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  #1  
Alt 08.06.2009, 01:03
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Standard das 4. Mal....

hallo miteinander,


Ich heiße Cori, bin 51, habe selber Medizin studiert, bin aber lange raus aus dem Beruf, weshalb ich auch nur noch unvollständig über die modernen Therapien und Möglichkeiten informiert bin.
Betroffen ist meine Mutter, 84, selber Ärztin, die schon eine jahrzehntelange Krebsanamnese hat. Portio-Ca 1967, 1972 Mamma-Ca, 1992 Tonsillen-Ca in fortgeschrittenen Stadium - und jetzt ein Hypopharynx-Ca neu diagnostiziert am letzten Mittwoch - inoperabel laut behandelndem Arzt - dem Chef der HNO-Abteilung.
Bisher hatte sie sich immer wieder hochgerappelt und alles überstanden - aber diesmal sieht es düster aus.
Ich hänge hier im Moment völlig in der Luft, wobei noch erschwerend dazu kommt, daß mein 87jähriger Vater fortgeschritten dement ist.

Morgen habe ich ein Gespräch mit dem Professor - ohne meine Mutter - und ich hoffe, daß ich dann ein bißchen klarer sehe. Trotzdem graust es mir, wenn ich an die nahe Zukunft denke.
Und ich habe wirklich ein Problem, wenn ich sie besuche. (Noch ist sie ja in der Klinik). Sie weiß es, ich weiß es, aber wie spreche ich mit ihr? Wie kann ich ihr wirklich auch emotional helfen?
Daheim alleine kann ich heulen, aber wenn ich bei ihr bin... ???

Das letzte Mal - vor 15 Jahren - da gab es noch kein Internet in der heutigen Form und somit auch kein solches Forum. Nur damals gab es auch noch Hoffnung auf Heilung, und mein Vater war noch geistig fit.

Es ist nicht so, daß ich dem Tod noch nie begegnet bin - im Gegenteil leider häufiger, als mir lieb war. Aber diesmal ist es meine Mutter. Meine Oma, die für mich fast sowas wie eine Mutter war, starb friedlich im hohen Alter von 93 Jahren ohne leiden zu müssen im Grunde an Altersschwäche. Es war schlimm, aber es war auch tröstlich zu wissen, daß sie nicht gelitten hat.
Was aber meine Mutter jetzt vor sich hat, weiß ich zu genau - und sie weiß es auch, denn sie hat sehr oft Krebskranke beim Sterben begleitet in ihrer aktiven Zeit als Ärztin.
Und hier kann - und will ich auch nicht - die Distanz aufrecht erhalten, die eigentlich nötig wäre, um immer das Richtige zu tun.
Es ist einfach alles Sch.... (tschuldigung!)
__________________
Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
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  #2  
Alt 08.06.2009, 06:47
Benutzerbild von stellina
stellina stellina ist offline
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Standard AW: das 4. Mal....

hier nochmal ein liebes hallo cori,
schön, daß du hier bist. der anlass ist immer eine katastrophe, aber wenigstens ist man hier mit seinen sorgen, ängsten und nöten gut aufgehoben.
eines weiß ich mit sicherheit - aus eigener erfahrung und der erfahrung aller anderen hier - man wächst in seine neue rolle hinein. die einen leichter, die anderen schwerer. bei den betroffenen ändert sich oftmals die psychische einstellung, wenn so eine krankheit auftritt. oftmals - aber nicht immer - werden kräfte frei gesetzt, von denen man nicht wußte, daß man sie hat.
viel hängt von dem verhältnis ab, welches man zu dem betroffenen hat.
es wird viel geben, worum du dich im laufe der zeit kümmern mußt. wenn man sich beizeiten schlau macht, kann man eine menge stress auffangen.
also schreib ruhig alles hier rein, was dich drückt, frage, wenn du was wissen willst, es wird immer jemand hier sein, dem was einfällt. auch hier im krebs kompass, bei den krebsarten, findest du viele infos.
jetzt wünsch ich dir erstmal, daß du ein wenig zur ruhe kommst und kraft tanken kannst, solange deine mama noch im kra hs ist.
alles liebe, tina.
__________________
Du kannst nie tiefer fallen, als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.

Mein geliebter Hase: 14.10.1923 - 28.04.2009
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  #3  
Alt 08.06.2009, 15:26
Antara-01 Antara-01 ist offline
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Standard AW: das 4. Mal....

