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Alt 13.11.2005, 16:21
Lili Lili ist offline
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Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

Hallo Ihr Lieben,
ich möchte mich auch an dieser Stelle einmal zu Wort melden. Abgesehen davon, dass ich mich nach meiner Diagnose BDSK vor 4 1/2 Jahren schon mal mit dem Gedanken konfrontiert sah, vielleicht nicht mehr sehr alt zu werden - ich war damals knapp 47 - habe ich in der Zwischenzeit ziemlich viel über die psychischen und zwischenmenschlichen Aspekte einer solchen Erkrankung nachgedacht, ganz unabhängig von den medizinischen Möglichkeiten.

Ich möchte vor allem Dir, Annett, recht geben:

1. Wir müssen vieles bei der Diagnose Krebs letztlich als schicksalhaft akzeptieren, weil die Medizin halt noch nicht so weit ist. Das, was man selbst tun kann, ist letztlich beschränkt. Da wir aber in einer vom technischen Fortschrittsglauben bestimmten Gesellschaft leben, neigen wir ziemlich schnell dazu zu glauben, "da muss doch noch was zu machen sein." Klar, man kann ziemlich viel machen und die Medizin macht auch gewaltige Fortschritte, aber den Krebs haben wir letztlich noch immer nicht im Griff, auch wenn es gottseidank immer mehr Überlebende gibt.

2. Die Annahme, es hänge ganz viel von der eigenen Haltung und vom Kampfesgeist ab, ist zwar gut und schön und sicher auch hilfreich - soweit es die medizinische Therapie begleitet. Man ist dann aber auch gefährlich schnell bei bei im Esotherikbereich gern herbeigezogenen Theorie, jeder sei für seine Gesundheit verantwortlich und wer die "richtige" Haltung hat, werde auch nicht krank; und wenn man denn schon trotzdem Krebs bekommt, hinge es ebenfalls von der Mobilisierung eigener Kräfte ab, ob man gesund wird. Damit wird dem Einzelnen ein Maß an - vermeintlicher - Eigenverantwortung für Krankheit im allgemeinen und Krebs im besonderen auferlegt, die ich für völlig unverantwortlich halte. Klar gibt es Risikofaktoren für viele sog. Volkskrankheiten, die zu reduzieren man in der Hand hat, wie Rauchen, Alkohol, Übergewicht, zu wenig Bewegung usw. Wir sind aber auch einer immer stärker belasteten Umwelt ausgesetzt, der wir eben nicht so ohne weiteres entgehen können und die millionenfach stattfindende Zellteilung in unserem Körper schlägt eben mitunter auch aus nicht näher ersichtlichen Gründen Kapriolen und produziert "bösartige", aus dem Normalprozess fallende Entwicklungen, die dann in Krebs enden.

3. Bestätigen möchte ich Annett insoweit, als es bei Krebserkrankungen, die in einen letztlich tödlichen Verlauf einmünden, sich wenigstens für die Beteiligten meist die Möglichkeit des bewussten Abschieds eröffnet, bei aller Trauer und allen qualvollen Begleitumständen. Ich finde auch, dass dies auch positive Erfahrungen beinhaltet, die man nicht hat, wenn z.B. der Angehörige im Koma liegt, oder wenn, wie bei mir zur Zeit, ein Elternteil innerhalb weniger Monate dement wird und dies quasi zu einem Abschied auf Raten führt, der, so scheint es mir, vom Dementen kaum noch bewusst vollzogen werden kann. Wohl gemerkt: es gibt nichts Gutes an einem Abschied vom Kranken oder Alten, aber doch Positives, vor allem, wenn er bewusst geschehen kann.

Was also tun, wenn es nichts mehr zu tun gibt? Vielleicht akzeptieren lernen, bescheidener werden, auch zugewandter und nach einer Weile ein Stück weit weniger zornig.
Lili
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