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Alt 21.04.2009, 14:07
anakin anakin ist offline
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Registriert seit: 19.01.2009
Beiträge: 167
Standard Unsere Geschichte (leider sehr sehr lang geworden...)

Hallo an alle lieben Menschen hier,

Ich habe hier schon sehr viel mitgelesen, was mich letztendlich dazu ermutigt hat, auch einen Beitrag ins Angehörigenforun zu schreiben, denn ich habe mich lange nicht so richtig getraut.
Allerdings weiß ich immernoch nicht so genau, wie ich meine Gefühle und meine „ganze Geschichte“ am besten in Worte fassen kann.
Ich fange einfach mal an und zwar an dem Tag, der mein Leben zum ersten Mal total veränderte. Mein Papa hatte vor 12 Jahren einen schweren Unfall mit dreifachem Schädelbasisbruch, mehreren offenen Aterien, die Gehinrbluten verursachten und wochenlangem Koma.
Man sagte uns damals direkt nach der Not OP, wir wissen nicht, ob er die Nacht überlebt. Da war ich gerade 16 Jahre alt geworden und konnte eigentlich gar nicht fassen, was da geschah.
Es folgten Wochen voller Sorgen und Kummer, bis mein Papa aus dem Koma erwachte. Die nächsten 6 Monate waren noch schlimmer. Er litt unter starkem Gedächtnisverlust, Kurzzeitgedächtnis und totaler Verwirrtheit. Es war einfach nur furchtbar. Dann folgte irgendwann monatelange Reha bis er schließlich irgendwann fast wieder voll hergestellt war und sogar wieder arbeiten konnte.
Während der ganzen Zeit ging es mir selber aber dennoch erstaunlich gut. Ich war tapfer, ging zur Schule machte meine Prüfungen und habe selten geweint. Ich habe meine Mama so gut unterstützt, wie ich konnte und mich um meine jüngere Schwester gekümmert.
Erst 4-5 Jahre später folgte bei mir ein totaler Zusammebruch mit Angst- und Panikattacken.
Und eigentlich habe ich die ganze „Geschichte“ mit meinem Vater erst so richtig vor ca. 5 Jahren verarbeitet bzw. meinen Weg gefunden, damit zu leben und es als Erfahrung und eine Art "Lehre" in meinem Leben zu betrachten. Danach ging es mir seelisch immer besser und ich hatte auch keine panischen Ängste mehr.

Leider hatte das Leben für meinen Papa noch mehr in Planung.
Vor 3 Jahren erlitt er 7 Schlaganfälle, die ihn zu einem völlig anderen Menschen haben werden lassen. Er hatte trotz allem sehr viel Glück. Er kann noch recht gut laufen und sprechen aber sonst hat er sehr viele bleibende Schäden davon getragen und es für uns alle nicht einfach.
Aber auch hier haben wir einen Weg gefunden, damit umzugehen und die neue Lebenssituation anzunehmen und uns damit zu arrangieren. Erstaunlicherweise findet man ja immer einen Weg, mit allen Umständen oder Veränderungen irgendwie klarzukommen. Auch wenn es in einem selber ganz anders aussieht...
Soviel zu den Sorgen in meiner Familie. Aber es geht noch weiter...

Vor 11 Jahren (da war ich 17) lernte ich in der Schule meinen heutigen Mann kennen. Er ist mein größtes Glück aber auch gleichzeitig der traurige Grund, warum ich hier im Krebsforum registriert bin...

Auch hier hole ich kurz ein bißchen weiter aus:
Schatzis Vater verstarb im Alter von nur 23 Jahren (4 Monate nach seiner Geburt) an einem Herzfehler. Sein Stiefvater bekam 2005 die Diagnose Prostatakrebs und verstarb (ausgerechnet an dem Geburtstag von meinem Schatz) nur ein Jahr später, im März 2006 im Alter von 51 Jahren.

Wir hatten uns von seinem Tod und der Beerdigung noch nicht mal ansatzweise erholt, da ereilte uns das nächste Unglück. Keine Woche später erfuhren wir, dass Schatzi’s Opa (der Vater seines viel zu früh verstorbenen, leiblichen Vaters) an Leukämie erkrankt war.
Eine Chemo kam nicht in Frage, da auch der Opa einen Herzfehler hatte und ein Spenderherz implantiert bekommen hatte. Dieses ja doch fremde Herz hätte eine Chemo nicht überstanden und so mussten wir von Tag zu Tag zusehen, wie der Krebs ihn zerfrass. Ein halbes Jahr später, auf den Tag genau, nach dem Tod von meinem Schwiegervater, starb auch Opa an den Folgen von Krebs.

In dieser ganzen, schweren Zeit haben wir uns immer wieder gegenseitig aufgebaut und unsere größte Stärke war, dass wir uns Beide hatten und wir wenigstens gesund waren. Welch Ironie des Schicksals...

