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Alt 02.03.2009, 17:49
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Ylva Ylva ist offline
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Registriert seit: 21.10.2005
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Standard AW: Endlich den Mut gefunden...

Liebe Zauberin,

Das alles hätte ich schreiben können.

Ich freue mich, dass du den Mut gefunden hast, zu schreiben - es hilft so sehr.

Die Zeit während der Diagnose, während der Therapie ist geprägt von vielen neuen Eindrücken, von Sorgen, vom Auffangen, vom Helfen, vom Verzweifeln. Geprägt von dem Auseinandersetzen mit dem Thema Krebs der so plötzlich kommt (wo man sich doch immer so sicher fühlt oder sich seine Eltern so sicher denkt), sich in das Leben schleicht und soviel mitnimmt wie ein Dieb...
Man hat soviele Gefühle in sich, man muss viel bewältigen, auch wenn wir "nur" Angehörige sind.
Man fährt mit in die Klinik, ist während der Chemo dabei, infomiert sich über die unterschiedlichsten Therapien und kämpft mit dem Betroffenen. Man versucht da zu sein. Und es ist die Mama die es betrifft. Meine Mama ist auch meine beste Freundin, sie leiden zu sehen war so schlimm für mich.

Und wenn die Therapien dann abgeschlossen sind, kehrt ein wenig Ruhe ein. Aber es ist nichts mehr wie es mal war. Und das Thema Krebs ist kein Kapitel in einem Buch, dass man umblättern kann. Er ist nicht mehr da und doch so präsent. Natürlich darf man sich auch nicht hineinsteigern, nicht ständig denken das wieder etwas ist, aber Gedanken lassen sich so leicht nicht lenken.

Und dann kommt die Angst. Gerne würde ich dir schreiben, dass sie weniger wird, aber sie wird es nicht. Man muss sie akzeptieren, man kommt nicht immer gut damit klar, mal mehr, mal weniger. Auch ich bekomme oft gesagt "Jetzt ist es bald 5 Jahre her, stell dich doch nicht so an, es ist doch wieder alles gut"
Das tut weh. Ich stelle mich doch nicht an , es geht doch auch nicht um soetwas banales wie eine Grippe, ich verzweifel nur ab und zu mal und habe Angst. Aber ist das nicht ganz normal? Ich bin schliesslich nicht aus Eis und habe auch Gefühle.

Mama beschäftigt ihre Erkrankung auch noch immer sehr, phasenweise ist sie depressiv, ängstlich und wenn sie Schmerzen bsp. in den Knochen hat denkt sie sofort an Metastasen (sie ist auch Krankenschwester gewesen und kennt sich dementsprechend auch aus) Du schriebst das du deine Mutter (und auch deinen Vater) so zerbrechlich erlebt hast. Kannst du diese Bilder auch nicht mehr vergessen? Mir geht es so. Meine Mama, meine starke Mama plötzlich so schwach.

Die Tage vor der Nachsorge, das Warten, Zittern, Hoffen und Bangen. Auch das wühlt alles wieder auf, die Tage von damals laufen wie ein Film vor meinen Augen ab. Ich kann dagegen nichts tun. Ich habe es akzeptiert. Ich lasse es zu und dann sage ich, jetzt reicht es und schliesse den Film weg.

ABER wir dürfen auch mal schwach sein, wir dürfen nur nicht zulassen das dies alles die Macht über uns ergreift. Wir sind stärker. DU BIST STARK!!
Durch die Diagnose damals, ist auch vieles intensiver geworden, Mama lebt bewusster, ich lebe bewusster. Wir freuen uns ueber die kleinen Dinge, wir machen das was uns gefällt, wir nehmen uns mehr Zeit für uns zusammen und für uns selber. Der Mistkerl wie du ihn genau richtig nennst, hat uns stärker werden lassen aber auch ängstlicher.

Wie du ja weisst, habe ich auch manchmal Zweifel, ob es gerechtfertigt ist, dass ich hier meine Ängste und Sorgen niederschreibe obwohl ich kein so schweres Päckchen zu tragen habe, wie soviele andere. Aber darum geht es nicht. Es geht darum sich das, was man denkt und fühlt, von der Seele zu schreiben und im schönsten Falle noch Menschen zu finden die einen verstehen. Wenn nicht hier, wo dann, oder?

Liebe Zauberin, ich wünsche dir und deiner Mama alles Gute.
Und ich wünsche Dir, dass du weiterhin den Mut hast hier zu schreiben.

Sei ganz lieb gegrüßt,
Ylva

Geändert von Ylva (02.03.2009 um 17:52 Uhr)
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