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Alt 12.04.2006, 13:39
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sywal sywal ist offline
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Registriert seit: 01.04.2006
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Standard AW: ist Krebs ansteckend, oder warum.......

Vielleicht ist es dann besser zu verstehen:
Meinen ersten tumor habe ich 1991 entdeckt, die 1. OP war 1992.
1995, bereits 3 OP hinter mir rief mich eine nachbarin an, dass ihre schwester unterleibskrebs hat und ob ich vielleicht helfen könnte. Selbstverständlich, ich kannte die schwester auch sehr gut, fuhr ich sofort mit in das KH.
Wir halfen uns gegenseitig - gemeinsam waren wir stark. Prinzipiell gingen wir nur mehr zu zweit zum arzt, zu ihrer strahlentherapie, selbst das mittagessen danach (1 portion mit 2 teller) teilten wir. Als ich 1995 von der OP aufwachte, hielt sie meine hand, auch sie war im gleichen krankenhaus untergebracht. Da das Leintuch nass war regte sie sich so lange auf, bis ich wieder im trockenen lag. Als ich keinen "galgen" zum bett bekam, nahm sie kurzer hand einen aus ihrer abteilung mit (nach fragen ob dies erlaubt sei). Dann hatte sie einen tiefpunkt, es hatten sich metas gebildet, so vermittelte ich zwischen ihrem chirurgen und ihr - sie glaubte, dass dieser böse auf sie sei.
Gegenüber ihren kindern half ich ihr sich durchzusetzen, oft saßen wir in der nacht im auto und weinten. Wenn wir beide konnten, gingen wir gemeinsam zu freiluftkonzerten, zur musik die wir beide liebten.
Als sie sich immer mehr in die hinterste ecke von ihrem hochbett zurückzog, musste ich auch dies akzeptieren - bis sie nur mehr ein bündel schmerzen war. Da war sie einverstanden, dass ich sie ins KH bringe. Dort wollte man sie, die nicht mehr gehen konnte, zu fuss hin und her schicken. Das konnte ich einstellen. Alleine ist man da verloren.
Sie wurde aufgenommen, wir glaubten beide, dass sie bald wieder nach hause kommt. Fast täglich war ich bei ihr, bis.....
ja bis die morphiumdosis so hoch wurde, dass ich offensichtlich damit nicht mehr klar kam. Mein schlechtes gewissen, dass ich viel länger krebs habe und es ihr so schlecht geht, dass ich älter bin und sie jetzt gehen muss. Aber es ging um sie, meine freundin. Ich unterdrückte alle ängste bis...
ich eines tages ins zimmer kam und ein wunderschönes, friedliches bild vor mir hatte. Ein ganz lieber freund war gekommen, sie hielten sich die hand und waren eingeschlafen. Ich weckte den freund sanft auf, er erholte sich etwas am gang, ging kaffee trinken. Nach einer weile wachte meine freundin auf und ich sah in die "morphinaugen", die leicht als augen voll hass missverstanden werden können. Ich bin sehr erschrocken, wartete sehnlichst dass der gute freund wieder ins zimmer kommt und flüchtete.
Ich glaubte sie zu verstehen, wenn sie meinen "gesunden" anblick nicht verträgt und sie so leidet. Nach einiger zeit war mir aber klar, dass dies nicht hass sondern morphin ist. Aber es war sehr schwer mit diesen blicken umzugehen.
Sie starb, mit dem guten freund konnte ich über meine empfindungen sprechen - das schlechte gewissen war noch nicht abgebaut.

Will sagen: es ist sehr schwer richtig (wenn angebracht, gar nicht) zu reagieren. Aber kann ich den gesunden einen vorwurf machen, wenn sie sich, wie in den beiträgen beschrieben benehmen, wenn ich als betroffene selbst schwierigkeiten habe?

Eine sehr nachdenkliche sywal
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