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  #1  
Alt 26.04.2007, 11:54
estella estella ist offline
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Beiträge: 223
Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Ela,
danke für die Antwort-heute früh kam mein Vater mit dem Befund der Endoskopie: er hat ein Adenokarzinom. Ein Teil seines Magens ist ebenfalls befallen. So viel habe ich verstanden. Der Rest war ein Text voller Begriffe, die mich mal hoffen ließen, mal zum weinen brachten, weil ich den Eindruck hatte, dass alles zu spät ist. In der Tat hatte mein Vater einiges falsch verstanden: mein Bruder und ich gehen morgen mit ihm ins Virchow, wo er seinen behandelnden Onkologen kennenlernen wird. Der wird uns vermutlich über alle weitern Schritte aufklären, ob er sofort operiert wird oder er eine andere Behandlung vor der OP braucht. Mein Vater lebt ebenfalls in Berlin, getrennt von meiner Mutter, die nach Madrid gezogen ist...ich mache mir Gedanken um seine Versorgung. Mein Bruder und ich arbeiten und haben beide kleine Kinder. Pablo, mein Sohn, ist gerade mal 14 Monate alt...so wie ich das verstanden habe, sind die Patienten nach der OP schwach und müssen liebevoll und ordentlich umsorgt werden. Bin sehr durch den Wind - mein Bruder und ich weinen viel. Habe Angst vor dem, was uns morgen der Arzt sagen wird...
Danke noch mal,
estella
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  #2  
Alt 26.04.2007, 13:46
ulla46 ulla46 ist offline
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Estella,
es ist ein trauriger Grund, dieses Forum zu betreten, deshalb ein besonders herzliches Willkommen. Du findest hier Betroffene und Angehörige und ganz viele unterschiedliche Krankheitsverläufe. Deshalb wird dir keiner jetzt sagen können, was konkret auf deinen Vater und euch zukommt. Du bist jetzt erst einmal mit einem Riesenberg von Infos und einen Wust von Gefühlen konfrontiert, die einen zu erschlagen scheinen. Aber warte den Termin im Virchow ab. Dort wird man euch genau die Vorgehensweise erklären, die man speziell für deinen Vater als richtig empfindet. Nimm dir etwas zu schreiben mit und mache dir Notizen. Wenn etwas unklar ist, frage direkt nach. Gut informiert zu sein ist eine gute Hilfe gegen die Angst, die mit Sicherheit auch dein Vater hat. Dass er so ruhig ist, hat nichts zu bedeuten. Ich bin ja selbst betroffen und als ich die Diagnose erhielt, war meine Tochter dabei. Ich kann mich garnicht mehr daran richtig erinnern, da ist ein schwarzes Loch, aber meine Tochter sagte mir später, ich wäre die Ruhe in Person gewesen, hätte sie zu beruhigen versucht usw. Das war aber nur meine Art, mit dem Chaos in mir und der Angst jetzt bald sterben zu müssen, irgendwie klar zu kommen.
Aber die Psyche und auch der Körper ist zu unglaublichen Dingen befähigt. Nach einer gewissen Zeit "gewöhnt" er sich auch an die Ausnahmesituation. Das kannst du dir vielleicht jetzt nicht vorstellen, aber das ist meist so.
Die Diagnose muss kein Todesurteil sein!!! Ich wünsche euch von Herzen, dass eure Verzweiflung bald der Hoffnung weichen wird!
Ich drücke auch ganz fest die Daumen, dass keine Metas gefunden werden.
Schenke deinem Vater ein Foto eines Enkels. Er ist das Symbol für Hoffnung und Zukunft. Ich war auch gerade zum ersten Mal Oma geworden, als die Diagnose kam. Mein Enkelkind war als Foto immer an meinem Bett um mich daran zu erinnern, dass es sich lohnt zu kämpfen. Schließlich wollte ich doch miterleben, wie sie groß wird. VIelleicht hilft das deinem Vater auch in dieser schweren Zeit.
Ulla
__________________
SPK 2005, ED T4, Nx, Mx, G2. Chemo und anschl. Chemoradiatio bis Ende 2005. Seitdem ohne Befund.
www.mein-krebs.de
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  #3  
Alt 26.04.2007, 19:17
estella estella ist offline
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Ulla,

