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Alt 01.10.2006, 22:05
Norma Norma ist offline
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Registriert seit: 06.11.2005
Beiträge: 1.158
Standard AW: Hilflose Lehrerin

Au weia....da kommt ja EINIGES zusammen!

Da die Erkrankung....da die Pubertät....da die nervende Schule...
Oh oh....

Meine Meinung: da hilft unter anderem GEDULD GEDULD GEDULD.

Liebe Lehrerin,

natürlich weiß das Mädchen um ihren Gesundheitszustand (und bei Lungenmetas sind die Überlebenschancen nun mal reduziert, auch wenn es ihr im Moment gut geht).

Und Chemos bedeuten über JAHRE hinweg: Konzentrationsprobleme, Erschöpfungszustände, Müdigkeit....und mal Himmelhochjauchzend und im nächsten Moment zu Tode betrübt.
Für mich: Alles völlig normal!

Im Übrigen glaube ich nie und nimmer, dass die Unfälle tatsächlich mit ABSICHT herbeigeführt wurden....NIE UND NIMMER!
Wer noch nie Chemotherapien erhalten hat, weiß gar nicht, wie schusselig und unkonzentriert man sein kann!

Also in dieser Hinsicht, liebe Lehrerin, befinden sich deine sämtlichen Kollegen auf dem Holzweg.
Und härter durchgreifen? NIEMALS!

Eher mehr Verständnis zeigen, Gespräche führen, die Eltern einbeziehen und vor allem: dem Mädchen das Gefühl geben, dass es KEIN Mitleid ist, was ihr entgegengebracht wird sondern einzig und allein: VERSTÄNDNIS.
Verständnis, wenn sie launisch ist.
Verständnis, wenn sie Mitschüler anmacht
Verständnis, wenn sie sich zurückzieht.

Wie ICH auf solche Verhaltensweisen reagieren würde?
Launisch: Gespräch suchen und fragen, ob SIE sprechen möchte. Vielleicht hat sie schlecht geschlafen (auch eine bekannte -jahrelang anhaltende- Nebenwirkung NACH Chemotherapien).
Oder sie kann überhaupt nicht erklären, warum sie übel gelaunt ist.
Ok...dann kann sie es eben nicht!
Sie soll aber wissen, dass ihr NIEMAND deswegen böse ist!
Dass es für die Lehrerin kein Problem darstellt.
Dass ihr Zustand akzeptiert und toleriert wird und dass jeder Mensch mal schlecht gelaunt ist.

Anmachen der Mitschüler: Ignorieren, so weit es vertretbar ist. Geht sie zu weit: Streitschlichter einschalten (gibt es bei euch doch auch, oder?) und gemeinsam eine Lösung ausarbeiten.
Immer wieder dem Mädchen das Gefühl vermitteln, dass es für alle schulischen Probleme eine Lösung gibt. IMMER!

Am Schlimmsten aber ist ein eventueller Rückzug!
Rückzug bei einer Krebskranken bedeutet IMMER eine schwere Krise!
Die Gedanken überschlagen sich, die Traurigkeit (auch typisch nach Chemo) will kein Ende nehmen, die Verzweiflung nimmt absolut Überhand!
Da hilft meines Erachtens nur noch: vorsichtig in den Arm nehmen, sofern sie das zulässt! Und: auf GAR KEINEN Fall REDEN! KEIN WORT SAGEN! Jedes Wort (auch nicht gut gemeinte Worte!) ist zuviel! Nur DASEIN, einfach DASEIN....das Mädchen nicht alleine lassen.
Das kann manchmal Minuten dauern, manchmal auch Stunden!
Allerhöchstens (wenn es zu lange andauert) leise fragen, ob sie vielleicht nach Hause möchte (in diesem Zustand möglichst nicht alleine gehen lassen!)

Die Weigerung zu essen, ist für mich eine pubertäre Phase. Da hilft nur: in Ruhe lassen oder versuchen, den Grund der Weigerung zu erfahren.

DU?? musst das Mädchen zum Arzt schicken???
WO sind da die Eltern?
Sie ist doch noch minderjährig!

Und dass eine krebskranke Jugendliche Show´s inszeniert oder mit Suizid droht....NEEEEE!!!

Dieses Mädchen schreit nach HILFE!
Sie kann nicht verstehen, warum es ihr nach eineinhalb Jahren immer noch so dreckig geht, warum sie so launisch und verbiestert ist; warum sie von einem Extrem ins Nächste rutscht.

Wie gesagt: bereits ganz "normale" Jugendliche haben mit der Pubertät Probleme....geschweige denn eine Krebskranke Pubertierende.

Damit dieses Mädchen nicht immer mehr ins Schul-Abseits rutscht (distanzieren der Mitschüler, Mobbing) MUSS die gesamte Klasse aufgeklärt werden. Sie müssen WISSEN, dass sie zwar keine Rücksicht nehmen brauchen aber bei Unstimmigkeiten das GEMEINSAME Gespräch suchen sollen.
Dass alle Launen und Querelen keine bösen Absichten sondern einzig und allein in den ungewissen Zukunftsängsten zu suchen sind (und natürlich durch die Pubertät).

Oh du arme Lehrerin (ehrlich und aufrichtig gemeint!), die Situation ist für dich wahrlich nicht leicht! Und ich glaub dir gerne, dass du dich manchmal überfordert fühlst!
Aber glaub mir, wenn dieses Mädchen immer mehr Druck durch Lehrer und Mitschüler erfährt....KANN das ein Wiederaufflammen der Krebserkrankung bedeuten.
Durch Stress und Druck (und durch Verweigerung der Nahrung) kann das Immunsystem angegriffen werden und gerade ein intaktes Immunsystem kann für eine Krebskranke überlebenswichtig sein!
Wissen auch die Wenigsten, leider.

Ich wünsche dem Mädchen alles Liebe und Gute!
Dir und deinem Kollegium ebenfalls!
Und Zukunftsmusik wäre für mich: alle Pädagogen mit mehr Wissen über an Krebs erkrankte Kinder/Jugendliche zu versorgen...

Herzlichst:
Norma (berentete Schulerfahrene ;-) )
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001
7 Chemotherapien, Brustabnahme, 30 Bestrahlungen, z.Z. Anti-Hormon-Therapie mit Arimidex
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