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  #1  
Alt 02.12.2010, 20:43
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Liebe Mitleser/innen, der Beitrag von Andrea spricht mir aus der Seele, deshalb kann ich gar nicht umhin dazu etwas zu schreiben.

"Loslassen", ich weiß gar nicht, was ich loslassen sollte: meine Erinnerung, meine Lebensprägung durch die gemeinsame, lange Zeit mit meinem Mann?

Ich kann mich jetzt nicht neu erfinden, aber ich kann vorwärts-leben.
Ich halte Zwiesprache, aber nicht weil ich ohne den Rat meines Mannes nicht auskomme, sondern aus Verbundenheit und Teilhabe meiner Vergangenheit in der Gegenwart - und das empfinde ich weder schwarzseherisch noch düster, im Gegenteil, das gibt mir Beständigkeit.


Freundliche Grüße
Geske
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  #2  
Alt 03.12.2010, 07:24
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mascha2600 mascha2600 ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Guten Morgen Geske,
Du hast recht und hast es völlig auf den Punkt gebracht:
Wieso sollte "der Hinterbliebene" sich auch völlig neu erfinden ? Dies würde ja bedeuten, dass das "alte" Leben - ich will jetzt nich sagen "schlecht" gewesen - aber evtl. unnütz, bzw. nicht "gut" gewesen. Es erinnert mich ein wenig an die Sprüche wie "den Krebs als Chance" nutzen, "positive" Aspekte des Krebs usw. usw. die mir begegneten, als ich krank wurde.

Ich finde die "Zwiesprache" mit einem Verstorbenen weder unsinnig, noch schlecht oder realitätsfern. Es zeigt einfach, dass man mit diesem Menschen über den Tod hinaus verbunden ist und das ist gut so !! Was mich anbelangt, so "rede" ich selbst 23 Jahre nach dem Tod meiner Mutter noch mit ihr, will sagen, dass ich mich oft frage, wie sie in der einen oder anderen Situation reagiert, oder was sie gesagt hätte.

Inzwischen kenne ich beide Seiten: Einmal als Angehörige (meine Mutter starb 1987 an BK, mein Vater 2007) und als Betroffene (seit 2007 BK).
Niemals könnte ich mein "altes" Leben hinter mir lassen. Meine Eltern gehören zu meinem Leben dazu und durch meine Erinnerungen bleiben sie es auch. Was mich anbelangt, hatte ich schon mal geschrieben, dass ich hoffe (wenn bei mir der Sensenmann klopft), dass ich auch nach meinem Tod zum Leben meines Mannes dazugehöre, auch wenn er - was ich hoffe - irgendwann mal eine neue Partnerin haben sollte.

LG Chris
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  #3  
Alt 04.12.2010, 02:11
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Lächeln AW: Hinterblieben, nur wo?

"es is, wie's is"

"es kommt, wie's kommt" füge ich hinzu. Myriam hat gesehen, in welche Missverständnisse ich mich festbeisse. Sie hat mir diese beiden Sätze in den Mund/die Finger gelegt. Nicht einfach so. Sie wollte es so. Genau so, wie sie es zulässt, dass ich mich an ihr festhalte, Nicht nur passiv sondern aktiv: sie streckt mir ihre Hand entgegen. Zum Teil direkt, indem sie meine führt. Zum Teil indirekt durch andere Menschen. Den letzten Beitrag hab ich mit Wiederwillen abgeschickt. Wusste nicht warum. War iritiert, konfus. Ich weiss jetzt warum.

Ich habe lange nicht schlafen können heute Nacht. War noch spazieren in einem kleinen Ort in der Pfalz. Anschliessend Fernsehen geschaut. Ein Kriegsfilm. Frankreich, 1940, eine kleine Stadt am Meer. Die Franzosen ohne Möglichkeiten der Gegenwehr. Vor sich die Deutschen, welche unaufhaltsam näher rücken, hinter sich das Meer. Keine Möglichkeit der Flucht. Sinnlose Versuche dem absehbaren Desaster über das Meer zu entkommen. Die Soldaten, die Zivilisten in der Stadt, sie alle versuchen verzeifelt ein Stückchen Normalität zu gewinnen, zu erhalten, zu verteidigen. Desillusioniert einerseits, andererseits voller Träume und Hoffnung auf das Glück. Das Happyend greifbar nahe, stirbt der "Held" der Geschichte an einer Kugel.

