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Alt 06.07.2011, 16:24
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Hasi1965 Hasi1965 ist offline
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Standard AW: Wann wusstet ihr "Jetzt ist es soweit" ?

Liebe K.,
nun, meine Mutter ging vor 2 Jahren. Sie war an Lungenkrebs erkrankt und hatte zwischen Diagnose und Tod genau 9 Monate. Es ging , nachdem man ihr keine Chemo mehr geben konnte alles recht schnell, aber bis zum Schluß blieb sie einigermaßen authark. Selbst den Zeitpunkt Ihres Todes hat sie so gewählt, dass sie alleine sein konnte. Es war genau eine 1/2 Stunde, in der im Hospiz keiner nach ihr geschaut hatte, an einem Tag, an dem ich sie auch nicht besucht habe, weil dieser Tag so voll mit Besuchen war.
Ma war die Woche im Hospiz viel im Bett und die meiste Zeit auch nicht wirklich ganz klar wegen des Morphiums, wenn síe auch immer wußte, das ich da war und wir irgendwie gesprochen haben. Sie hat dann auch oft Dinge gesehen oder gesagt, die in der Vergangenheit lagen . Zum Beispiel wollte Sie , dass ich Ihr etwas aus Ihrer Wohnung hole und beschrieb mir den Ort dann so als seien wir alle noch gemeinsam in der Wohnung meiner Kindheit (vor der Scheidung meiner Eltern irgendwann Ende der 70er). Essen konnte Sie auch nicht mehr gut, der Tumor drückte auf die Stimmbänder und Speiseröhre. So hat sie Saft und Wasser getrunken und auch Astronautennahrung mit dem Strohalm.
Am Pfingstsonntag war sie sehr unruhig, wollte sich aber von niemandem helfen lassen und hat jeden angemeckert.
Am Pfingsmontag war sie topfit, Sie konnte klar sprechen , hatte sich ein Tablett mit allen möglichen Schälchen Salaten, Dips und Obst bestellt, mit Appetit gegessen und auch bei sich behalten. Sie hat dann noch zu mir gesagt: Und ab morgen schreibe ich mal auf, was man im Morphiumrausch so alles sieht, das ist bestimmt interessant für alle, die das noch nicht erlebt haben. Und dann sagte sie noch: Kind, morgen brauchst Du nicht zu kommen, ich bekomme so viel Besuch. Du glaubst es nicht. Ihr ging es so gut, das wir am nächsten morgen gegoogelt haben wie lange jemand im Hospiz versichert ist und herausgefunden, dass man nach 28 Tagen ein neues Gutachten benötigt und einen neuen Antrag stellen muss. Und es gab auch Menschen , die vom Hospiz wieder nach Hause gegangen sind. Ich rief am Morgen im Hospiz an, sie hatte gegessen und war guter Dinge. Am Nachmittag allerdings ging es wohl bergab, wie ich später erfahren habe.......einige Details spare ich mir jetzt - jedenfalls habe ich um 18.00h noch einmal dort angerufen und gefragt, ob ich denn kommen soll, ich hatte die Schwestern darum gebeten mir Bescheid zu sagen, wenn es so weit ist. Man sagte mir nur, sie sei jetzt wieder ruhig und hätte eine Spritze bekommen, heute würde nichts mehr zu erwarten sein. Mein Onkel war bis 19.45 bei Ihr, um 20:15 h hat eine Schwester nach Ihr gesehen, sie hatte sich wieder in den Sessel helfen lassen, weil sie dort besser atmen konnte und schaute in Ihrem Notizbüchlein etwas nach. Das nächste Mal wollte die Nachtschwester ihr um 20:40 h Ihre Medizin bringen. Da saß sie tot im Sessel. Ich erfuhr es um 21:00 h. Mutti hat also genau die 30 min genutzt , die sie alleine war, um für immer zu gehen - an diesem Tag hatte keiner damit gerechnet.
Was ich Dir damit sagen will und das habe ich schon öfter gehört: wenn es Deiner Oma plötzlich und unerwartet noch einmal richtig gut geht, sie aber dann kurze Zeit später dann fürchterlich unruhig wird, könnte das ein Anzeichen dafür sein, dass es dann bald soweit ist.
Ein guter Freund von uns, der ebenfalls krebskrank war hatte das Gleiche: Bei ihm dauerte es dann noch zwei Tage und andere hier haben das ja auch berichtet. Ein letztes Aufbäumen , noch einmal alles an Leben aktivieren , bevor man dann loslässt.

Nutze die Zeit bis dahin und lass Dir wenn irgendmöglich noch viel erzählen, damit Du vieles in Erinnerung halten kannst.

Liebe Grüße und viel Kraft wünscht Dir
Ulli
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(Der kleine Prinz)

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