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Alt 07.11.2005, 08:07
Delia1 Delia1 ist offline
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Standard AW: Die Liebe meines Lebens

Mein lieber Schatz,

ich fühle mich dir so nahe wie noch nie seit deinem Tod. Ich bin ruhig und weine nicht mehr so oft, denn das Abschreiben unserer Tagebücher ist für mich die beste Therapie. Ich bin nun schon bei 1970 und dadurch, daß ich deine und meine Eintragungen jeden Tag untereinander schreibe, kann ich noch mal alle unsere Gefühle von damals durchleben. Unsere große Liebe und auch die Verzweiflung, wenn wieder einmal jemand gegen uns opponiert hat. Aber wir waren so zuversichtlich und haben uns nie auf unserem Weg abhalten lassen. Und das für fast genau 39 Jahre.

Ich habe nun nicht mehr all die "was wäre gewesen wenn" Gedanken, denn durch das Lesen der Tagebücher habe ich dich so nah bei mir, daß ich nun genau weiß, was du gewollt hättest und was nicht. Ich wußte das auch schon vorher, aber man macht sich selbst immer wieder Vorwürfe, ob man nicht doch anders hätte handeln sollen. Du hättest mich nie an deinem letzten Atemzug teilhaben lassen. Wie oft habe ich im Forum gelesen, daß Männer ihre Frau schützen wollten und gewartet haben, bis sie mal kurz das Zimmer verließ. Immer hast du darauf geachtet, daß ich mich nicht zu sehr aufrege wegen meines Asthmas. Nur einmal habe ich bei deiner ersten Krebserkrankung Tränen in deinen Augen gesehen. Am Valentinstag 2003 als ich abends gehen mußte und du mich noch bis zur Tür begleitet hast. Da hast du mir noch durch die große Scheibe nachgesehen und da sah ich dich, so dünn und einsam und da sah ich die Tränen in deinen Augen. Ich wollte sofort zurücklaufen und dich in meine Arme nehmen und nie mehr loslassen, aber ich wußte auch, daß du das nicht gewollt hättest. Also habe ich dir nochmal zugewunken und bin erst an der nächsten Ecke in Tränen ausgebrochen. Auch in diesem Jahr hast du sicher viele Tränen ohne mich vergossen, aber ein paar auch mit mir gemeinsam. Ich habe doch dauernd geheult und du hast genau gewußt, daß die 4 Krebserkrankungen und bis dahin 2 Verstorbenen einfach zu viel für mich waren. Nachdem ich erfahren habe, daß du dieses mal den schlimmsten Krebs überhaupt hast, war es einfach zu viel für mich und ich brach dauernd in Tränen aus. Wir beide haben meine Tränen "Streßabbau" genannt und du hast mir dabei immer den Kopf gestreichelt. Die paar mal, als du mit mir zusammen geweint hast und dabei in meinen Armen lagst und mich verzweifelt festgehalten hast, das werde ich nie vergessen.

Ich sitze jetzt hier und weine wieder, aber ich weiß nun, daß diese Tränen nun nicht mehr so oft kommen. Jetzt werde ich täglich beim Schreiben überschwemmt von unseren Gefühlen der Liebe und des Kampfes um unsere Ehe. Ich fühle nun eine tiefe Ruhe und Frieden in mir, weil ich weiß, daß du dein Leben mit den beiden Menschen verbracht hast, die du so unendlich geliebt hast. Du hattest das Leben, das du dir mit 17 Jahren schon so sehnlich gewünscht hattest. Du hast deinen Traum gelebt und bis zuletzt fühltest du dich geliebt und geborgen und aufgefangen in den Armen deiner beiden liebsten Menschen. Und wir haben dir bis zum letzten Abend gesagt und dich fühlen lassen, wie sehr wir dich lieben. Und ich weiß nun genau, als der Pfleger dir sagte, daß ich gleich komme, bist du deshalb so friedlich eingeschlafen, weil du wußtest ich komme und du konntest noch schnell vorher "verschwinden". Aber ich sehe dich heute nicht, wie so viele Andere, als den perfekten fehlerlosen Menschen. Ich weiß, du hattest deine Fehler und wir haben uns oft, auch schon zu Beginn unserer Liebe, gestritten. Aber ich liebte dich und du mich, gerade weil wir unsere Fehler hatten und nicht so perfekt und immer beherrscht waren.


Du bist die Liebe meines Lebens und wenn du auch oft Dinge getan hast, die ich nicht verstand, so werde ich dich ewig lieben und je länger ich abschreibe, desto mehr lebt unserer Liebe wieder auf. Und wie im Märchen werden wir wohl bis ans Ende (nein, nicht unserer sondern) meiner Tag zusammen glücklich leben. Und danach werden wir auch wieder vereint sein.

Ich liebe dich, mein Schatz

Delia
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