Ich habe versucht, ein anderes Programm ein zu schalten. Die Fernbedienung funktionierte nicht. Hab den Film bis zum Ende gesehen und dann am Fernseher ausgeschaltet.

Heute morgen stellte ich verblüfft fest: auf dem Boden vorm Bett lag eine Batterie. Die Fernbedienung konnte nicht funktionieren. Absicht? Zufall? Nein. Was sagt mir dieser Film? Ich weiss es noch nicht. Vielleicht ganz vage seh ich Parallelen. Oder doch nicht? Ich meine nicht den Schluss. Ich meine die Handlung bis dahin. Ich sollte diesen Film sehen. Das ist für mich eindeutig. Ohne Zweifel.

Ich hab ein neues Navi. Mein altes ist kaputt. Habs am Mittwoch gekauft und muss mich noch dran gewöhnen. Also hab ich einfach "nach Hause" eingeben obwohl ich den Weg im Schlaf kenne. OK, es schlägt den Weg über die Autobahn vor. Einverstanden. Jedoch, anstatt mich nach links Richtung Autobahn zu leiten, wie gewohnt, geht es Richtung Westen. Na gut, fahr ich halt so. Im Westen, da ist Waghäusel. Moment, da ist die Wallfahrtskirche! Da war ich schon mal drinn. Ist sie offen heute Morgen? Ich fahr da hin, gleich neben der Landstrasse. Sie ist offen, ich komme mitten in eine Messe. Gut besucht, was mich verwundert am Freitagmorgen. Egal, ich gehe leise rein und setz mich in eine Bank.

In der Lesung: Jesus hat Blinde geheilt. Blinde? Ich grinse innerlich. Ja, er hat Menschen geheilt, die nicht sehen können, ihr Augenlicht verloren haben. Nur die, die ihr Augenlicht verloren haben, fragt der Priester? Nein! Auch solche, die ihr inneres Augenlicht, ihren Glauben, ihr Vertrauen verloren haben. Gedanken, meine Ängste, das Gespräch vom letzten Abend. Auch ich war blind. Zu blind, um zu sehen!

"Myriam ist da! Nicht weil ich sie nicht loslasse, sondern weil sie es will"

Ganz entspannt und gemütlich führ ich nach Hause. Lächelnd, lachend. Über mich, über Myriam. Frei. Ich kann atmen. Ich bin mir bewusst, dass es nicht das Ende meiner Trauer ist. Ich bin mir nur bewusst, dass ich mich festhalten darf und kann. Ohne Gewissenbisse. Dass "Loslassen" auch Schmerz bedeuten kann.

Heute Abend war ich im Computerclub. Ich habe einen Schlüssel für das Tor zum Werksgelände der Stadtwerke, wo wir einen Raum gemietet haben. Das Tor lies sich nicht verriegeln! Das Loch im Boden für den Stab in der Mitte war verstopft, zugefroren. Egal. Es bleibt offen! (Natürlich hab ich den Notdienst angerufen und Bescheid gegeben von zu Hause. Alles geregelt,)

Ein bischen zuviel Zufälle für zwei Tage, oder?

Ich will dich nicht "loslassen". Ich will die Tür zu deinem Zimmer wieder öffnen, den Schlüssel dazu wegwerfen, damit ich nicht mehr zuschliessen kann. Ich freue mich, wenn du da bist. Ich bin vielleicht traurig, doch nicht verzweifelt, wenn du mal nicht da bist. Ich weiss, dass du da bist, wenn ich dich brauche. Du stehst gerade neben mir. Obwohl ich dich gerade mal nicht brauche .

Hab ich dir schon mal gesagt, wie genial du bist ? ...... Was meinst du? ..... Najaaaa, schon. Ist jedoch schon lange her. Zu lange.


