Einzelnen Beitrag anzeigen
  #67  
Alt 15.08.2002, 21:26
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Jung und schon verwitwet

Liebe Inke,
ich freue mich wieder von Dir zu lesen.Es ist schön, daß Du Deinen Stiefvater magst... und daß das mit dem trösten nicht funktioniert , weiß ich selbst.Und das drüber reden ist natürlich auch heikel.. Aber die Frage ist, wäre es wirklich so schlimm mit Deinem Stiefvater über schöne Begebenheiten zu sprechen, die ihr gemeinsam mit Deiner Mutter erlebt habt? -Na gut, dann weint ihr Beide eben. Aber vielleicht erleichert es Dich und auch ihn. Sonst hieße das ja, ihr könnt nie wieder frei über sie sprechen und vielleicht einmal auch wieder über eine lustige Begebenheit in der Vergangenheit lachen.Ich finde, man muß sich nicht schämen, weil man um einen geliebten Menschen weint.Ich weine jeden Tag und sehr viel. Manchmal muß ich schnell ins Auto springen oder mich irgendwie verstecken, daß ich nicht vor Wildfremden, die garnicht wissen, was los ist aufeinmal losheule.Du siehst, ich bin soviele Jahre älter und weine nachts zusammengerollt in meinem einsamen Bett, wie ein kleines Kind, das sagt:will ihn wieder da haben!" Du solltest trotzdem weiteressen, wenn es Dir schmeckt, Deine Mutter hätte das mit Sicherheit gewollt. Aber ich muß zugeben, mir geht es genauso, ich kann keine Schokolade mehr essen, weil mein Mann sie so geliebt hat.Ich kann mich nicht mehr an der wärmenden Sonne auf der Terasse erfreuen, weil ich weiß, er wäre jetzt da auch gerne gesessen. Ich kann Dich gut verstehen!!Ich weiß, daß in unserer jetzigen Situation eigentlich nichts wirklich hilft,- mir auch nicht.Auch kann ich Dir deshalb keinen Trost geben,- ich habe selbst keinen und nicht die Aussicht darauf, je wieder getröstet zu sein. Und siehst Du, das unterscheidet uns,- Du bist noch jung und Dein Leben wird sich wieder "einpendeln",- sicher langsam, aber Du hast noch Zukunft. Ich habe keine mehr. Ich bin eine Frau in mittleren Jahren (wie man so schön sagt)und die Krankheit und der Tod meines Mannes hat auch mein Leben "gekostet".Ich bin nur noch der unschöne Schatten meiner selbst.
Du hast mir geraten, die Träume nicht mehr "heranzuwünschen". Gut, ich werde es versuchen.Ich werde IHM sagen, er soll sich bloß heute Nacht nicht in meine Träume schleichen...Vielleicht läßt er sich ja "überlisten"!
Auch dieses "betäubt" sein kann ich gut nachfühlen,- ich selbst fühle mich noch wie unter Schock.Ich habe auch "die Aussenwelt" ziemlich ausgeschlossen,- ich lese seit seinem Tod keine Zeitung mehr,stelle das Fernsehgerät nicht mehr an etc.Ich war immer eine große "Leseratte",- ich war seit der Diagnosestellung nicht mehr in der Lage ein Buch zu lesen, mit Ausnahme medizinischer Abhandlungen!!!Du siehst, auch ich bin völlig "weggetreten". Dieses zurückziehen von der Welt solltest Du mir aber nicht nachmachen!!!Bitte!Vergiß nicht,- Du bist jünger!!!!
Ich denke an Dich und freue mich, wenn Du mir schreibst, Du hast ein schönes Essen genossen (es sei denn, Du hättest Übergewicht....-das sollte ein Scherz sein!!)
Gute Nacht,liebe Inke, schlaf ruhig...,Nadine
Mit Zitat antworten