Letztes Jahr bekamen wir die Diagnose, dass mein Schatz auch Krebs hat - Hodenkrebs. Dass wir den Krebs entdeckt haben, hab ich irgendwie meinem Bauch zu verdanken. Ich hatte einfach ein komisches Gefühl, aber auf nichts spezielles bezogen, es war einfach da... mehr nicht...und irgendwie hat mein Bauch mir gesagt, fühl doch mal ganz genau „da unten“ bei ihm nach. Und da haben wir die Verhärtung zum ersten Mal entdeckt. Ich bin deswegen bestimmt kein Held, aber ich habe schwer damit zu kämpfen, was wohl gewesen wäre, wenn uns nicht der Zufall darauf gestoßen hätte...Zu dem Zeitpunkt dachten wir uns bzgl. dieser Verhärtung ja noch gar nichts schlimmes dabei, denn wir kannten uns mit Hodenkrebs ja auch noch überhaupt nicht aus und wußten nicht, dass das ein Symptom dafür war!
Zum Glück war Schatzi sehr vernünftig und ist sofort in eine urologische Fachklinik gegangen, einfach, damit wir beruhigt sein konnten, dass da nichts schlimmes ist.
Dort erhielten wir leider ziemlich schnell anhand des Ultraschalls schon die Diagnose Hodenkrebs. Wir waren beide völlig schockiert. Wir konnten es überhaupt nicht fassen... Mein Schatz war gerade 27 geworden, wir hatten uns gerade halbwegs von den Todesfällen bekrabbelt und jetzt sollte er das selber haben??? Wir waren zu dem Zeitpunkt mitten in unseren Hochzeitsvorbereitungen, denn wir wollten im Aug heiraten...
Ich weiß bis heute nicht, wie ich wieder vom Krankenhaus nach Hause gekommen bin...Schatzi mußte direkt dableiben.
Der Krebs wurde durch das zufällige Bemerken der Verhärtung (mehr war es nicht, und wir hätten nie gedacht, dass wir einen bösartigen Tumor „in den Händen“ halten) im Anfangsstadium entdeckt und konnte restlos entfernt werden (da der befallene Hoden dann ganz weggenommen wird).

Die Chemo folgte. Er hat die Chemo sehr gut überstanden und wir haben 6 Wochen nachdem sie zu Ende war geheiratet. Mein Schatz wollte auch nicht, dass wir die Hochzeit verschieben, denn er sagte immer: Ich lasse mir doch vom Krebs nicht mein Leben bestimmen.
Ich war jeden Behandlungstag bei ihm, so lange ich in der Klinik bleiben dufte, und diese schwere Zeit hat uns mehr zusammen geschweißt, als ich selber je für möglich gehalten hätten.
Es war für uns noch viel mehr etwas Besonderes zu heiraten, das könnt ihr euch vielleicht vorstellen...trotz seiner Glatze war er für mich der schönste und tollste Mann der Welt und ich war mir noch nie in meinem Leben einer Sache so sehr sicher, wie an dem Tag, an dem wir uns das Ja-Wort gegeben haben.

Nächste Woche jährt sich die Diagnose bei meinem Schatz schon zum ersten Mal...die Zeit vergeht, aber die Ängste und Erinnerungen an diese Zeit sind geblieben. Auch wenn wir ja eine günstige Prognose hatten und haben ist dennoch seitdem nichts mehr wie vorher...für mich war es die reinste Hölle...so hilflos daneben zu stehen und nichts machen zu können. Das Bangen vor den Biopsie, Blut- und CTergebnissen und das GefühlsAuf und Ab, durch das man geht...manchmal können wir beide gar nicht glauben, wie wir das alles gepackt haben...

Ich hoff, ich verletze hier niemanden, denn hier sind ja noch ganz andere Schicksale als unseres...ich möchte nämlich niemanden zu Nahe treten, eben weil wir ja (und daran halte ich auch jeden Tag fest) das große Glück haben, hoffen zu können und zu dürfen, dass wir noch viele Jahre (hoffentlich, hoffentlich) zusammen haben werden und dass der Krebs hoffentlich nie wieder kommen wird...

Manchmal bin ich wirklich total glücklich und dankbar für alles, was sie letztes Jahr für meinen Schatz getan haben und dann auf einmal überkommt mich Wut und so eine tiefe Trauer und dann bin ich den Rest des Tages echt nicht mehr zu gebrauchen...

Ich habe so viele eurer Beiträge gelesen und es hat mir sooo sehr geholfen zu lesen, wie liebevoll sich hier die Menschen, die sich ja auch alle überhaupt nicht kennen, gegenseitig helfen, dass auch mich gern hier bei euch „anschließen“ möchte. Denn auch wenn wir uns noch nie gesehen haben, so verbindet uns alle doch etwas leider sehr trauriges...

Vielen Dank an alle, die meine „Geschichte“ bis zum Ende gelesen haben...ist doch leider sehr lang und stellenweise etwas unbeholfen geworden, obwohl ich noch so viel mehr hätte sagen können....
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