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Alt 10.12.2010, 13:59
Benutzerbild von annika33
annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: mein Papa gibt auf

Liebe Tatjana,

ich bin hinterblieben. Meine Mama litt ebenfalls unter LK.

Ich blicke zurück, sehe die Dinge aus einer anderen, einer distanzierteren, rückblickenden Perspektive. Und wenn ich nun die Situation Deines Papas betrachte, so wie Du sie schilderst, und versuche Parallelen zu ziehen, zum Verlauf bei meiner Mutter (denn das ist ja die einzige Erfahrung, auf die ich dahingehend zurückgreifen kann), dann kommen dabei folgende Gedanken zustande:

Meine Mutter hat weitestgehend alles über sich ergehen lassen. Es waren etliche, unterschiedliche Chemotherapien, sie hatte Bestrahlungen wegen der Hirnmetas und war immer kämpferisch, wenngleich ihre Motivation mit zunehmender Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes verständlicherweise sank.

Irgendwann, dann "ging nichts mehr". Für mich, die ich ihre so nahe stand, aber dennoch nur Tochter, nicht in der Haut steckend, betrachtete, zusah - ich suchte nach Optionen. Nach Möglichkeiten, um noch etwas zu erreichen.

Manche Menschen sagen, man könne "schlecht loslassen". Ich nenne es: emotional hinterherhängen und erst später begreifen und realisieren.

Heute, wiegesagt mit der Perspektive des Rückblickers, da sehe ich Eure Situation so: Dein Papa steckt in der Haut und fühlt und empfindet. Er kennt seinen Körper und merkt und spürt die Tendenzen. Und er merkt ebenso, in welcher Relation der Aufwand (Chemo/Therapien) und der Nutzen stehen. Wenn seine Lebensqualität durchweg gemindert ist und er sagt, es macht für ihn keinen Sinn MIT den Therapien, dann kann die Zeit, die er hat ohne, bezogen auf die Lebensqualität, hochwertiger sein, als wenn er sich zur nächsten Chemo aufrafft.

Ich weiß , für Dich, für Dein Verständnis bedeutet das, es geht eindeutig in die eine Richtung und es macht Dir Angst und Du bist furchtbar traurig und verzweifelt. Wenn die verbleibende Zeit seines Lebens (von der niemand, niemand mit Bestimmtheit vorhersagen kann, wie lange diese ist) aber für ihn so annehmbarer ist, dann bleibt für Dich irgendwann die Gewissheit, alles richtig gemacht zu haben, wenn Du ihn bei allem was er tut unterstützt und für ihn da bist.

Du schreibst:

Zitat:
jetzt weiß ich ja was kommen wird..
ich weiß nur nicht wann..
es tut so weh..
ich habe so eine angst..
angst vor den tag an dem alles vorbei ist....
Im Grunde ist auch mit den Therapien, die Gewissheit die selbe. Der Zeitfaktor ist eventuell ein anderer. Ich musste lernen, dass es auch hier sowas gibt wie Qualität und Quantität.

"Nicht dem Leben mehr Tage
hinzufügen, sondern den Tagen
mehr Leben geben.”
Cicely Saunders


Du machst schon alles richtig, so wie Du es machst. Du bist an seiner Seite. Das ist wichtig. Das kannst Du tun. Mehr vermag man leider bei so einer Krankheit nicht.

Ich wünsche Deinem Papa alles erdenklich Gute.

Liebe Grüße

Annika
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