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Alt 18.12.2005, 17:39
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: ohne Abschied gegangen

Hallo Peggysue,


mein Vater ist letztes Jahr an Darmkrebs gestorben. Er wollte weder mit mir noch mit seiner zweiten Frau (also nicht meine Mutter) über den Tod sprechen. Alles was die möglicherweise tödlichen Konsequenzen der Krankheit anging, war für ihn Tabu, und damit auch für uns. Ich habe nie den Mut aufgebracht das Thema von mir aus anzusprechen. Soweit es ging, habe ich es wohl auch selbst verdrängt. Wir haben zwar über die Behandlungen usw. gesprochen, aber nie über das mögliche "was ist wenn".....

Im Nachhinein habe ich oft gedacht: worüber haben wir alles nicht gesprochen, was hätte man noch alles klären können / MÜSSEN.... und es stand einiges da, was man noch hätte besprechen können (was die letzten ca. 20 Jahre und unsere ganze Familie anging, da war einiges schief gelaufen), und was bestimmt auch gut gewesen wäre (zumindest für mich, jetzt, da ich ja noch da bin).....

Aber mein Vater hat jeden Konflikt oder jedes schwierige Thema gemieden. Die erste Zeit nach seinem Tod habe ich mich sehr gequält mit all dem "warum habe ich nicht.... warum haben wir nicht... man hätte doch.... wenn wenn wenn, hätte hätte hätte....". es hat ziemlich gedauert, bis ich einigermassen akzeptieren konnte dass es nun mal so war wie es war. Vielleicht hätte ich, wenn ich mehr Mut (???) gehabt hätte, mal was von mir aus ansprechen können. Wenigstens VERSUCHEN können, bestimmte Dinge noch zu klären. Es war sehr schwer, mir selbst zuzugestehen dass es nun mal nicht so war. Und zu akzeptieren, dass mein Vater nun mal so war... mir scheint ziemlich sicher, dass er nicht erleichtert auf meinen Vorstoss eingegangen wäre, im Gegenteil bin ich sicher dass ich ihn damit bedrängt hätte. Er war sein ganzes Leben lang ein Verdränger..... In unserer Familie wurden nie die grossen Emotionen gezeigt, wurden nie Probleme thematisiert.

Ich glaube aber auch, dass man lernen kann, die bisher verdrängten Dinge, die unerledigten Dinge für sich selbst noch zu klären und zu erledigen. Dieser eine Mensch ist jetzt zwar nicht mehr da, und natürlich ist es unglaublich schwer sich neben der "normalen" Trauer auch noch mit diesen Gefühlen von Versäumnissen herumzuschlagen. Aber man kann auch einen Weg finden, das zu verarbeiten. Ich hatte zum Glück auch einen Therapeuten der mir dabei geholfen hat. Natürlich ist es auch manchmal noch schwer, diese Gedanken kommen bei mir auch hin und wieder noch auf. Aber inzwischen kann ich es akzeptieren, wie es gewesen ist.

Im übrigen glaube ich nicht, dass ihr seinen letzten Weg nicht gemeinsam gegangen seid. Natürlich kann man immer noch etwas finden was noch getan oder gesagt werden könnte. Aber wir leben hier keine idealen Vorstellungen, sondern eine Wirklichkeit die einem manchmal alle Kräfte raubt, und man schleppt sich von Tag zu Tag. Und manchmal ist man eben auch nur in seinen eigenen Grenzen gefangen. Ich denke, dein Mann wollte es nun mal so, und für ihn ist es vermutlich so richtig gewesen (ohne Aussprachen...). Das ist jetzt zwar schwer für Dich, aber ich denke es ist doch ganz wichtig dass Du Dir sagst, Du hast es für IHN richtig gemacht. Da Du jetzt zurück bleibst, hast Du nun die Aufgabe damit weiter zu leben, wie es war. Und Du musst nun Deinen Weg finden, Deinen Frieden damit zu machen.

Ich habe es übrigens auch erst geschafft meinem Vater im Koma zu sagen, dass ich ihn lieb habe. Er lag zuletzt über 9 Wochen auf der Intensiv, manchmal mag er wacher gewesen sein, sicher waren wir aber fast nie ob er wirklich wusste was passierte. Ich muss allerdings auch sagen dass es mir leichter fiel es ihm zu sagen wenn er anscheinend schlief (????) als wenn er die Augen offen hatte. So war es eben.....

Alles Gute
Kerstin
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