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Alt 02.04.2006, 21:20
dorchen83 dorchen83 ist offline
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Standard AW: diffuses Astrozytom III und Strahlentherapie

Hallo liebe Dagmar,

[RIGHT]Ich habe mich erst heute registriert (war früher schonmal im forum, aber ist schon nen bisschen her) und bin deshalb auch erst heute auf deinen eintrag gestoßen.

Das mit deinem Vater tut mir sehr leid! Die ganze Geschichte hat mich stark an meinem Vater erinnert - nur dass sie bei dir im Zeitraffer geschehen ist, weshalb ich dachte, ich antworte dir. Deshalb glaub mir: ich weiss wie es ist. Und wünsche es niemanden.... Nur, dass ich den Vorteil (?) hatte mich schleichend an den Prozess gewöhnen zu können....

Mein Vater wurde auch mit einem inoperablem Astrozytom III diagnostiziert. Er wird ebenfalls mit Tegreatal behandelt und nimmt zudem noch Weihrauchtabletten, Johanniskraut, Vitamin E und seit ein paar Monaten auch noch ein weiteres Mittel gegen Krampfanfälle dessen Namen ich aber leider nicht kenne. Man hat ihm bei der Diagnose 3 Monate bis zu einem Jahr Lebenszeit gegeben und uns sofort gesagt, dass man zwar chemo machen könnte, aber es eigentlich sinnlos wäre. Also haben wir uns dagegen entschieden. Mittlerweile sind 11 Jahre vergangen.

Also du in deinem ersten Beitrag geschrieben hast, wie schnell das alles geht und dass du deshalb die veränderung dem Tegretal zuschreibst, habe ich sofort gedacht: Leider ist es wohl wirklich die Krankheit und nicht das Medikament, weil mein Vater ähnliche Symptome zeigt, die jedoch erst ca. 2 jahre nach der Diagnose schleichend eingesetzt haben, obwohl er schon seit dem ersten Tag Tegretal nimmt.
Bevor mein Vater krank wurde, war er Gymnasiallehrer mit Doktortitel, hat sich stark im sozialen Bereich eingesetzt, spielte Volleyball.... mittlerweile kann er nicht mehr schreiben und lesen und ist wie du meinst, häufig wie ein "KInd". Zumindest ist er in dem SInne für mich auch keine typische Vaterfigur mehr. Da der Prozess jedoch so lange angedauert hab, weiss ich auch nicht, wie es anders sein könnte. Und bei der Diagnose war ich 11, deshalb verblassen die Erinnerungen von der Zeit davor.
Was noch kommen mag frage ich mich in letzter Zeit auch häufig. Meine Brüder sind im Ausland, also bin ich zur zeit die einzige, die meine Mutter unterstützen kann. Ich wohne 1,5 stunden von zu Hause weg (was von der entfernung her noch geht) und fahre meist dann nach Hause, wenn ich gebraucht werde (d.h. wenn ich auf meinen Dad aufpassen muss).
Das Kurzzeitgedächtnis ist schon lange nicht mehr da. Die Sprachschwierigkeiten sowie seine Gleichgewichtsstörungen nehmen täglich zu. Er hat ca. in einwöchigen Abständen einen Krampfanfall. Seine Sicht ist eingeschränkt.
Dennoch ist er meistens gut gelaunt und macht Witze wenn er kann. Ich bewundere ihn dafür sehr. So wie ich meine Mutter bewundere. Ich weiss nicht woher sie all die Kraft nimmt.
Aber irgendwoher kommt wohl die Kraft weiterzumachen. Vielleicht wäre für es für deine mutter gut statt zum Psychologen einfach so einen freien Nachmittag mit ihren freundinnen zu haben, während sie euren Vater gut versorgt weiss. Solche auszeit ist sehr wichtig und die warmen worte von freunden helfen oft mehr als jeder Proffessionelle.
In den Zeiten wo es besonders schlimm ist, sagt mein Vater auch manchmal er will nicht mehr... aber das ist eher selten. Er weiss halt, dass er nicht mehr viel machen kann... (außer musik zu hören... seine große leidenschaft) und das er immer mehr auf Hilfe angewiesen ist und das macht ihn schon traurig. Ich versuche seine Sorgen schon ernst zu nehmen und ihn dann abzulenken, bzw. das ganze mit Humor anzugehen. Humor ist bei uns sehr wichtig, ich glaub sonst könnten wir die Situation nur schwer ertragen. Zum Glück ist er meist von selbst heiter und gut gelaunt, was den Umgang mit seiner Krankheit für alle einfacher macht.
Natürlich ist deine Situation zur Zeit eine andere, es ist alles neu und einfach zum verrückt werden. WÜtend zu sein ist richtig, traurig zu sein ist richtig... was nützt es einem wenn alle sagen, man hatte ja eine schöne zeit? Man will ja nicht dass diese Zeit aufhört....! Auch ich mache mir sorgen um meine Mutter... was ist wenn mein Vater stirbt? Sie hat bisher noch nie allein gelebt... und sie liebt ihn sehr.... andererseits stehen ihr dann auch wieder andere Wege offen... sie könnte wieder reisen, einfach mal in der Stadt bummeln oder sich mit Freunden treffen ohne sich um jemanden zu kümmern, der auf meinen Dad aufpasst oder sich sorgen zu machen und sich zu beeilen möglichst schnell wieder daheim zu sein. Ich weiss das klingt hart, aber das sind so gedanken die ich mir mache.
Warum habe ich dir das alles erzählt? Nun einerseits um dir zu zeigen, dass du wirklich nicht allein bist... und um dir zu zeigen, dass sich auch trotz krankheit ein alltag einpendeln kann und wird. Zudem will ich dir gaaaaaaanz viel Kraft wünschen! Jeder geht anders mit dieser Trauer um - es gibt keinen richtigen und falschen Weg. Du musst tun, was dir gut tut! Ich wünsche dir viele Freunde, die dich auf diesem schweren Weg unterstützen und für dich da sind! LAss dir von niemandem ein schlechtes gewissen einreden! Und mache dir auch selber kein schlechtes gewissen, wenn du mal nicht zu hause sein kannst.... niemand ist ein Übermensch... und manchmal trauen wir unseren Eltern auch weniger zu, als wirklihc in Ihnen steckt. Mich überrascht es immer wie toll und mit welchen Tricks meine Eltern ihren Alltag managen und wenn ich mal daheim bin und abends mit Freunden weggehe und ein schlechtes gewissen deshalb habe, dann sage ich mir: sonst schaffen sie es auch ohne dich...!
Ich wünsche dir alle Kraft der Welt! Du wirst das schaffen ganz bestimmt! Ich halte dich und deine Familie in meinen Gedanken!

Dorchen
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