Ein 10x8x6 xm großer Tumor wurde in einer 9-stündigen Operation im Gesunden entfernt. Der große Defekt in der Beckenschaufel wurde mit Knochenmaterial aus der Knochenbank rekonstruiert und mit reichlich Platten und Schrauben fixiert. Darauf folgten im Abstand von 1 bzw. 3 Wochen zwei Revisions-Ops (Bein war taub, weil eine der zahlreichen Schrauben im Wurzelkanal landete, daher war ein Schraubenwechsel erforderlich ) die 2. wg. einer lebensgefährlichen Infektion am Transplantatlager. Nach 8 Wochen kam ich auf Krücken in die REHA und lernte dort wieder zu laufen.
Hätte sich der Tumor durch die Austreibung am Beckenkamm nicht bemerkbar gemacht und ich die Bemühungen des Orthopäden weiter über mich ergehen lassen, wäre ich wohl im Rollstuhl gelandet, denn der Tumor hatte sich schon bis zum Iliosakralgelenk durchgefressen. Ich war so wütend auf den Orthopäden und wollte ihn nach meiner Wiederherstellung zur Verantwortung ziehen, habe das aber dummerweise in meinem Zorn laut in der Klinik gesagt. Mit der Konsequenz - oh Wunder - unter all dem umfangreichen Bildmaterial in meiner Röntgentasche - fehlte auf einmal ausschließlich und allein die entscheidene, alles beweisende Beckenübersichtsaufnahme. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Zwar hatte ich die schriftlichen Berichte meiner behandelnden Klinikärzte, denen die Beckenübersichtsaufnahme vorlagen, und die bestätigten, dass die Osteolyse klar und deutlich bei Behandlungsbeginn durch den Orthopäden auf dem Röntgenbild ersichtlich war, doch der Beweis war eben weg. Auszug Gutachterkommission: es ist nicht nachvollziehbar, dass ein solcher Defekt auf den Röntgenbild nicht erkannt werden konnte, - doch das Bild war weg und mir dann das finanzielle Risiko für eine Klage zu groß. Für den Orthopäden war das alles eine "schicksalshafte Fügung", er hatte sich nichts vorzuwerfen.

Gott sei Dank hatte ich bisher kein Rezidiv des Riesenzelltumors, dafür 3 Jahre später, kurz nachdem ich mein Metall wieder losgeworden war, die Diagnose Darmkrebs mit Lymphknotenmetastasen. Darauf das volle Programm, Chemo, Bestrahlung und zahlreiche Ops., aber das ist eine andere Geschichte.

Warum erzähle ich das? Hier im Forum schreibt nur eine kleine Anzahl Betroffener und davon haben viele ähnliche Erlebnisse bis zur Diagnose mit ihren Ärzten machen müssen. Ärzte sind Menschen und Menschen machen Fehler - das ist so. Der Umgang mit diesen Fehlern ist verwerflich - nicht zuletzt, weil das Vertrauen in ärztliche Behandlung nachhaltig zerstört wird. Eigentlich sind wir - die Betroffenen - denn wir leiden mehr oder weniger ein Leben lang an den Folgen der Erkrankung und/oder der Behandlung, auf dieses Vertrauen angewiesen. Meines ist nachhaltig gestört.
Mit Zitat antworten