Hallo Cori,

wir sind in einer ähnlichen Situation wie ihr. Meine Mutter (Jg. 1941, hat nie geraucht, nie getrunken) hatte 2002 zum ersten Mal Zungenkrebs, ein T1, ohne Metastasen. Jahrelang war Ruhe, wir dachten, er käme nie wieder. 2007 war er leider wieder da, und trotz OPs und Bestrahlungen kamen 2008 auch Metastasen hinzu. Mitte 2008 kam ein sehr schnell wachsender Tumor zwischen Halsschlagader und Wirbelsäule hinzu - inoperabel. Der wurde dann (auf eigene Kosten) am Cyberknife behandelt. Leider ist er nun doch weitergewachsen - oder ein neuer ist hinzugekommen, so genau kann man das nicht sagen. Er ist rasant schnell gewachsen, das zumindest wissen wir. Aktuell sitzt der Tumor zwischen Halswirbelsäule und Stammhirn und man sieht ihn auch von außen (hinter dem Ohr und am Kiefergelenk). Wir haben alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, sogar eine Chemo mit Antikörperbehandlung, die leider gar nicht geholfen hat (ganz im Gegenteil). Eine OP ist nicht möglich, eine weitere Bestrahlung auch nicht. Meine Mutter wird jetzt mit Schmerzmitteln eingestellt, die aber soweit nicht so anschlagen wie sie sollen. Wir wohnen gemeinsam in einem Haus, meine Eltern oben, mein Mann und ich unten. Die psychische Belastung ist schwer auszuhalten. Meine Mutter weint jeden Tag, ist durch die Chemo stark geschwächt und weiß, dass es jetzt keine Heilung mehr gibt. Eine Freude kann man ihr kaum mehr machen. Man steht absolut hilflos daneben. Das ist am schwersten zu ertragen. Was soll man also tun? Kann man etwas tun? Das ist eine Frage, die ich mir auch immer wieder stelle. Ich helfe ihr so gut geht im Haushalt. Da sie nicht mehr essen kann (sie hat einen Port, über den die Ernährung einigermaßen geht, aber nicht sehr gut), schleppe ich lauter Dinge an, die schön sind, ohne dass man sie essen muss (duftende Rosen aus dem Garten z. B.). Ich beziehe ihr das Bett frisch, damit sie sich darin etwas wohler fühlt. Ich massiere sie, wenn sie verspannt ist, und akupressiere sie auch manchmal. Ansonsten wird es schwer. Ihr etwas vorzuspielen, das käme nicht in Frage. Sie würde das sofort durchschauen. Also weinen wir auch viel zusammen. Ich denke, das gehört auch dazu.

Wie darüber sprechen? Das ist schwierig zu beantworten, da es von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich ist. Ich für meinen Teil schaue, dass ich einfach für meine Mutter DA bin, so gut es eben geht, dass ich ihr zuzuhöre, wenn sie reden möchte. Meine Mutter weiß übrigens auch sehr genau, was auf die zukommt. Sie hat vor 20 Jahren ihre Mutter bis zuletzt gepflegt - sie starb am Ende auch mit Halsmetastasen, nur auf der anderen Halsseite. Das macht es für meine Mutter noch schwieriger.

Es ist wirklich schwierig, dir etwas zu raten, Cori. Du stehst im Grunde genauso hilflos vor der Krankheit wie wir hier. Was meinst du eigentlich genau damit, dass du nicht die nötige Distanz aufrecht erhalten kannst und willst, um das Richtige zu tun?

Ich wünsche dir viel Kraft,

Yvonne
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  #4  
Alt 08.06.2009, 15:49
Ela4811 Ela4811 ist offline
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Standard AW: das 4. Mal....

Hallo liebe Cori,

es tut mir sehr leid, dass es bei deiner Mama so schlecht aus sieht.

Meine Mam hatte einen (eigentlich 3) Glio WHO IV. Ich habe ihr immer gesagt, dass wenn sie darüber reden möchte, dass ich für sie da bin. Manchmal hat sie ab und zu in ihre "Seele" schauen lassen. Aber oft hat sie zu gemacht.

Ich bin der Meinung, wenn deine Ma darüber reden will, dann macht sie es, wenn sie dazu bereit ist. Zeig ihr, dass du für sie da bist.

Ich wünsche euch viel Kraft

Ela

P.S. Ich wollte auch nie vor Mam weinen. Aber es gab Momente, da konnte ich es nicht (wo ich genau wußte, was sie fühlte und dachte - wir hatten ein super Verhältnis) und sie hat mich getröstet.

Man hat unglaublich viel Kraft, auch wenn man das jetzt nicht glaubt.
__________________
Mam
* 18.06.1949 + 08.01.2008

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,
ist voller Trauer unser Herz;
Dich leiden sehen und nicht helfen können,
das war unser größter Schmerz.

Ich werde Dich ewig lieben!!!
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  #5  
Alt 09.06.2009, 00:03
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Standard AW: das 4. Mal....

hallo Tina, Yvonne und Ela

erst mal ganz lieben Dank.