In Liebe und Dankbarkeit

Helmut

PS: Danke für euer Mitgefühl. Danke für eure Gedanken!
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  #4  
Alt 04.12.2010, 07:28
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Karolinchen Karolinchen ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Ich wünschte ich hätte auch solche Zufälle erlebt... Leider kam bei mir bisher noch kein Zeichen an... Außer dass ich vom Pferd fiel und das Pferd über mich drüberlief und mir nichts schlimmes passiert ist, obwohl ich echt Schmerzen hatte und nachdem ich nochmal auf dem Pferd war bin ich ins Krankenhaus gefahren. Komischerweise ist mein Bein weder dick geworden noch wirklich blau, dabei hat das Pferd draufgestanden und am selben Tag konnte ich beim Autofahren die Kupplung nicht mehr treten, konnte meinen Fuß nicht hochheben oder runterdrücken
Die Ärzte meinten dass es am nächsten Tag sicher schlimmer würde, wurde es aber nicht, im Gegenteil. Aber ob das ein Zeichen ist, ich weiß es nicht.

Bei mir ist nichts verschwunden oder anderswo aufgetaucht oder der TV funktionierte nicht - dabei warte und warte ich die ganze Zeit auf ein Zeichen. Aber es kommt keins

Andererseits denke ich auch oft, ob er mich gerade sehen kann? Ich hoffe dass er mich nicht IMMER sieht, der Gedanke macht mir ein wenig Angst, dass er ALLES sehen könnte was ich tue...
__________________
Papa (20.12.1949-03.10.2010) -
die Zeit die ich mit Dir haben durfte war schön, ich wünschte Du hättest mehr davon gehabt - ich hoffe es geht Dir besser da wo Du jetzt bist! Und ich hoffe Du kannst mich von irgendwo noch sehen und an meinem Leben teilhaben, wenn Deins schon so plötzlich enden musste .
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  #5  
Alt 04.12.2010, 19:24
Geske Geske ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Zitat:
Zitat von mascha2600 Beitrag anzeigen
Was mich anbelangt, hatte ich schon mal geschrieben, dass ich hoffe (wenn bei mir der Sensenmann klopft), dass ich auch nach meinem Tod zum Leben meines Mannes dazugehöre, auch wenn er - was ich hoffe - irgendwann mal eine neue Partnerin haben sollte.
LG Chris
Liebe Chris,
ich könnte das gar nicht trennen, mein Mann gehört weiterhin zu mir - geistig. Dennoch ist ein neuer Lebenabschnitt für den Hinterbliebenen unumgänglich.
Ich lebe seit zwei Jahren allein und bin mit dieser Situation, die ich nicht wollte, nicht unglücklich.
Mein Mann hatte mit 33 Jahren das erstemal Krebs, ich war damals 21 Jahre alt, wir kannten uns schon vorher. Wir haben dann noch 35 Jahre zusammen erlebt, für die ich dankbar bin. Die Erkrankung lief immer mehr oder weniger mit, mein Mann hatte immer Zuversicht.
Ich wünsche Dir ebenfalls diese Zuversicht.

Liebe Grüße
Geske
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  #6  
Alt 05.12.2010, 00:47
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Liebes Karolinchen,

ich kann dich sehr gut verstehen und möchte dich nicht erschrecken. Du suchst deinen Vater. Du vermisst ihn. Du brauchst ihn gerade jetzt.

Für deinen Vater gibt es das, was wir "Zeit" nennen nicht mehr. Sein Leben ist jetzt anders organisiert (wenn ich mal so sagen darf). Wie? Keine Ahnung. Lass dir Zeit. Wir sind ja noch darin gefangen. Vorallem, lass es zu, dass er zu dir kommt. Zulassen. Das ist was anderes als suchen, verlangen, vermissen, tiefste Trauer. Vielleicht verstehst du (noch) nicht, was ich damit sagen will. Deshalb schrieb ich von "erschrecken". Lass dir die Zeit zum Verstehen. Lass dir Zeit für Gefühle. Niemand kann in die Hände klatschen und wird wach.

War er nicht schon bei dir? Du hast doch selbst davon geschrieben?


Liebe Mascha,

ich weiss nicht so genau, wie ich mich ausdrücken soll. OK, ich machs direkt. OK?

