Thema: Stammtisch
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Alt 27.04.2006, 14:12
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Es wurde in einem der vorigen Beiträge der Aspekt der neuen Partnerschaft angesprochen.

AndreaS schrieb:

"Jemand, der bereit ist, sich auf uns, die wir unsere große Liebe gefunden und verloren haben, einzulassen, der wird in der Lage sein, uns wieder zurück ins Leben zu führen, anders, aber nicht unbedingt schlechter. Dieser jemand wird seinen Platz in unserem Leben bekommen, ohne unseren Lieben etwas wegzunehmen. Ob es das gibt? Ich weiß es nicht."

Ja ,es gibt das tatsächlich. Andrea hat es auf den Punkt gebracht, es verlangt Mut, sich neu aufeinander einzulassen und es ist kein "Verrat" am verstorbenen Partner, auch wenn derartige Gefühle und Gedanken mal in diese Richtung vorbeihuschen.

Wer meinen Trauerweg in einem anderen Thread verfolgt hat, weiß, das wir uns loslassen MUSSTEN, obwohl wir doch gerne nach 30 Jahren Ehe zusammen alt geworden wären. Schmerzlich war anzuhören der Wunsch meiner todkranken Frau, ich möchte wieder (mit einer Frau) glücklich werden. Es hat mich fast zerrissen.

Ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen, ich bin nicht mehr Witwer, ich bin wieder verheiratet.

Es war ein gewaltiger Spagat der Gefühle, einerseits Trauerarbeit, andererseits neues Glück zulassen.

Das Zulassen von neuem Glück ist sehr einfach gesagt, aber nicht einfach getan. Dabei habe ich mir oft selbst im Wege gestanden. Kopf und Seele waren zum Zerspringen voll von Gedanken und ungeordneten Gefühlen.

Wir haben uns mit vielen kleinen Schritten an unser gemeinsames neues Leben angenähert:

Liebe braucht viel Zeit: Zeit loszulassen und Zeit, um das sensible Pflänzchen neue Liebe wachsen zu lassen. (Vielleicht kommt das Lebensalter und die vielleicht gemachten Lebenserfahrungen mal erleichternd, mal erschwerend als neuer Begleiter dazu.)

Zuhören und Nachvollziehen des jeweiligen langjährigen Lebensweges des bisherigen Partners

Viel miteinander reden, um die Vergangenheit verständlich zu machen, abschließen und loszulassen zu können

Akzeptieren und Stehenlassen des bisherigen Lebensweges des anderen Partners

Einlassen auf neue Verhaltensweisen, Modifikationen bisheriger gewohnter Abläufe

Neues miteinander erleben und gestalten, neu füreinander da sein, Vertrauen schaffen

Es war bei keinem von uns gegen den bisherigen Lebenspartner gerichtet, was wir uns neu gemeinsam an Gemeinsamkeit und Vertrauen, aus der die neue Liebe entstand, geschaffen haben. So, wie es AndreaS beschrieben hat, es ist "anders" und es ist bereichernd für uns beide. Wir hatten zu akzeptieren, daß jeweils ein früherer Lebensabschnitt unabänderlich zu Ende gehen mußte; wir hatten den Wunsch an uns zu arbeiten und einen Neuanfang gemeinsam zu wagen, Schritt für Schritt, Hand in Hand, im Bewußtsein Geliebtes endgültig verloren zu haben und eine Chance zu haben Neues in (mit) Liebe zu wagen.

Mit lieben Grüßen
Shalom
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Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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