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Alt 04.05.2017, 19:35
Mugi Mugi ist offline
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Standard AW: Vater unheilbar krank

Hallo an Euch Alle!
Entschuldig, dass ich so lange nichts von mir hab hören lassen. Ich hatte keine Kraft, um ins Forum zu schauen.
Mit meiner Mama ging es rasant bergab. Am Freitag, den 28.4. ist sie um 18:30 friedlich eingeschlafen. Bis 16 Uhr war ich am Freitag noch bei Ihr. Als die Palliativstation angerufen hatte, war der Schock ganz groß. Obwohl man bei einem solchen körperlichen Verfall eigentlich schon jeden Tag mit so einer Meldung rechnet, wirft es dann einen doch komplett aus der Bahn.
Wir hatten noch Pläne gemacht…. Das Palliativ-Team hat wohl selbst nicht damit gerechnet. Für Vorgestern wäre noch der Versuch für den Magenausgang angesetzt gewesen…..
Sie war sehr ruhig, hat viel geschlafen. Sie hat nachher auch ganz friedlich ausgesehen. Aber irgendwie nicht wie sie selbst. Versteht mich nicht falsch – ich bin weder besonders religiös, noch irgendwie esoterisch angehaucht – genau genommen bin ich zwar für alles offen, glaube aber auch nicht wirklich an etwas – als ich sie nach ihrem Tod sah, war mein erster Gedanke „Das ist sie nicht. Sie sieht so anders aus. Das ist sie nicht. Sie ist jetzt wo anders. Das hier ist nur die Hülle“ Dieses Gefühl von mir war so stark. Das ist jetzt der einzige Trost den ich habe. Irgendwo in irgendeiner Form ist sie jetzt. Es geht ihr gut und sie leidet nicht mehr.
Heute ist der erste Tag an dem es mir etwas besser geht. In der Nacht habe ich von ihr geträumt. Es war etwas seltsam. Im Traum wusste ich, dass sie tot ist. Aber wir haben so schön mit einander gesprochen. Uns die Hand gehalten. Sie hat so jung, gesund, liebevoll ausgesehen im Traum. Wie gesagt…. Ich glaube nicht wirklich. War es eine Botschaft? Oder eben nur ein Gespinst meiner Psyche. Eigentlich ist alles möglich….. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir dieser Traum Kraft gibt.
Ich vermisse sie so. Ständig muss ich an sie denken. Wir haben ja zusammen gewohnt. Und in jedem Raum, an jedem Möbelstück kann ich sie in meinen geistigen Auge sehen…..
Jedes Mal, wenn mir klar wird, dass sie nie wieder anrufen wird, ich nie wieder mit ihr sprechen kann, nie wieder ihre Hand halten kann, dann zieht es mir den Boden unter den Füßen weg. Diese Endgültigkeit ist so schmerzhaft.

Vielleicht schreibe ich Euch, wie die letzten Besuche waren. Vielleicht schreibe ich Euch noch etwas mehr von meiner Mama. Aber nicht jetzt. Da ich mich so lange nicht gemeldet habe, möchte ich Euch einmal antworten.
Zuerst einmal: Verbringt viel Zeit mit Euren erkrankten Eltern. Genießt wirklich noch die Zeit, die ihr habt. Ganz wichtig: sprecht Euch aus! Ich konnte das noch. Macht das! Sagt Euch jedes Mal wie sehr Ihr Euch liebt!
So, jetzt zu Euch:

Liebe Gerbera,
Da du gefragt hast: meine Mama war 68. Eine richtige Gedenkfeier für sie ist nicht geplant. Vielleicht machen wir etwas ganz Intimes, Spontanes. Nur meine beiden Geschwister, ich und unsere Partner. Sonst gibt es ja eigentlich niemanden mehr. Meine Mama war Einzelkind. Von ihren Freunden und anderen Verwandten lebt kaum jemand mehr. Mein Vater zählt nicht. Er hat uns verlassen, da war ich ein Jahr alt. Meine Mama hat drei Kinder und ein Haus im Rohbauzustand ganz alleine gemanagt. Er oder seine Familie kamen nie auf die Idee uns einmal zu Fragen ob wir irgendwie Hilfe brauchen würden…
Ansonsten ist eine Seelenmesse in der Kirche geplant. Das hat sich meine Mama so gewünscht.

Liebe Clea,
vielen Dank für deine lieben Worte. Ich lese, dass der Tod Deiner Mama noch nicht lange her ist. Das tut mir schrecklich leid! Wie geht es Dir heute damit? Was machst Du, wenn die Traurigkeit überhandnimmt? Wie holst Du Dir Kraft weiterzumachen?


