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Alt 27.07.2015, 20:23
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Wie geht es nur weiter?

Liebe Stefanie,

zum Tod Deiner Mama möchte ich Dir mein Beileid aussprechen.
Sie war eine mutige Frau, die nach einem Ausweg gesucht hat, der sie und ihre Liebsten aus einer für sie nicht erträglichen Situation befreit hat.

Das ist etwas, was tiefe Achtung vor diesem Schritt verlangt, wie ich persönlich finde. du brauchst Dir keinerlei Vorwürfe machen. Die Situation war aussichtslos und eine Besserung war dermaßen unwahrscheinlich, dass man einfach davon ausgehen musste, qualvoll an einer schrecklichen Krankheit zu sterben.
Dann kam dazu, dass deine Mama sicher wußte, spürte (mamas wissen so etwas immer), wie schwer die Situation für dich war. Dann kannte deine Mama ihren Mann gut genug um zu wissen, wie unfähig er reagierte, mit der Krankheit leben zu können und ihren schweren Weg mit ihr zu gehen. Das ist auch kein Vorwurf nur eine realistische Einschätzung, wie die Situation ganz konkret aussah.
Sie hat das gemacht, was -deine Mama als eine gute Lösung sah. In Dtl. gibt es halt nicht die Möglichkeit zur Sterbehilfe. Doch warum und wozu sich quälen, wenn das nur Leid und nicht lebenswerte Zeit bedeutet? und dann noch die Liebsten entsetzlich belastet?
Ich selbst bin jung (45), habe kleine Kinder und palliativ erkrankt. auch ich werde sterben, viel zu früh. Und ganz ehrlich: ich sehe keinen Sinn darin, unnötig lange zu leiden und mich quälen zu müssen. Wozu? Um vielleicht 3 Wochen länger zu leben? Nur bettlägerig, ohne Freude empfinden zu können, von mir selbst und meiner Bedürftigkeit angewidert? Unfähig an dem teilzunehmen, was mir wichtig ist: mein Leben??
Ganz ehrlich: da sage ich "NEIN DANKE" !!!! Und kann deine Mutter dafür sehr achten, diese Entscheidung getroffen zu haben und dann einfach war gemacht zu haben. ich wünsche Dir sehr, dass Du nach dem Schock und der tiefen Trauer, die du jetzt durchmachst, den Mut in diesem Tod zu sehen.

Sei hat sich selbst nicht umgebracht, sie hat an sich selbst Sterbehilfe vollzogen!!!!! Einfach, weil unser Staat das nicht anbietet. Und der Weg in die Schweiz mühsam ist und sehr sehr teuer. Wäre sie Schweizerin gewesen, wäre alles ganz anders verlaufen. Sie hat sie sich nur selbst geholfen.

Ich verstehe nicht, warum sich schwerstkranke Menschen (in diesem Fall: ein durchgebrochener Tumor, wie schrecklich ist das denn ???) zu quälen müssen, damit danach alle einen bedeutungsvollen KOmmentar "endlich hat sie es geschafft, endlich ist sie erlöst" dahin hauchen können.
Als wäre es eine besondere Leistung, unendliches Leid bis zum Tod aushalten zu müssen. Die Wahrheit ist doch, dass uns viel zu oft keine Wahl gelassen wird.

Ob es geplant war oder nicht? fragst Du dich? Ich finde, das macht keinen Unterschied. Es wäre doch verheerend gewesen, es vorab zu wissen, oder? Für deine Ma, für dich selbst. Am Ende hätte irgendjemand sie versucht abzuhalten und sie damit in weiteres Leiden gezwungen.

Das, was Dir selbst richtig gut helfen wird, ist jetzt, den Entschluss und die Selbsttötung deiner Mama zu respektieren. Als das was es ist: ein frei bestimmtes Leben und Sterben. Um so ihre Würde zu wahren bis zum Ende. Ich finde, sie hat es verdient, dafür besonders geachtet und bewundert zu werden. Denn leicht fällt einem dieser Schritt ganz bestimmt nicht.

ungeliebte, sich unmöglich verhaltende Verwandtschaft: Kontakt meiden, auf das Nötigste reduzieren. Lass nur die Menschen an dich heran, die dir gut tun.
Achte auf maximalen Selbstschutz.
Umgib dich nur mit Menschen, die Dir helfen, Deine Trauer auszuleben und dich trösten und tragen. Jeden, der die Entscheidung deiner Mama angreift, schiebe ihn weit weg. Zu viele Menschen gibt es, die nicht nachdenken und nur unreflektierte Dinge vor sich her plappern.

Trage Deine wundervolle MAMA im Herzen, ehre und achte sie, die so würdevoll gestorben ist.
klar, es ist ein Schock für die Liebsten, für dich als Tochter. ABER es war für Deine Mama am besten so. Ich konnte selbst von keinem meiner Eltern Abschied nehmen und ich weiß, WIE entsetzlich das ist und wie schwer das die Trauerarbeit macht. Vielleicht magst Du dir wirklich Unterstützung einer Psychologin suchen. Das kann sehr gut helfen.

ich hoffe so sehr, dass ich Dir als selbst-Betroffene eine andere Sichtweise auf den Selbst-Tod deiner Mama anbieten konnte, der dir vielleicht ein kleines bischen weiterhelfen kann.

Alles alles Gute für die nächste Zeit
Birgit
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