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Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Hallo ihr Lieben,
ich weiß nicht in wie weit ich berechtigt bin jemanden um Rat zu fragen, der in einer solchen misslichen Lage ist. Aber ich mache mir solche Sorgen und weiß einfach nicht mehr weiter. Mein Partner 31 Jahre hatte Anfang dieses Jahres die Diagnose Hodenkrebs. Er ist selbst Arzt und kennt sich aufgrund dessen natürlich gut aus - leider ist er ein sehr verschlossener Mensch und nur die allerengsten (4 Personen) haben die Info das er diese Erkrankung hat. Er hatte noch nie gesundheitliche Beschwerden und ist groß, gesund und sehr stark. Die Diagnose war natürlich der Zusammenbruch seiner heilen Welt. Allerdings war es (in wie weit man das sagen kann) auch ziemliches Glück ihm wurde lediglich der linke Hoden abgenommen und eine Chemo wurde erstmal nicht vorgeschlagen. Er geht leider nicht zu den Nachuntersuchungen, sodass der momentane Stand nicht klar ist - ich hoffe einfach das alles gut ist. Wir waren in dieser schweren Zeit natürlich intensiv zusammen und ich habe versucht wie eine Löwin zu kämpfen und habe nicht einmal vor ihm geweint - in mir war es natürlich anders und ich bin zusammen gebrochen. Nun fast ein halbes Jahr später - ich habe natürlich gemerkt das er sich nicht nur von dem Thema Krebs distanziert (bzw. es versucht) und auch von mir. Er war noch nie jemand dem es schlecht gegangen ist und auch hat er sich noch nie!!! einem Menschen geöffnet. Er frisst alles in sich hinein. Ich war noch die jenige der er sich anvertraut hat. Natürlich gab es "nach" dem Krebs in unserer Beziehung Streiterein, die denke ich bzw. hoffe normal in jeder Beziehung sind. Er hat sich einen Sportwagen gekauft und das hat ihn richtig glücklich gemacht - ich habe versucht es zu unterstützen wie es ging. Richtig fand ich es aber nicht, weil ich denke er möchte sich damit einfach nur ablenken. Dadurch das er selber Arzt ist, ist er täglich mit Krebs Patienten in Kontakt und muss auch diverse Diagnosen übermitteln was es nicht einfacher macht es zu verarbeiten. Ich habe hin und wieder versucht in seine Gefühlswelt einzutauchen aber es kam nur: " Du kannst dich nicht hineinfühlen, du weisst nicht wie es ist jeden Tag aufzuwachen und an Krebs zu denken!" JA GOTT SEI DANK weiß ich es nicht aber ich kann ihn nur unterstützen... Nun gut ich habe mich zurückgezogen und wollte ihm die Zeit geben es zu Verarbeiten... Evtl. war das der falsche Weg... Unsere Streitigkeiten haben in den letzten Wochen zugenommen und auch die Belastung in seiner Klinik. Er hat sich immer mehr distanziert und ist die ein oder andere Nacht nicht nach Hause gekommen... Ich habe es tolerant hingenommen. Seit ein paar Wochen ist er übergangs Weise ausgezogen in eine möbilierte Wohnung, aber wir sind im Kontakt geblieben. Seit einer Woche wollte ich keinen Kontakt mehr damit auch ich einen klaren Kopf bekommen kann. Nun ist er über das Wochenende einfach ins Flugzeug gestiegen und war weg - niemand wusste wo er ist. Seine Eltern nicht und sein bester Freund - die natürlich mich anriefen. Ich mache mir große Vorwürfe da er leider auch ein Problem mit dem Alkohol hat - und ich weiß nicht ob sien Verhalten normal ist oder es sich durch die Krankheit so entwickelt oder ob er mehr Unterstützung gebraucht hat. Wie wolltet ihr damit umgehen alleine oder mit dem Partner? Wird es in der Situation zuviel? Vielen Dank für Eure Hilfe und hoffentlich tollen Antworten die mir weiterhelfen alles zu verstehen! Liebe Grüße... |