Liebe Tris,
Du schreibst, dass Du glaubst, Du könntest es nicht aushalten, Deine Mama leiden zu sehen. Du schreibst auch von Deiner Oma. Bei mir war es so, dass die Kraft ganz einfach da war. Sie kam ganz einfach. Bei Deiner Oma war es ja auch so. Ich glaube, diese Kraft kommt einfach aus der Liebe. Deshalb mach Dir jetzt noch keine Sorgen oder große Gedanken. Wenn es deiner Mutter schlechter gehen wird. Wenn das Ende kommt, dann wirst Du irgendwie die Kraft haben. Davon bin ich überzeugt. Mach Dir keine Sorgen oder Angst. Du kannst jetzt in dieser Hinsicht nicht planen oder Dich vorbereiten. Vertraue einfach. Außerdem musst Du nicht stark sein. Du darfst weinen, darfst verzweifelt sein. Das einzig wichtige ist nur, dass Du irgendwie für deine Mama da bist. Wenn Du nicht weißt, was du sagen sollst, dann sag einfach nichts. Halte ihre Hand, gib ihr einen Kuss. Das reicht und das hilft Euch auch. Ganz sicher!
Schön, dass Du deine Klassenfahrt genießen konntest. Schön ist auch, dass Du gefahren bist. Du brauchst Dir keine Sorgen oder ein schlechtes Gewissen deswegen zu machen. Ein bisschen Zeit für Dich selbst brauchst Du einfach, die MUSST Du Dir auch nehmen. Du kannst Deiner Mama nur helfen, wenn Du selbst genug Kraft hast. Außerdem liegt es in der Natur der Dinge, dass Eltern sich wünschen, dass ihre Kinder ihr eigenes Leben leben, dass sie glücklich sein können etc.
Zu den Lebermetastasen: ich möchte Dir keine Angst machen, aber die schlimmen Beschwerden meiner Mama kamen davon. Sie war ja ursprünglich in Wien in Behandlung. Da war die letzte Meldung „naja, eine Chemo würde jetzt mehr schaden als nützen. Wir warten einmal ab und sehen uns beim nächsten Kontrolltermin wieder“. Kein Wort von unheilbar, kein Hinweis auf mögliche Beschwerden oder auf Palliativmöglichkeiten. Deshalb sind wir ja aus allen Wolken gefallen, als die Mama wegen Chemo-induzierter-Anämie und Übelkeit ins Spital (in Niederösterreich) kam und dort dann nach Untersuchungen festgestellt wurde, dass eben keine Hoffnung besteht. Dort wurde auch festgestellt, dass das Wiener Spital schon gewusst haben muss, was kommt. Die Übelkeit hätte man mit einem Magenausgang bzw. einer Magenentlastungssonde lindern können. Damit hätte meine Mama auch noch „normal“ trinken können. Mit einem Port wäre auch die künstliche Ernährung leichter gefallen. Leider war es dafür schon zu spät. In ihrem letzten Lebensmonat konnte sie nicht einmal mehr einen winzig kleinen Schluck trinken. Bis zur totalen körperlichen Erschöpfung hat sie sich erbrechen müssen. Die Lebermetastasen hatten soweit den Magen „abgedrückt“, dass an eine normale Verdauung nicht mehr zu denken war.
Wir hatten damals blind den Wiener Ärzten vertraut. Wir hatten darauf vertraut, dass wir über alles informiert werden würden – und nicht nachgefragt.
Diese palliativen Eingriffe hätte man schon viel früher machen können - müssen. Als es meiner Mama noch besser ging. Dann wäre ihr viel Leid erspart geblieben. Dann wäre sie einfach nur schwächer geworden…..und vielleicht noch friedlicher von uns gegangen.
Deshalb, liebe Tris, fragt bitte bei den Ärzten nach, wie es sich bei Euch entwickeln könnte. Gerade lindernde Eingriffe sollten gemacht werden, solange sie noch möglich sind! Ich weiß, manches möchte man nicht wissen, ansprechen etc. Aber ich finde, dass der Gedanke an den Krebstod alleine schon sehr schlimm ist. Der Gedanke an Leid, Qualen, Schmerz, ist noch viel schlimmer. Wenn man das lindern kann, sollte man es tun! Bittet um Hilfe. Scheut Euch nicht davor, jede erdenkliche Hilfe zu suchen oder anzunehmen. Ärzte, Palliativ-Teams etc. sind dazu da, Euch zu helfen. Das Palliativ-Team meiner Mama war super. Keine Frage war zu viel. Keine Uhrzeit war unmöglich. Wenn man weiß, wohin man sich wenden muss, dann bekommt man auch Hilfe!

So…jetzt habe ich die Beitragsgrenze gesprengt….eigentlich müsste ich wohl ins Hinterbliebenen-Forum wechseln, aber ich glaube, dass ich noch ein wenig bei Euch bleibe. Ich möchte versuchen, etwas für Euch da zu sein. Schüttet Euer Herz aus. Wenn ich Euch etwas trösten kann, dann wäre es mir eine Freude.
Seid aber nicht böse, wenn ich etwas seltener hier sein werde. Es gibt jetzt so viel zu regeln. Morgen hole ich die Sterbeurkund ab. Man mag nicht glauben wie langsam Standesämter sein können….. Dann beginnt der Radau wegen der Erbschaft. Da ich mit meiner Mama zusammen gewohnt habe, muss ich jetzt Strom etc. ummelden. Ich will ja nicht im Finstern sitzen. Also viel Papierkram. Viel zu tun. Dazu gibt es noch Arbeit und Studium…..

Ganz liebe Grüße an Euch!
Ich umarme Euch alle, und danke Euch für Eure lieben Worte.
Eure Mugi
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