Du bist selbst Betroffene und ich weiss, dass deine Mutter sehr jung an Brustkrebs gestorben ist, dein Vater seinen Krebs bereits viele Jahre überlebt hat (ich hoffe es doch? Der Beitrag, den ich gefunden hab, ist immerhin schon 3 Jahre alt?). Trotzdem und vorallem deswegen bewundere ich deinen Mut hier zu schreiben .

Du bestätigst mir damit zum wiederholten Male, was ich selber denke. Dass Liebe gross genug ist, sich schon zu Lebzeiten Sorgen zu machen über das, was danach für die sein könnte, die zurück bleiben. Kein Blabla sondern ernsthaft, konkret. Ich bin mir sicher, dass sich Myriam ab irgendwann die gleichen Sorgen gemacht hat.

Ich drück dir die Daumen! Und dich.


Liebe Geske, liebe Andrea, lieb Micha65

Zitat:
Zitat von Geske Beitrag anzeigen
"Loslassen", ich weiß gar nicht, was ich loslassen sollte: meine Erinnerung, meine Lebensprägung durch die gemeinsame, lange Zeit mit meinem Mann?
Zitat:
Zitat von AndreaS Beitrag anzeigen
So hin und wieder verleitet ihr mich doch immer noch zum Schreiben....

"Loslassen", ich hab diese Empfehlung mancher Mitmenschen an mich immer gehasst, mag den Ausdruck irgendwie immer noch nicht. Nein, auch ich will nicht vergessen
Zitat:
Zitat von Micha65 Beitrag anzeigen
loslassen, der Wunsch nach Rückkehr, Angst die Nähe zu verlieren wenn man loslässt.

Einen geliebten Menschen ganz loslassen: Soll dies wirklich so sein?
Ihn nicht mehr vermissen? In Gedanken nicht mehr ab und zu bei ihm zu sein?

Ich möchte das oben geschrieben erste "loslassen" ersetzen durch "festhalten":
Worte sind doch oft zuerst nur Hülsen, welche jeder mit einer eigenen Interpretation füllen kann oder deren Bedeutung abhängig ist von der Situation, in welcher sie gebraucht werden. Loslassen. Das ist genau so ein Wort.

Lasse ich einen Sterbenden los, so heisst das: du hast es geschafft. Ich möchte, dass du gehen kannst. Gehe in Frieden, dein Kampf ist zu Ende. Bedingungslos.

Lasse ich mein Rettungsseil los, so stürze ich in die Tiefe.

Loslassen in unserem Sinne heisst doch nicht vergessen. Heisst doch nicht, jemanden wegschicken auf Nimmerwiedersehen.

Loslassen heisst in unserem Sinne doch nicht, ihre Hand nicht zu ergreifen, die sich uns entgegenstreckt, wenn wir am Abgrund hängen.

Nicht zu verwechseln mit "festhalten".

Fällt mir gerade ein. Ich habe selbst mal vor langer Zeit geschrieben: Nur der, den man losgelassen hat, kann auch zurückkehren. Ich kann das heute nur unterstreichen. Denn er (oder sie) wird es tun. Hat es auch getan.


Alles Liebe und gute Nacht

Helmut
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  #7  
Alt 05.12.2010, 10:27
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Lieber Helmut u. Geske,
laßt Euch mal (natürlich auch uns Hartmuudsche)
LG Chris
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  #8  
Alt 05.12.2010, 19:44
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Es war einmal vor langer Zeit .......

Ein trostloses Tal. Ein rauschender Fluss. Steinig. Verloren irrt ein Mensch zwischen den Felsen umher. Auf der anderen Seite das Flusses ein hoher Berg.

"Was soll ich hier unten in diesem Loch? Alleine, nichts zu essen und es ist kalt, kein Platz zum Ausruhen? Ich muss hier raus!"

Auf der anderen Seite des Bergs ist ein weites, grünes Tal. Dort wohnen Menschen, die auf ihn warten. Die ihm einen Platz in ihrer Mitte anbieten. Also nix wie hin. Doch wie? Mühsam zwängt er sich durch Felsspalten, klettert über dicke Brocken, bis er endlich eine Stelle findet, um den Fluss zu überqueren. Keine Brücke. Nur Steine im Wasser. Nass und glitschig. Gefährlich, da drüber zu gehen.