#2
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Hallo Schneefloeckchen,
ich kann euch beide verstehen. Auch mir fällt es seit der Diagnose vor einem Jahr in der Partnerschaft nicht leicht. Drüber sprechen kann ich schon, aber im Bett läuft seitdem nicht mehr sehr viel. Das liegt an mir - ich weiß das. Habe seitdem nicht mehr das Verlangen danach (Testo-Werte sind OK). Es fällt mir seit der OP einfach schwer mich fallen zu lassen... Während der ganzen Phase vor nem Jahr war ich schon froh, dass jemand da war. Aber zu viel konnte ich auch nicht vertragen. Muss aber sagen, dass ich eher auch der Mensch bin, der sich zurückzieht und "in sich reinfrisst". Ich weiß dass das nicht gut ist, aber ich kann mich da so schwer ändern. In deiner Situation ist es natürlich besonders schwer. Gerade weil er auch nicht mal zur Nachsorge geht und daher nicht weiß ob alles OK ist. Das erleichtert einen schon immer wieder (wobei die Anspannung kurz vor den Terminen schon da ist). Einen genauen Rat kann ich dir nicht geben - aber glaube mir, es ist auch für ihn nicht einfach. Jedes Zwicken im Körper führt man darauf zurück - jedenfalls bei mir. Dir und euch auf jeden Fall alles alles Gute! Grüße Jürgen |
#3
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Hallo Schneeflöckchen,
was Du schreibst, klingt gar nicht so ungewöhnlich. So wie Du schreibst, hat Dein Freund die Krankheit nicht verarbeitet und die Gedanken haben sich mit der Zeit nicht von allein erledigt. Und jetzt bricht es halt aus, bei manchen ist es Müdigkeit oder Antriebslosigkeit, bei manchen Aggression, manche schieben Schuld auf andere. In einem guten Buch zum Thema Krankheitsbewältigung habe ich gelesen, dass jede Reaktion, solange sie erstmal zum besserfühlen hilft, erlaubt ist, auch wenn sie ungerecht zu anderen ist. Und gerade die wait and See Behandlung ohne chemo ist psychisch für ihn sicher sehr belastend, da kommt es jetzt vielleicht so richtig raus. Ich denke, Du solltest ihm Zeit für seine Lösungsstrategie lassen und Deine Gefühle für Dich ordnen. Schließlich hat nicht nur er die horrorerfahrung der Sterblichkeit erfahren, sondern Du Dein eigenes Problem der Angst um einen geliebten Menschen. Die beiden Dinge kann man nicht vergleichen oder gewichten, dennoch sollten beide verarbeitet werden, damit sie nicht spätfolgen verursachen. Dazu kommt auch noch, dass sich viele nach so einer Krankheit und mit nur einem oder keinem Ei erstmal nicht halb so sexy und zufrieden fühlen wie vorher. In unserem Alter auch gerade wegen Zeugungsfähigkeit und Kinderwunsch. Da muss man sich selber etwas neu entdecken und mögen lernen. Wenn Du kannst, warte auf ihn und lass ihn seinen lösungsweg gehen. Und irgendwann wieder schöne Dinge zusammen erleben, ist auch gut. Egal, ob es Urlaub, Kino, Sport oder anderes ist, Hauptsache auch wieder geniessen und nicht dieses krebsding alles bestimmen lassen. Meine Frau z. b. reibt seit über einem Jahr meine sehr lange und unangenehme rla-Narbe vorm schlafengehen ein. Mittlerweile mag ich meine Narbe deswegen fast... Alles Gute, Ilmarinen |
#4
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Vielen Dank für die tollen Antworten - und das ihr auch mir (als Partnerin) in so einer Situation helfen möchtet.