@ Yvonne: ich meine mit Distanz halten, das was man eigentlich "von Berufs wegen" im medizinischen Bereich lernt. Dort ist es auch - schon zur eigenen seelischen Gesundheit - notwendig und richtig, sonst wäre man nach kurzer Zeit am Ende und damit auch für seine Patienten nicht mehr nützlich. Ich weiß nicht, ob ich mich richtig und verständlich ausdrücke!? Bei allem Mitgefühl darf man das Leid nicht zu nahe an sich ran lassen.

Das funktioniert aber nicht, wenn es um einen geliebten Menschen geht. Auf der einen Seite möchte man kämpfen und alles tun, um vielleicht doch noch eine vage Hoffnung auf Heilung - oder wenigstens noch für ein paar Monate mehr zu haben. Wer will schon einfach so aufgeben, wenn es um einen Menschen geht, den man liebt? Den will man ja "behalten".
Auf der anderen Seite... womit tut man diesem Menschen wirklich etwas Gutes? Letztendlich geht es ab einem bestimmten Stadium doch nur noch darum, eine möglichst hohe Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.

Das meine ich mit: das Richtige tun.... und hier bin ich voller Zweifel.

Bei meiner Mama ist jetzt eine Konsiliaruntersuchung in der Strahlenabteilung geplant. Sollte der Radiologe tatsächlich noch eine kurative - oder wenigstens eine palliative Bestrahlung für möglich halten - falls man hier überhaupt nochmal bestrahlen kann - dann um so besser. Aber.... wie belastend eine Bestrahlung ist - gerade im Mund- Halsbereich - weiß ich ja auch. Habe noch eine sehr plastische Erinnerung an vor 15 Jahren. Schon damals ist die Bestrahlung schon fast über ihre Kräfte gegangen - um wieviel mehr würde sie das heute belasten. Sie ist nicht mehr in einer körperlichen Verfassung, um tatsächlich eine komplette Strahlentherapie durchzustehen.

Aber ok - die Entscheidung liegt natürlich alleine bei meiner Mama. Wie immer sie es haben möchte, werde ich es akzeptieren und sie in jeder Weise unterstützen.

Ja Yvonne, du hast recht, ich stehe völlig hilflos und voller Zweifel da gerade.

@ Ela, meine Mama war immer die Starke, die Kämpferin, diejenige, die der unangefochtene Rudelführer war in unserer Familie. Sie war immer diejenige, die selbst in ihrer schlimmsten Zeit noch die Kraft hatte, Papa und mich aufzubauen und zu trösten.
Vor 4 Jahren hatte sie eine doppelseitige Gürtelrose, die dann noch eine Myelitis (eine Rückenmarksentzündung) nach sich zog - und eine Lähmung der Beine zur Folge hatte. Das alles war nicht lebensbedrohlich und ist vollständig ausgeheilt. Aber damals hatte sie zum ersten Mal aufgegeben - "ich bin jetzt alt, ich bin krank, ich brauch jetzt rund um die Uhr Betreuung".
Da ich aber wußte, daß alles wieder ausgeheilt war - und daß sie wieder konnte, wenn ich sie nur dazu bringen konnte, auch zu wollen - habe ich mich gezwungenermaßen zum Rudelchef gemacht. Es war ein harter Kampf, aber ich habe sie wieder auf die Beine gestellt - und sie wurde wieder weitgehend selbständig.
Aber wie es jetzt wird ....

Jedenfalls danke für euren Zuspruch - und danke für den einen oder anderen Gedanken, den ihr mir mitgebt gerade. Ich fürchte, ich werde jede Hilfe brauchen können in der nächsten Zeit.
__________________
Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
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  #6  
Alt 09.06.2009, 09:40
Ela4811 Ela4811 ist offline
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Standard AW: das 4. Mal....

Liebe Cori,

ich kann dich gut verstehen. Meine Mam hat unsere Familie zusammen gehalten und untereinander vermittelt.
Dann wurde sie krank und Papa hat sie teilweise behandelt als ob sie eine Erkältung hat. Selbst wenn sie Streit hatten, hat sie aufgegeben. Ich habe ihren Kampf in dieser Hinsicht gekämpft und Papa hatte es nicht leicht. Für mich zählte Mam und dann kam erst mal niemand. Keiner aus meiner Familie konnte sich ein wenig in sie hinein versetzen. Keiner konnte ihre Ängste verstehen...

Jetzt ist meine Mam nicht mehr da und ich merke, wie ich immer mehr ihren Platz einnehme. Ich vermittel jetzt untereinander sonst wäre unsere Familie schon zerbrochen.

Ich wünsche dir viel Kraft

Ela

P.S. Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass man weiß, was auf einen zukommt oder nicht. Beides kann positiv sein. Ich weiß, dass meine Mam Angst davor hatte, was sie zu erwarten hatte...
__________________
Mam
* 18.06.1949 + 08.01.2008

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,
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das war unser größter Schmerz.

Ich werde Dich ewig lieben!!!
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