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Alt 04.04.2010, 22:25
Benutzerbild von annika33
annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Hallo an alle (und jedem ein frohes Osterfest),

ich würde auch gerne etwas zu diesem Thema beitragen.

Ich bin seinerzeit als Angehörige in das Forum gekommen. Meine Mutter, 2008 unheilbar an Lungenkrebs erkrankt, verstarb im Septemper vergangenen Jahres.

Sie, wie auch ich, und alle die in ihr Krankheitsgeschehen involviert waren, haben uns häufig auch nach dem "wie" gefragt. Mama hatte Angst leiden zu müssen. Ich hatte Angst, dass sie leiden würde müssen, aber auch davor, dieses hilflos mit ansehen zu müssen. Wie schützt man sich davor? Wie geht man da heran, um sich bestmöglich abzusichern? Der legale Weg, der jedem von uns offensteht, ist einmal die Patientenverfügung. Gut, sie regelt natürlich nur bis zu einer gewissen "Toleranzgrenze" die eigenen Belange.

Da möchte ich gerne das Beispiel meiner Großmutter aufgreifen. März 2009 - mehr oder minder unerwartet (wenn man mit 83 Jahren von unerwartet sprechen darf/kann), versagten die Nieren. Oma hatte eine Patientenverfügung, dem Herrgott sei Dank. Medizinisch gesehen wäre es so gewesen, dass man sozusagen "auf Biegen und Brechen" in der Verpflichtung gestanden hätte, auch noch das letzte Quäntchen Leben, welches keines mehr gewesen wäre, zu erhalten. Dialyse, so die Ärzte, sei unter der gesundheitlichen Vorgeschichte keine Option mehr gewesen. Wäre aber eben diese Verfügung nicht existent gewesen, wären wir als Angehörige in der Verpflichtung - , mein Vater u. ich, angesichts dieser Extremsituation gnadenlos überfordert und nicht in der Lage objektiv zu entscheiden, was hätte geschehen können? Ich war froh, dass Oma Zeit ihres Lebens selbstbestimmt und klar orientiert, genau festgelegt hat, soundso hat das zu laufen. Oma verstarb und ich möchte behaupten, dass sie schmerzfrei war dabei, und "sanft" entschlief.

Mama war dann mit ihrem Mann auch bei einem Notar und hat per Patientenverfügung geregelt, was man im Rahmen der Gesetzgebung für sich regeln darf u. kann. Das ist bei weitem nicht alles, was man da regeln kann u. darf, aber doch schon einiges.

Womit ich (endlich! ) den Übergang zur aktiven Sterbehilfe gefunden habe. Aktive Sterbehilfe sollte meines Erachtens immer dann legitim sein, wenn das Leben eines Patienten im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung an die Grenzen dessen stößt, was im Grundgesetz unserer Verfassung ausdrücklich geregelt ist. Nämlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wenn ein Leben nicht mehr als selbiges zu bezeichnen ist, sondern nur noch als das Warten auf Erlösung. Und ich denke wenn dann, nur mal angenommen das würde Gültigkeit finden als Vorschlag, für das "rechtliche Prozedere" 2 Mediziner unabhängig voneinander befinden, dass das Leben alsbald endet, unumkehrbar - dann sollte auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten hin, mündlich oder vorher in Schriftform (da wäre die PV wieder im Spiel), dessen Wunsch Akzeptanz finden. Wenn dieser eben lautet, den Prozess des Sterbens als solchen mildernd zu beschleunigen, dann sollte eben dieser Wunsch, Berücksichtigung finden.

Mein Großvater starb ´97 an den Folgen seiner Prostatakrebserkrankung. Er litt. In der Trauerbegleitung "lernte" ich, dass sich seither viel getan hat, in der Schmerzbehandlung. "Heute muss niemand mehr so leiden!", hörte ich. Nun gut, selbst wenn dem so ist - ich denke so oder so hätte mein Großvater ab einem Zeitpunkt x sein Leben als solches nicht mehr als lebenswert empfunden.

Wenn ich heute so an mich denke, toi toi toi, soweit gesund, und die "automatisierte Krebsangst" durchspinne, dann weiß ich nur eines - ich möchte nicht leiden müssen. Ich möcht aber auch nicht meinen Kindern oder meinen Angehörigen zumuten, dass sie eine Entscheidung zu fällen haben, mit der sie Zeit ihres Lebens evtl. hadern, an der sie knabbern. Man muss es so regeln können, dass jeder Mensch (wie viele Menschen gibt es, die keine Angehörigen haben?!) per Verfügung dererlei Entscheidungen für sich fällen kann und selbige muss im Notfall dann greifen und respektiert werden. Wunschdenken ist das, ich weiß. Aber das wäre mein Beitrag für heute, das, was ich mir wünschen würde.

Liebe Grüße Euch allen

Annika