vielen Dank für die wichtigen Tips (Schreibheft, Fotos) und die hoffnungsvolle Aufmunterung! Ich habe deine Geschichte verfolgt und bewundere deine Einstellung. Obschon mein Vater ein imposanter Ibero-Mann ist, weiß ich nicht, ob er ein Kämpfer ist...seine Art mit dem Befund umzugehen ist davor zu fliehen. Jedes Thema, das ihn interessiert googelt er an - über seine Krankheit hat er sich nicht informiert. Einerseits bin ich froh -so kann er das Abendessen für 16 Personen, das er am Samstag ausrichten wird, in vollen Zügen genießen- andererseits habe ich Angst, dass er in eine Depression fällt, wenn ihm bewußt wird, dass er keinen "Schnupfen" hat. Durch die detaillierten OP Berichte (Vor der OP, nach der OP), konnte ich mir in gutes Bild über den komplexen Vorgang des Eingriffs machen. Als ich ihn davon berichtete, erschrack er. Er hatte mit einer kleinen OP gerechnet - einem Eingriff, der nicht mehr als zwei Stunden dauert. Mir graut vor morgen, zeitgleich ist das der Anfang, um diese Bestie auszumerzen.
Werde morgen berichten und danke!
estella
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  #4  
Alt 26.04.2007, 19:34
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_Viola_ _Viola_ ist offline
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Estalla,

ich weiß aus eigener Erfahrung wie Du und der Rest der Familie sich fühlen.
Nach Erhalt der Diagnose ist es, als wenn einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Aber Ihr müsst jetzt stark sein, denn Eure Kräfte braucht Ihr noch.

Ich würde Euch raten auch zu den Arztgesprächen zu gehen. Ich war immer mit dabei, mein Vater wollte es so. Dadurch baut Ihr selbst auch ein Verhältnis zu den jeweiligen Ärzten auf.

Auch mein Vater hat lange gewartet, bis er uns von den Schluckbeschwerden erzählt hat und wenn er sich nicht verhoben hätte, wo wir unseren Hausarzt rufen mussten, hätte er vielleicht auch da noch nichts gesagt. Bei meinem Vater ging alles ziemlich schnell. Freitag war unser Hausarzt da, dem hat er von den Schluckbeschwerden erzählt. Sonntag ist er dann in die Klinik, Dienstag Diagnose Speiseröhrenkrebs und 2 Wochen später war die OP. Von der OP hat er sich auch ganz schnell erholt.

Sag Deinem Vater, dass er jetzt kämpfen muss, dann kommt er danach auch schnell wieder auf die Beine. Falls bei Deinem Vater vorher keine Chemo gemacht wird, dann besteht darauf, dass danach eine leichte, zur Vorbeugung gemacht wird. Das haben wir leider versäumt. Zu meinem Vater wurde gesagt, dass der Tumor im Anfangsstadium war, alles entfernt wurde und er zu 99,9 % nie wieder Krebs bekommen wird. Die Aussage war leider nicht richtig. Eine leichte Chemo danach hätte das vielleicht verhindert.

Ich wünsche Deinem Vater alles Gute und Euch allen ganz viel Kraft für die kommende Zeit!

Liebe Grüße
Viola
__________________
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  #5  
Alt 26.04.2007, 22:44
estella estella ist offline
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Viola,
auch dir vielen Dank für deine Worte-ich habe eben Fotos deines Vaters angesehen, der meinem sehr ähnlich ist. Seine Geschichte habe ich in diesem letzten Tag verfolgt und als ich las, dass er gestorben ist, nahm mich das sehr mit. Um so schöner, dass du anderen Mut machst mit dem, was ihr erlebt und erfahren habt. Bin jetzt sehr müde. Kann nicht fassen, dass unser Leben sich von einer Nacht zur nächsten umgedreht hat, dass alles, was mir gestern Mittag noch wichtig erschien, überhaupt keine Bedeutung hat.
Gehe mit Angst, aber durch eure Unterstützung gestärkt, morgen ins Virchow.
Danke,
estella
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  #6  
Alt 26.04.2007, 23:21
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_Viola_ _Viola_ ist offline
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Liebe Estella,

ich weiß, wie Du Dich fühlst. Du hast recht, von einem Moment sind Dinge, die vorher wichtig waren, total nebensächlich. Die Welt ist auf einmal eine ganz andere. Es ist schwer mit dem Gedanken an diese Krankheit klar zu kommen. Es wird auch immer Höhen und Tiefen geben.

