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Alt 02.03.2015, 10:21
Wind Wind ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Ich bin wieder zurück! Die Ereignisse haben sich die letzten Tage überschlagen und ich hatte keine Zeit zu berichten. Und nachdem sich nun alles ein wenig gesetzt hat, kann ich auch drüber schreiben.
Letzten Dienstag hat mein Papa ein Pflegebett bekommen. Nicht so ein richtiges Bett, aber einen Einsatz für das Ehebett. Er wollte nicht in ein anderes Zimmer und da gab es dann diese Option. Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt, aber das ist wirklich ziemlich nett. Lattenrost raus und Gestell rein. Es kann alles, was ein normales Pflegebett auch kann… hoch und runter fahren, Kopf, Beine verstellen, hat auch so einen Hochzieh-Halter. Nachteile sind: Man kann nur von einer Seite richtig drehen und greifen, weil auf der anderen ja die andere Betthälfte ist und es gibt keinen Sicherheitsrahmen, damit er nicht rausfällt. Aber egal … beide können weiterhin in ihrem geliebten Schlafzimmer zusammen schlafen und das ist wichtig.
Dienstag bekam er dann auch eine Schmerzpumpe gesetzt. Am Anfang verweigerte er sich dem neuen Bett und der Schmerzpumpe, aber zum Glück hört er ein wenig auf seine Tochter . Und ich finde, es gibt manchmal Entscheidungen, die muss man einfach treffen und man kann nicht immer Rücksicht auf den Willen des Papas nehmen. Dieses neue Bettgestell ist eine wahnsinnige Erleichterung für die Mama und ohne Schmerzpumpe waren die Schmerzen einfach unerträglich.
Also, Schmerzpumpe gesetzt und gleichzeitig bekam der Papa noch eine Abführspritze, weil er acht Tage nicht auf die Toilette konnte. Der Arzt war noch gar nicht ganz zur Tür raus, da lief es aus meinem Papa raus wie aus Eimern. Er hockte dann ewig auf dem Klo und hatte furchtbare Schmerzen. Ganz, ganz schlimm … immer wenn er wieder hoch wollte, ging es wieder los. Er hat sich so sehr gequält. Am Anfang wollte er noch, dass ich das nicht sehe und hat nur die Mama im Bad zugelassen. Am Schluss war ihm alles so egal … jede Scham war vorbei und wir durften ihn dann beide versorgen. Der Palliativdienst hatte uns Windeln da gelassen und mit denen haben wir uns dann beholfen. Und eigentlich wollten wir diese nur diesen Tag nutzen, aber ohne geht es nun gar nicht mehr. Seit Dienstag wird er jetzt also gewindelt und dank dem Pflegebetteinsatz funktioniert das ganz gut.
Dienstagabend dann der große Schock. Papa lag im Bett und war gar nicht mehr ansprechbar. Arme und Beine haben ganz merkwürdig gezuckt, sein Mund war ganz stark zusammengepresst und sein Blick war ganz weit weg. Der absolute Horror. Mama kurz vorm Umfallen. Ich habe dann gleich den Palliativdienst angerufen und bis die kamen habe ich ihn dann gestreichelt und vollgequasselt. Die Schwester meinte dann, er wäre im Drogenrausch, weil die Schmerzmittel jetzt direkt an die Nerven andocken würden. Sie hat uns dann auch noch gezeigt, wie wir den Papa am besten wickeln und ein paar Griffe zum Drehen. Mittwoch früh war Papa wieder ganz klar und wusste vom Vorabend gar nichts mehr. Eine andere Schwester meinte, das wäre kein Drogenrausch gewesen, sondern solche Anfälle gäbe es in diesem Stadium der Erkrankung sehr häufig. Hat da jemand von euch vielleicht Erfahrung mit?
Die nächsten Tage verliefen dann relativ ruhig, aber der körperliche Verfall ist erschreckend. Er isst und trinkt kaum noch, trotzdem hat er in der Woche, die ich da war, 4kg zugenommen. Er ist richtig doll aufgeschwemmt und die Wassereinlagerungen sind unglaublich. Zu zweit hieven wir ihn morgens zwar noch ins Bad, aber das ist furchtbar anstrengend für ihn und uns. Ansonsten steht er gar nicht mehr auf und liegt nur noch im Bett mit seinen Windeln. Der Darm scheint wohl nicht mehr so zu arbeiten wie er soll. Von der Spritze kann es nicht noch sein.
Seit Samstag ist jetzt mein Bruder da … ohne Familie. Freitag fährt er wieder und was dann ist … ich weiß es nicht. Die Mama alleine wird es nicht schaffen können. Einen Pflegedienst will sie bisher nicht einschalten trotz guter Zureden. Aber wahrscheinlich muss sie erst selbst an den Punkt kommen, wo es für sie so gar nicht mehr geht.

Die Schmerzen sind immer noch da. Nur wenn er ruhig liegt, ist es erträglich, sagt er. Heute kommt der Arzt und dann muss was getan werden.
Gestern sagte Papa mehrmals, dass er nicht mehr will. Oh Mann … natürlich kann ich ihn auch verstehen. Sein Wunsch war es immer, kein Pflegefall zu werden. Und nun müssen seine Kinder ihm den Po sauber machen. Aber all das machen wir und wir machen es gerne. Es ist doch unser Papa. Und ich will ihn so lange wie möglich behalten, aber zu welchem Preis?
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