Natürlich ist diese Zeit sehr schwer gewesen, was mich intensiver an ihn gebunden hat. Bei ihm macht es mir nicht den Anschein, leider... Ich denke es ist wirklich besser, erstmal die Gedanken und alles weitere zu sortieren um dann mit klaren Kopf herraus zufinden, ob eine Beziehung noch Sinn hat. Ich weiß nicht ob er den Krebs auch immer mit mir in Verbindung bringen wird. Schließlich war ich die Einzige die ihm im Krankenhaus die Hand gehalten hat und ihm Halt geben konnte. Wie beschrieben, er ist wahnsinnig verschlossen. Wir waren gemeinsam im Kinderwunschzentrum und wurden erfolglos weggeschickt usw. alles Gedanken und Erinnerungen vor denen man(n) wahrscheinlich flüchtet. Ich selbst tue mir in dieser Situation sehr schwer und möchte ihn nicht im Stich lassen - und ich liebe ihn wirklich wahnsinnig! Vielen Dank für Eure Unterstützung! |
#5
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Ich habe zwar keinen Hodenkrebs, aber ich kann deinen freund sehr gut verstehen. Ich habe vor etwa 2 Monaten die Diagnose Anaplastisches Astrozytom WHO 3 bekommen. Das ist ein bösartiger Hirntumor. Nun bekomme ich Bestrahlung. Ich bin gerade 24 und komme mit der Situation zeitweise auch nur sehr schlecht klar und weis nicht, wie ich diese schwarzen Gedanken loswerden kann. Wenn jemand da nützliche Tips hat wäre es super. Die werden der Threaderstellerin sicher auch helfen.
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#6
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Hallo Chris,
das tut mir sehr leid. Ich bin mir sicher das hier jeder der mit Krebs in Berührung gekommen ist, gut aufgefangen wird. Selbst ich finde die Beiträge wirklich super, sie geben mir die Gewissheit das auch ich nicht alleine damit bin und sich viele in meine oder die Situation von meinem "Ex-" Freund hineindenken können. Ich hoffe wirklich das nicht nur dein Körper die Kraft aufbringt die Bestrahlung durchzustehen sondern auch deine Psyche. Ich denke die Belastung des letzteren wird oft unterschätzt. Alles Gute und Liebe von Herzen für dich!! |
#7
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Ich wollte euch nur schreiben was alles passiert ist...
Unsere Beziehung hat es nicht überlebt, seit 31.12.2011 ist er ausgezogen und hat sich eine eigene Wohnung genommen. Ich konnte damit gar nicht umgehen musste Antidepressiva nehmen und war total am Boden - nicht die Tatsache verlassen zu werden sondern ihn alleine zu lassen hat mich kaputt gemacht. Seit 2 Wochen geht es mir besser und ich verzichte auf die Tabletten. Ich war viel mit meinen Freundinnen unterwegs habe mir einen Mitbewohner gesucht und mein Leben geregelt. Wir standen immer noch im Kontakt - ich habe ihn gebeten sich nicht mehr zu melden damit ich mit der Beziehung abschließen kann. Er hat es akzeptiert und hat sich immer wieder gemeldet - seit einer Woche ist Funkstille was nun die ganze Zeit mein Wunsch war. Jetzt mache ich mir Gedanken wie es ihm wohl geht usw. Ich glaube wirklich die intensive Zeit während dem Krebs hat mich so fest an ihn gebunden das es mir mein Herz bricht - und ihn, hat es wohl immer mehr von mir entfernt... Ich lerne jetzt andere Männer kennen, date sie und hab auch viel Spass. Aber im Hinterkopf ist immer nur ER. Ich wünsche Euch viel viel Kraft und alles Gute - bitte denkt aber auch an euren Partner der ebenfalls leidet und versuchen muss mit sowas umzugehen! Meinen größten Respekt an euch ALLE!! |
#8
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AW: Psychische Nachfolgen Hodenkrebs
Seit dem 1. Juni bin ich auch so einer. Seit dem 5. Juni bin ich ihn los und muss bis mitte Juli abwarten.
Ich habe den ganzen Beitrag gelesen und mir etwas anderes erhofft. Ich habe ihn dann trotzdem zu Ende gelesen, das Ende war wie in einem schlechten Buch absehbar. Deshalb habe ich mich in diesem Forum registriert (2 andere Beiträge habe ich auch noch gelesen - da werde ich auch noch was schreiben...). Mein Kommentar: Ich (bzw. wir Männer auch ohne Krebs) brauche eine Freundin, die mich unterstützt und Mut macht (egal was ich mache) und keine Mutti, die mir Ratschläge in Befehlsform erteilt, die im Streit ausarten. Zumal der Patient offensichtlich Arzt ist... Meine psychologischen Nachfolgen sind andere: Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Jedes Schmerzchen fühlt sich wie ein vergrösserter Lymphknoten an usw... Zum Glück habe ich aber eine super Freundin, die mir auch sagt, dass Kinder haben nicht sooo wichtig ist. Und Unkraut wie ich, nicht so schnell vergeht... |
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