Man darf die Hoffnung nie aufgeben. Auch wir haben bis zum Schluss auf ein Wunder gehofft. Aber nicht alle Erkrankungen enden wie bei meinem Vater. Es gibt auch viele, die diese schlimme Krankheit überlebt haben und denen es auch jetzt, nach Jahren, noch gut geht.

Deinem Vater steht noch alles bevor, der Weg wird nicht einfach, aber er ist zu schaffen. Wichtig ist, dass ihm seine Familie zur Seite steht und ihn unterstützt. Die Liebe seiner Familie wird ihm Kraft geben.

Dieses Forum war für mich, in der Zeit, als mein Vater krank war, der Mittelpunkt. Ohne die lieben, mitfühlenden Menschen hätte ich die schlimme Zeit nicht überstanden. Ich bin heute noch dankbar, dass ich hier meine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen konnte. Deshalb versuche ich hier zu helfen. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass man sich hier austauschen kann.

Alles Gute!

Liebe Grüße
Viola
__________________
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  #7  
Alt 27.04.2007, 13:12
estella estella ist offline
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Standard AW: Verzweifelt, traurig und wütend

Hallo,
zurück aus dem Virchow. Alles lief anders ab als gedacht, leider nicht die Diagnose des Assistenzarztes. Beinah wären wir heute früh zu spät zum Termin gekommen, da die Strassen Berlins voll gestopft waren mit LKWs, die ihre Waren entluden. Als wir endlich vor der Anmeldung standen stellte sich heraus, dass niemand mit meinem Vater gerechnet hatte. Ich hatte mir vorgestellt, dass uns sein behandelnder Onkologe in "Empfang" nehmen würde. Statt dessen warteten wir zusammen mit vielen anderen Patienten im Warteraum auf den Arzt, der gerade Visite machte. Nach fast drei Stunden wurden wir reingebeten. Wie von Ulla empfohlen, hatte ich Stift und Block parat, was den jungen Assistenzarzt zu beeindrucken schien - er nahm mir gegenüber sofort eine "professionelle" Haltung ein. Da ich mich (ua. auch dank dieses Forums) gut vorbereitet fühlte, konnte ich sehr präzise Fragen stellen. Mein Vater saß neben mir blass, verängstigt und als ob ihm zum ersten mal klar werden würde, wie schlimm sein Befund ist. Ich konzentrierte mich auf das junge Gesichts des Arztes, denn wenn immer ich meinen Vater ansah, mußte ich mit den Tränen kämpfen. Meinem Bruder Esteban ging es nicht anders. Er ist so traurig, dass es mein Herz bricht. Montag gehts weiter, dann wird per Ultraschall geklärt werden, ob es Metastasen in der Leber gibt. Dann natürlich Lunge, Halsschlagader uvm. Am 8.5 wird er eingeweisen, am gleichen Tag kommt eine Endoskopie der besonderen Art, mit Ultraschall, um genau zu sehen, wie tief der Tumor ist. Der junge Arzt drückte sich sehr verschwommen aus, sicher um uns zu schonen, aber dadurch mußte ich viel nachfragen. Der Chirurg, der ihn operieren wird, heißt Dr.Schumann. Es gibt die Möglichkeit ihn anzumailen, was ich nach Montag, wenn wir mehr über die Leber wissen, auch machen werde. Als ich gestern schlafen ging, tat ich es mit dem Gefühl, dass mein Vater es schafft, dass es schwer wird, aber dass er ein starker Mann ist...jetzt habe ich Angst , mit etwas vorzumachen. Ich will den Tumor nicht unterschätzen, will nicht naiv positiv sein, in dem ich sage: "Kämpfe nur, dann überlebst du!" - das tat dieser junge Mann, namens Micha auch. Seine Beiträge fand ich unglaublich positiv. Als ich später las, dass er gestorben ist, konnte ich es nicht fassen. Andererseits lebt mein Vater. Er fährt Fahrrad, er läuft zu schnell die Treppen hoch, bis er zu uns in den fünften Stock gelangt, er lacht laut, er kocht gerne (aber nicht besonders gut...), er tollt mit seinen drei Enkelkinder rum, er hört viel zu laut klassische Musik...er ist so viel vitaler als viele Menschen Mitte dreissig. Das zählt doch auch, oder? Das Schreiben erleichtert mich sehr, danke allen, die die Geduld aufbringen, es zu lesen,
estella
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