"Soll ich?" denkt er. "Wenn ich abrutsche, dann versinke ich im Fluss." Lange zaudert er, wagt es nicht. Sucht mühselig nach einer anderen Stelle, um über den Fluss zu kommen. Er findet keine bessere und geht halb entmutigt zu der Furt zurück. "Ich habe keine andere Wahl. Will ich das Tal erreichen, so muss ich hier über den Fluss." Seinen ganzen Mut kratzt er zusammen und setzt vorsichtig seinen Fuss auf den ersten Stein im Wasser. Ist er fest? OK, er ist es. Unsicher stellt er sich mit beiden Füssen darauf. Puuuuh, er hält!

Jetzt der nächste. Vorsicht! Mit beiden Armen balancierend hat er auch ihn erreicht. Sein Mut wächst. Um ihn das tosende Wasser, doch er steht fest mit beiden Füssen auf dem Stein. Noch ein Stein. Auch der ist geschafft. "Nur Mut," sagt er sich. "Du schaffst das!" Er setzt seinen Fuss auf den nächsten Stein in der Mitte des Flusses. Hier tobt das Wasser ungehindert, Gischt spritzt ihm ins Gesicht. Egal, weiter ........ und rutscht ab. Moos und Wasser haben den Stein glitschig gemacht. Nur mit äusserster Anstrengung kann er sich an ein Ast festhalten, der oberhalb des Steins eingeklemmt ist. Verzweifelt suchen seine Füsse im Wasser nach Halt. "Nicht loslassen!" edröhnt es in seinem Kopf. Das Wasser schiesst über seinen Kopf. Die Hände haben kaum mehr Kraft. Noch einmal schafft er es, den Kopf über Wasser zu heben und schaut nach drüben. Mit Wasser in den Augen sieht er dort drüben eine Gestalt. Sie winkt und ruft. Er hört es nicht. Nur Rauschen.

Doch das gibt ihm neue Kraft. Mit letzter Anstrengung zieht er sich aus dem Wasser auf den Stein und bleibt erschöpft liegen. Plötzlich ist jemand neben ihm, redet ihm beruhigend zu: "Du schaffst das. Los, komm. Ich helfe dir." und reicht ihm die Hand. Zitternd vor Kälte steht der Mensch auf, zu erschöpft, um zu sehen, wer das ist. Der andere kennt diese Furt und weiss genau, auf welche Steine man treten darf und welche nicht. Gemeinsam erreichen sie das rettende Ufer.

Nun völlig fertig sinkt der Mensch an einen Felsen. Nass, müde, zitternd vor Kälte. Der Andere hilft ihm aus den nassen Kleidern, hüllt ihn in einen warme, trockene Decke und rubbelt ihn trocken. Die nassen Kleider hängt er über einen Felsen, damit sie trocknen können, gibt dem Menschen was Warmes zu trinken. "Ich hab dich beobachtet von dieser Seite hier. Hab gesehen, wie du dich gequält hast. Hab deinen Mut gesehen, diesen Fluss zu überqueren. Ich bin hier geblieben, damit ich dir helfen kann, wenn du stürzen solltest. Jetzt ruh dich aus. Der Berg, den du ersteigen willst ist hoch und gefährlich. Pass auf dich auf! Du schaffst das."

Der Mensch möchte sich bedanken und öffnet die Augen ........... der Fremde ist verschwunden.
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  #9  
Alt 05.12.2010, 22:49
ulphin ulphin ist offline
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Beiträge: 140
Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo HelmutL

Dein Text weckt bei mir Assoziationen an "Die Brüder Löwenherz" vor langen Jahren zuletzt gelesen mit meinen Kindern (damals etwa 8 und 5 Jahre alt) zum Tode ihrer Uroma und der erste Kontakt mit dem Leben in der anderen Welt.

Nicht vergessen, sondern erinnern! Glückliche, vergangene Zeit, zufriedene Zukunft.

Danke für diesen Satz, ich kann ihn in Bezug auf meine Mami nur unterschreiben, selbst wenn die zufriedene Zukunft noch eine Weile braucht.

LG ulphin

Geändert von ulphin (05.12.2010 um 22:50 Uhr) Grund: Ergänzung
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